Umgang mit menschlichen Überresten in der Sonderausstellung erhält positives Feedback
Das Landesmuseum Natur und Mensch sucht den Dialog und zieht erste Zwischenbilanz.
Oldenburg. Das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg hatte die Vorbereitungen zur aktuellen Ausstellung „Mumien – Geheimnisse des Lebens“ zum Anlass genommen, die eigene Haltung zum Umgang mit menschlichen Überresten in die Praxis umzusetzen. Die Haltung diente als Grundlage für Anpassungen im Ausstellungsaufbau und beeinflusste die Außenkommunikation. Vielfältiges Feedback von Ausstellungsbesucher:innen bestärkt insgesamt das Vorgehen. Die Hinweise auf menschliche Überreste werden nun auch für die Dauerausstellungen aufgenommen.
Haltung entwickeln
Die Sonderausstellung „Mumien – Geheimnisse des Lebens“ wurde im Mai 2022 eröffnet. Das ursprüngliche Ausstellungskonzept und die meisten Leihgaben entstammen den Reiss Engelhorn Museen Mannheim. Der sensible Inhalt der Ausstellung, unter anderem Menschenmumien, veranlasste das Natur und Mensch, sich intensiv mit der Frage zum Umgang mit menschlichen Überresten in der Museumspraxis auseinanderzusetzen und nach Wegen zu suchen, wie ein würdevollerer Umgang konkret aussehen könnte. Im Rahmen ihres Forschungsprojektes zur anthropologischen Schädelsammlung des Landesmuseums Natur und Mensch organisierte die Wissenschaftlerin Dr. Ivonne Kaiser Workshops mit internen Mitarbeitenden und externen Partner:innen, um den Umgang zu diskutieren. Für eine transkulturelle Perspektive wurden auch Personen aus der Stadtgesellschaft einbezogen. Die daraus hervorgegangene „Haltung im Umgang mit menschlichen Überresten“ ist als Shortversion auf der Webseite des Museums einsehbar.
Als Resultat aus dem Prozess werden in der Sonderausstellung die menschlichen Überreste in einem separaten Bereich gezeigt. Neben einem würdevollen Umgang mit den sterblichen Überresten an sich, lässt diese Aufteilung den Besuchenden die Wahl, ob sie den menschlichen Toten begegnen möchten oder nicht. In der Außenkommunikation wird ganz bewusst auf Fotos und Bilder von menschlichen Überresten verzichtet. Zur Evaluation werden Besucher:innen um ein offenes Feedback zur Präsentation in der Ausstellung gebeten.
Feedback und Bilanz
„Gemäß unserer diesjährig veröffentlichen Haltung war es uns wichtig, die menschlichen Mumien respekt- und würdevoll zu präsentieren. Das überwiegend positive Feedback von Besuchenden zeigt uns, dass es richtig ist, sterbliche Überreste von Menschen in Ausstellungen in separaten Bereichen zu präsentieren und frühzeitig auf die Begegnung mit dem Tod hinzuweisen. Vielfach wurde uns zurückgemeldet, dass gerade die menschlichen Mumien als berührend, aber auch als gruselig empfunden werden“, sagt Wissenschaftlerin Dr. Ivonne Kaiser
„Negative Kritik gab es generell zum Ausstellen von menschlichen Toten. Wir verstehen, dass dies eine ethische Frage ist, mit der sich Museen auseinandersetzen müssen. Als Forschungsinstitution und Bildungsort sehen wir uns in der Verantwortung, durch eine respektvolle Präsentation Erkenntnisse zu Leben und Tod an alle Altersstufen weiterzugeben“, so Museumsdirektorin Dr. Ursula Warnke
Hintergrund
Dass Moorleichen, Mumien und andere Human Remains in Museumsausstellungen zu sehen sind, wurde lange wenig hinterfragt. Doch der Blick auf solch sensible Museumssammlungen verändert sich. Postkoloniale und transkulturelle Sichtweisen zeigen auch im Diskurs zu Human Remains ihre Wirkung. Insbesondere vor dem Hintergrund kolonialer Kontexte findet hier ein Umdenken statt. Dies hat bereits zu zahlreichen Rückgaben von Gebeinen von Ahnen an Herkunftsgesellschaften geführt. Etwas weniger sensibel, da meist regionalen Ursprungs und mit geklärter Herkunft, sind etwa die fünf Moorleichen des Natur und Mensch oder der Leichenbrand in Urnen aus der Römerzeit. Dennoch stellt sich auch hier die Frage nach einer Haltung zum Umgang. Die Ausstellungsgeschichte des Natur und Mensch zeigt, dass Moorleichen in der Vergangenheit stets präsentiert und teils als Anziehungspunkt und Attraktion kommuniziert wurden. Bei der Gestaltung der aktuellen Dauerausstellung wurde bereits um die Jahrtausendwende ein Konzept zur pietätvollen Präsentation der Moorleichen erarbeitet. Sie sind in einen großen Moorblock eingebettet und nur gedimmt beleuchtet.
Bei der Erarbeitung der aktuell veröffentlichten Haltung wurde diese Art der Ausstellung ebenfalls neu hinterfragt. Das Natur und Mensch steht nach wie vor hinter diesem Konzept. Als Resultat des angestoßenen Prozesses werden konsequenterweise nun auch in der Dauerausstellung Markierungen und Hinweise hinzukommen, die Besuchende auf die Präsenz menschlicher Überreste hinweisen.
Information und Dialog
Eine Informations- und Dialogveranstaltung unter dem Titel „Sensibel oder sachlich? Wie kann ein würdevoller Umgang mit sterblichen Überresten im Museum aussehen?“ ist in Planung. Die Veranstaltung soll sich vorwiegend an Lehrkräfte, Mitarbeitende anderer Museen, Austellungsmacher:innen und Interessierte aus der Stadtgesellschaft richten.