Das Recruiting stärken - auch mit KI
Warum finden Unternehmen (keine) Azubis? Um diese Frage zu beantworten, untersucht das Projekt AzuRe an der TH Nürnberg Bewerbungsprozesse mit Mittelschulklassen. Zum Einsatz kommt dabei auch Künstliche Intelligenz, um die impliziten Annahmen und Selektionsmechanismen von Recruiter*innen im Bewerbungsgespräch besser untersuchen zu können.
Unternehmen klagen immer häufiger, keine geeigneten Auszubildenden mehr zu finden. Und es ist wahr: Von den angebotenen Ausbildungsplätzen konnten im letzten Jahr laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 63.000 nicht besetzt werden – etwa 12% aller angebotenen Stellen. Das interdisziplinäre Projekt zum Auszubildenden-Recruiting (AzuRe) an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm widmet sich den Ursachen dieser Entwicklung, indem es die Recruitingprozesse und die unternehmerischen Entscheidungskriterien in Bewerbungsinterviews in den Blick nimmt.
Prof. Dr. Sabine Fromm, Soziologin an der Fakultät Sozialwissenschaften, verdeutlicht die Notwendigkeit eines Perspektivwechsels: „Neben dem qualitativen Mangel an Bewerbungen wird auch die mangelnde Eignung von Bewerbern beklagt und damit das Potenzial von Jugendlichen verkannt.“ Sie ist deshalb besonders an der Frage interessiert, was im Bewerbungsinterview genau passiert. Aus Vorstudien ist etwa bekannt, dass es schon innerhalb eines Unternehmens zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann, abhängig davon, wer die Bewerbung sichtet. Implizite Kriterien haben also durchaus schon Einfluss auf die erste Bewertung, im Interview setzt sich dieser Eindruck fort, so die These der Forschenden. „Und genau das darf eigentlich nicht sein“, betont der Berufs- und Arbeitspädagoge Prof. Dr. Raphael Verstege von der Fakultät Betriebswirtschaft. „Wir wollen darauf hinarbeiten, ein Bewusstsein zu schaffen, dass auch Unschärfen im Bewertungsprozess liegen.“
Mit ihrem interdisziplinären Projekt, das Fromm und Verstege am Kompetenzzentrum Soziale Innovationen, Methoden und Analysen (KoSIMA) der TH Nürnberg durchführen, wollen sie einen Beitrag zur Professionalisierung der Recruitingprozesse leisten. Damit sollen auch denjenigen Jugendlichen eine Ausbildungschance erhalten, deren Kompetenzen und Talente bislang unentdeckt blieben.
Im Zentrum des einjährigen Projekts stehen deshalb weniger die Qualifikationen und Motivationen der Jugendlichen, sondern vielmehr die Annahmen, Entscheidungslogiken und Selektionsmechanismen von Recruiter*innen und damit diejenigen Kriterien, die unterbewusst bewertungsrelevant sein können. Dazu verfolgen die Forschenden einen innovativen Ansatz: Neben Experteninterviews und standardisierten Betriebe- und Klassenraumbefragungen setzen sie experimentelle Bewerbungsgespräche ein, die mithilfe von Emotion Detection, einem Bereich der Künstlichen Intelligenz, ausgewertet werden.
Das Programm erkennt anhand von Videoaufnahmen, wann im Interview Emotionen wie Überraschung, Freude oder Ärger auftreten. Im zweiten Schritt untersuchen die Forschenden anhand des Filmmaterials, was in der jeweiligen Situation genau passierte. Im Kern geht also um die Fragen: Welches Verhalten löst welche Reaktionen aus? Wie beeinflusst sich das Verhalten von Bewerber*innen und Recruiter*innen gegenseitig? Mit den gewonnenen Erkenntnissen aus dieser Forschung will das Team um Fromm und Verstege ein Bewusstsein für individuelle Einflussgrößen auf Entscheidungen schaffen, langfristig den Recruitingprozess verbessern und damit die Chancen von Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz erhöhen.
Innerhalb des Projekts arbeitet das Team mit der Geschwister-Scholl-Mittelschule aus Röthenbach an der Pegnitz und einer Reihe mittelgroßer Unternehmen aus verschiedenen Branchen in der Metropolregion Nürnberg zusammen.
Weitere Informationen:
http://Link zum Projekt: https://www.th-nuernberg.de/fakultaeten/sw/forschung/laufende-forschungsprojekte/azure-warum-unternehmen-keine-azubis-finden/
http://Kontakt:
http://Matthias Wiedmann, Pressesprecher
http://Telefon: +49 911/5880-4101
http://E-Mail: presse@th-nuernberg.de