Menschengemachte Luftverschmutzung bedeutender als Wüstenstaub
Im Nahen Osten stammen mehr als 90 Prozent der gesundheitsgefährdenden und klimaschädlichen Feinstaubpartikel aus anthropogenen Quellen
Zu Beginn dieses Jahres teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit, dass der Nahen Osten zu den Regionen mit der schlechtesten Luftqualität zählt. Eine verbreitete Meinung ist jedoch, dass in dieser Region Wüstenstaub die bedeutendste Ursache von Luftverschmutzung durch Feinstaub sei. Eine Studie zeigt nun, dass mehr als 90 Prozent der gesundheitsgefährdenden Feinstaubpartikel aus anthropogenen Quellen stammen. Zudem unterscheidet sich dieser Feinstaub von den weniger gesundheitsschädlichen Wüstenstaubpartikeln. Dies hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Messungen festgestellt und in aufwendigen Modellierungsberechnungen belegt. Die anthropogene Partikel sind vor allem der Gewinnung und Nutzung von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas zuzuschreiben. Sie sind generell kleiner als Wüstenstaub und können tief in die Lungen vordringen.
Das internationale Team unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie war 2017 in einer spektakulären Expedition mit einem Forschungsschiff rund um die Arabische Halbinsel gefahren. Mit an Bord waren verschiedene Messinstrumente, um Aerosolpartikel und Spurengase wie Ozon und Stickoxide zu bestimmen. Die Forschenden fanden zudem heraus, dass der Suezkanal, das nördliche Rote Meer und vor allem der Arabische Golf regionale Ozon-Hotspots sind. Die außergewöhnlich starke lokale Ozon-Bildung weist darauf hin, dass das gesundheitsschädliche Gas auch in anderen dicht besiedelten Regionen der Arabischen Halbinsel ein Problem ist. Auch für Stickstoffoxide stellen die Wissenschaftler Belastungen fest, die deutlich über den Grenzwerten der WHO liegen.
„Aus der Region um die Arabische Halbinsel und generell im Nahen Osten gibt es vergleichsweise wenige Messungen. Daher war diese Expedition sehr wichtig“, sagt Sergey Osipov, Atmosphärenphysiker am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien. „Wir haben die Daten für Atmosphärenchemie-Modelle genutzt, um Rückschlüsse auf die generelle Luftqualität und gesundheitliche Folgen zu treffen.
Luftverschmutzung im Nahen Osten führt zu hohen Sterberaten
„Die Feinstaub-Grenzwerte werden in der Region, in der 400 Millionen Menschen leben, dauerhaft überschritten“, sagt Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie und Leiter des Projektes, an dem neben zahlreichen Mainzer Forschenden auch Wissenschaftler aus Kuwait, des Cyprus Institute auf Zypern sowie aus Saudi-Arabien, Frankreich und den USA beteiligt waren.
„Die extreme Luftverschmutzung bedeutet eine jährliche Übersterblichkeit von 745 Menschen pro 100.000. Sie ist ähnlich bedeutend wie andere, führende Risikofaktoren, z. B. hoher Cholesterinspiegel und Tabakrauchen und auch mit der von COVID-19 vergleichbar“, ergänzt der Atmosphärenforscher, der auch Professor am Cyprus Institute in Nikosia ist. Da die anthropogene Luftverschmutzung im Nahen Osten auch ein wichtiger Klimafaktor ist, seien Maßnahmen zur Emissionsreduzierung umso wichtiger.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jos Lelieveld
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Telefon: 06131-3054040
E-Mail: jos.lelieveld@mpic.de
Originalpublikation:
Severe atmospheric pollution in the Middle East is attributable to anthropogenic sources
Sergey Osipov, Sourangsu Chowdhury, John N. Crowley, Ivan Tadic, Frank Drewnick, Stephan Borrmann, Philipp Eger, Friederike Fachinger, Horst Fischer, Evgeniya Predybaylo, Mohammed Fnais, Hartwig Harder, Michael Pikridas, Panos Vouterakos, Andrea Pozzer, Jean Sciare, Alexander Ukhov, Georgiy L. Stenchikov, Jonathan Williams and Jos Lelieveld
Communications Earth & Environment, 2022
DOI: 10.1038/s43247-022-00514-6
Weitere Informationen:
https://www.mpic.de/5274545/menschengemachte-luftverschmutzung