Deutscher Immunologie-Preis - Verleihung an Özlem Türeci, Uğur Şahin und Katalin Karikó (2022) sowie Thomas Boehm (2020)
Dr. med. Özlem Türeci, Prof. Dr. med. Uğur Şahin und Prof. Dr. Katalin Karikó erhielten gestern den Deutschen Immunologie-Preis 2022. Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie verleiht ihnen den Preis für ihre bahnbrechenden Arbeiten im Bereich der Entwicklung von Impfstoffen gegen Krebs und SARS-CoV-2, die auf der mRNA-Technologie basieren. Gleichzeitig erhielt Prof. Dr. med. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Entwicklung des Immunsystems den Deutschen Immunologie-Preis 2020 verliehen. Der Preis ist mit 10.000 € dotiert und wurde während dem Joint Meeting der DGfI und ÖGAI in Hannover verliehen.
Özlem Türeci, Uğur Şahin und Katalin Karikó
Die jahrzehntelange wissenschaftliche Spitzenforschung der drei Preisträger:innen im Bereich der mRNA-Biologie und Tumorimmunologie für die Entwicklung von mRNA Impfstoffen gegen Krebs-Antigene, beispielsweise beim schwarzen Hautkrebs (Melanom), bildete die Grundlage für die Entwicklung von mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffen. Diese Arbeiten wurden bereits im Jahr 2005 von der DGfI mit dem Georges-Köhler-Preis für Özlem Türeci und Uğur Şahin ausgezeichnet. Die rasante Entwicklung des mRNA-basierten Impfstoffes gegen COVID-19 wäre ohne diese exzellenten Vorarbeiten aus der Tumorimmunologie nicht möglich gewesen. Die drei Preisträger:innen haben seit vielen Jahren eng zusammengearbeitet und konnten ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Tumorvakzinierung umgehend für die Initiative „Lightspeed“ zur Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffes umsetzen.
Katalin Karikó hat ihr umfassendes Knowhow zur Modifikation und Stabilisierung von mRNA-Bausteinen eingebracht, damit diese nicht bereits abgebaut werden, bevor das Immunsystem überhaupt aktiviert werden kann. Özlem Türeci und Uğur Şahin haben ihre langjährige Expertise zur pharmakologischen und immunologischen Optimierung von mRNA basierten Impfstoffen zur Krebsimmuntherapie genutzt, um hochpotente mRNA Impfstoffkandidaten gegen das SARS-CoV-2 Virus zu entwickeln, die sich durch eine starke Immunantwort bei niedriger Dosis auszeichnen. Zusammen mit ihrem Partner Pfizer konnten sie in präklinischen und Phase I Studien den vielversprechenden Kandidaten BNT162b2 identifizieren. Dieser inzwischen als Comirnaty bezeichnete Impfstoff konnte in den darauffolgenden Phase II/III Studien zur Zulassungsreife gebracht und in der EU als erster COVID-19 Impfstoff zugelassen werden.
Özlem Türeci studierte Medizin in Homburg, wo sie auch zum Dr. med. promoviert wurde und habilitierte sich an der Universität Mainz im Fach Molekulare Medizin. Özlem Türeci ist Privatdozentin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Chief Medical Officer (CMO) der Firma BioNTech und Präsidentin der Association of Cancer Therapy (CIMT).
Uğur Şahin wechselte nach dem Studium der Medizin und einer anschließenden Promotion in Köln an die Universität des Saarlandes. Zusammen mit seiner Ehefrau Özlem Türeci ging er später nach Mainz und habilitierte sich dort an der Medizinischen Fakultät im Fach Onkologie. Uğur Şahin ist Professor für Translationale Onkologie und Immunologie an der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz, Vorsitzender des wissen-schaftlichen Beirats des Helmholtz Instituts für Translationale Onkologie (HI-TRON) in Mainz und Chief Executive Officer (CEO) der Firma BioNTech. Im Jahr 2001 gründete das Paar mit weiteren Wissenschaftlern die Firma Ganymed Pharmaceuticals, die im Jahr 2016 von einer japanischen Pharmafirma übernommen wurde. Bereits im Jahr 2008 waren beide zudem Gründungsmitglieder der Firma Biopharmaceutical New Technologies, kurz - und besser bekannt als – BioNTech, für die seit 2013 auch Katalin Karikó tätig ist.
Katalin Karikó studierte Biochemie an der Universität Szeged. Nach ihrer Promotion ging sie in die USA, wo sie an den Universitäten in Philadelphia und Bethesda arbeitete, bevor sie an die Universität von Pennsylvania (UPenn) wechselte. Dort führte sie ihre grundlegenden Arbeiten zu Veränderungen von Nukleosiden - den Bausteinen der mRNA - durch, damit diese bessere B- und T-Zell Immunantworten hervorrufen. Ihre Arbeiten bilden sowohl einen wichtigen Baustein für die erfolgreiche Entwicklung der COVID-19 Impfstoffe Comirnaty von BioNTech als auch Spikevax von der Fa. Moderna.
Thomas Boehm
Mit seinen herausragenden wissenschaftlichen Spitzenleistungen im Bereich der molekularen Mechanismen der Entwicklung des Immunsystems zählt Professor Thomas Boehm schon seit vielen Jahren zu den führenden Immunologen weltweit. Im Fokus seiner Forschung stehen die Entwicklung und Funktion des Thymus und der T-Zellen, sowie die Evolution des adaptiven Immunsystems. Mit seinen durchaus gewagten Hypothesen hat er wiederholt vermeintlich etablierte Paradigmen in Frage gestellt und im Ergebnis völlig neue Perspektiven auf die Funktion und Regulation des Immunsystems eröffnet. Das belegen auch die aktuellen hochrangigen Publikationen, in denen Prozesse der Thymus-abhängigen T-Zellentwicklung nicht nur in Mausmodellen, sondern in einer ganzen Reihe von Tierarten, angefangen von einfachsten Wirbeltieren (z.B. Neunaugen) bis hin zum Menschen beschrieben werden. Diese Vielfalt der Tiermodelle eröffnete Thomas Boehm und seinen Mitarbeiter*Innen immer wieder neue Einblicke in die faszinierende Evolution des Immunsystems, die bei kiefertragenden Wirbeltieren (Kiefermäulern) durch das erstmalige Auftreten von spezialisierten „lymphopoietischen“ Geweben mit T- und B-ähnlichen Zellen, quasi als Urahnen der T- und B-Lymphozyten der Säugetiere, gekennzeichnet ist. Dagegen entwickelten sich bei primitiveren kieferlosen Wirbeltieren (z.B. Neunaugen) die genetischen Mechanismen, die eine großes Repertoire an strukturell unterschiedlichen Antigenrezeptoren überhaupt ermöglichen, offenbar weitgehend unabhängig. Dementsprechend unterschiedlich sind sie auch im Vergleich zu den rezenten Wirbeltieren (Kiefermäulern), bis hin zu Primaten und dem Menschen.
"In dem Kurzformat einer Pressemitteilung können aus der Fülle der bahnbrechenden Pionierarbeiten von Professor Boehm nur einige Highlights erwähnt werden, um den Rahmen nicht zu sprengen", so Prof. Dr. Thomas Kamradt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Für besonderes Aufsehen bei den wissenschaftlichen Kollegen*Innen sorgte nicht nur die Entdeckung der Mutation bei T-Zell-defizienten "Nackt"-Mäusen, sondern auch der in 2020 in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Mechanismus des „sexuellen Parasitismus“ bei Anglerfischen, bei denen sich das Männchen zu Reproduktionszwecken buchstäblich in das Weibchen „verbeißen“ muss – nicht nur um den Preis der Abgabe ganzer Organe und des Blutkreislaufes, sondern auch einiger Immunrekombinations-Gene – sozusagen Toleranz auf höchstem Niveau. Aber damit nicht genug. Sein out of the box-Denken lässt sich auch daran erkennen, dass Thomas Boehm sich immunologisch der Frage gewidmet hat, warum man manche Zeitgenossen einfach „nicht riechen“ kann. Basierend auf seinen mechanistischen Studien bei Fischen und Mäusen hat er gefunden, dass wir Menschen tatsächlich anhand des Körpergeruchs anderer Personen wahrnehmen könnten, welche Peptidliganden der Humanen Leukozyten-Antigenen (HLA) olfaktorischen Sinneszellen zugänglich gemacht werden. Selbst-Peptide im Kontext der HLA-Allele des Gegenübers nehmen Menschen in bestimmten Gehirnregionen offenbar als weniger wohlriechend wahr als „Parfüm-ähnliche“ Fremd-Peptide. Wenn man sich gegenseitig „beschnuppert“, könnte also mehr dahinterstecken, als gedacht: nämlich eine sensorisch beeinflusste Partnerwahl auf der Basis der gemeinsamen Immungenetik aus HLA-Polymorphismen und olfaktorischer Evaluation der korrespondierenden Peptidliganden.
Bei dieser beeindruckenden Vielfalt an nicht nur bahnbrechenden, sondern in weiten Teilen sogar revolutionären Erkenntnissen über Evolution und Regulation des adaptiven Immunsystems wundert es nicht, dass einige Entdeckungen von Thomas Boehm, z.B. über die evolutionären Mechanismen des adaptiven Immunsystems, schon jetzt Eingang in die internationalen Immunologie-Lehrbücher gefunden haben. "Die bahnbrechenden Arbeiten aus dem Boehm-Labor basieren nicht nur auf wissenschaftlichem Scharfsinn und experimentell-methodischer Exzellenz, sondern zeugen von seiner außergewöhnlichen Fähigkeit, jenseits der bekannten Pfade out of the box zu denken, Paradigmen in Frage zu stellen und damit völlig neue immunologische Wege zu beschreiten – durchaus auch entgegen der aktuellen Lehrmeinung“, begründet Thomas Kamradt die Entscheidung für diesen Preisträger und fügt hinzu, dass "mit Thomas Boehm ein großes Vorbild für den wissenschaftlichen Nachwuchs geehrt wird".
Herr Prof. Dr. med. Thomas Boehm ist seit 1998 Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und leitet dort die Abteilung „Entwicklung des Immunsystems“. Zuvor war er 1995-1997 Professor am Deutschen Krebsforschungszentrum, DKFZ, in Heidelberg, wohin er als Professor der medizinischen Fakultät an der Universität Freiburg gewechselt hatte. Seine Postdoktorandenzeit verbrachte Prof. Boehm von 1987 – 1991 im Labor für Molekularbiologie in Cambridge, England, wohin es ihn nach seiner klinisch/experimentellen Postdoktorandenausbildung 1982-1986 in Pädiatrie und Biologischer Chemie an der medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt zog, an der er auch sein Medizinstudium absolviert hatte.
Über den Deutschen Immunologie-Preis
Der Deutsche Immunologie-Preis ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI). Er wird seit 2016 in einem meist zweijährigen Turnus verliehen und ist mit 10.000 € dotiert. Geehrt werden international angesehene Persönlichkeiten, die mit herausragenden Forschungsleistungen zur Aufklärung immunologischer Grundprinzipien und/ oder zur Translation der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung beigetragen haben. Der Deutsche Immunologie-Preis ist der Nachfolgepreis des Avery-Landsteiner-Preises, den die DGfI von 1973 bis 2014 mit Unterstützung der Behringwerke AG, Marburg bzw. der CSL Behring GmbH verliehen hat. Der Deutsche Immunologie-Preis wird seit 2020 durch die großzügige Unterstützung der Firma AbbVie Deutschland ermöglicht.
Über AbbVie
AbbVie ist ein globales, forschendes BioPharma-Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, neuartige Therapien für einige der komplexesten und schwerwiegendsten Krankheiten bereitzustellen. AbbVie ist mit dem Zusammenschluss mit Allergan weltweit in verschiedenen wichtigen Therapiegebieten tätig, wie Immunologie, Onkologie, Neurologie, Augenheilkunde, Virologie und Frauengesundheit. Hinzu kommt das Portfolio von Allergan Aesthetics in der medizinischen Ästhetik. Weitere Informationen zum Unternehmen finden Sie unter www.abbvie.com und www.abbvie.de.
Über die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI)
Die DGfI, gegründet 1967, hat mehr als 2.300 Mitglieder, die aktiv in der Grundlagenforschung oder in der klinischen Immunologie tätig sind. Die wissenschaftlichen Tätigkeiten der DGfI sind in 16 Arbeitskreisen organisiert, die alle wichtigen Bereiche der aktuellen Immunologie abdecken. Die DGfI organisiert jährliche Kongresse mit über 1000 Teilnehmer:innen, um die Vernetzung der Immunolog:innen innerhalb Europas und auf nationaler Ebene zu unterstützen. Darüber hinaus gibt es bilaterale Treffen, um gemeinsame Forschungsinitiativen mit außereuropäischen Gesellschaften zu initiieren und zu entwickeln. Weitere Ziele der DGfI bestehen darin, die Akzeptanz für immunologische Forschung in der Bevölkerung zu erhöhen und mit der Akademie für Immunologie ein strukturiertes Ausbildungsprogramm in der Immunologie anzubieten. Weitere Informationen finden Sie auf www.dgfi.org.
Pressekontakt:
Deutsche Gesellschaft für Immunologie e. V.
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Ansprechpartner: Dr. Agnes Giniewski
E-Mail: giniewski@dgfi.org
Weitere Informationen finden Sie auch unter: www.dgfi.org
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