DGP-Präsidentin Prof. Dr. Claudia Bausewein zum Kongressauftakt: Flächendeckende Palliativversorgung ist akut gefährdet
Mehr als tausend Teilnehmende beim 14. DGP-Kongress vom 29.09. - 01.10.22 in Bremen I Leitmotiv: "Palliativversorgung - Segeln hart am Wind“ I Pandemie plus Personalnotstand bremsen Palliativstationen und Palliativdienste aus I Situation in der ambulanten Palliativversorgung ebenfalls alarmierend I Kongresspräsidium: Prof. Dr. Henrikje Stanze, Bremen, Prof. Dr. Christian Junghanß, Rostock, Prof. Dr. Anne Letsch, Kiel
BREMEN, 29.09.2022 I Zweieinhalb Jahre nach Pandemiebeginn beobachtet die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) mit Sorge einen bundesweiten Rückgang der Anzahl an Palliativstationen nach über 25 Jahren stetigen Aufbaus. „Seit 2020 ist es zu Schließungen, strukturellen Verschiebungen und anderen Rückentwicklungen überwiegend infolge der Coronapandemie und des Personalnotstands gekommen.“ zeigt sich die Präsidentin der DGP, Prof. Dr. Claudia Bausewein, LMU Klinikum München, bei der Eröffnung des 14. DGP-Kongresses in Bremen beunruhigt. Hinzu kommt: „Gleichzeitig sind die ergänzenden multiprofessionellen spezialisierten Palliativdienste an Krankenhäusern längst nicht in dem im Hospiz- und Palliativgesetz vorgesehenen Maße auf- und ausgebaut worden. Grund dafür ist eine nach wie vor uneinheitliche und unsichere Finanzierungssituation.“
Auch Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe, warnt: „Wir sehen die aktuellen Entwicklungen mit großer Sorge. Als Wegbereiterin der Palliativmedizin in Deutschland haben wir seit fast vier Jahrzehnten in hohem Maße zum Aufbau palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen beigetragen und in die Aus- und Weiterbildung sowie Forschung investiert. Die Corona-Pandemie hat jedoch nachweislich zu signifikanten und anhaltenden Defiziten geführt. Diese Rückentwicklung stellt eine Gefährdung der bisherigen Erfolge dar. Es erscheint uns zwingend, dass die durch die Pandemie verursachten Probleme und auch der aktuelle Pflegenotstand gesundheitspolitisch ernst genommen werden und hier zeitnah gehandelt wird.“
Palliativteams segeln oft hart am Wind I Dringend: Akademisierung der Pflege
„Stagnation und Rückschritte sind ebenso im ambulanten Bereich alarmierend.“ ergänzt Kongresspräsidentin Prof. Dr. Anne Letsch, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel: „Für lebensbegrenzend erkrankte Menschen ist eine abgestimmte Koordination von Klinikaufenthalten und der Versorgung im Hospiz, Pflegeheim oder zuhause essentiell! Diese ist aktuell sehr erschwert.“
Das Leitmotiv des Kongresses „Palliativversorgung – Segeln hart am Wind“, zu dem sich rund tausend Teilnehmende in Bremen und weitere 300 Besucher:innen bundesweit an ihren Bildschirmen zusammengefunden haben, spiegelt außerdem weitere Grenzerfahrungen und Herausforderungen in der Palliativversorgung wieder.
Kongresspräsidentin Prof. Dr. Henrikje Stanze, Hochschule Bremen, erläutert dies an einem zentralen Punkt: „Der qualitative und quantitative Anspruch steigt, wir benötigen dringend eine Akademisierung in der Pflege und entsprechende Stellen in der Praxis, damit die Pflege für sich selbst sprechen und argumentieren kann. Dies auch, um den Pflegenotstand von Seiten der Pflege aktiv zu bekämpfen.“ Die Pflegefachkräfte nehmen im Palliativteam eine wesentliche Rolle ein – sie sind häufig den schwerkranken Menschen und ihren Angehörigen sehr nah und wissen um Bedarfe und Bedürfnisse, wodurch ihrer Einschätzung im interprofessionellen Teamaustausch besonders wichtig ist.
Wer braucht welche Palliativversorgung? Was kann die Telemedizin beitragen?
Hier kommt als weiterer Schwerpunkt des Kongresses die Digitalisierung ins Spiel, ergänzt Kongresspräsident Prof. Dr. Christian Junghanß, Universitätsmedizin Rostock, zwei grundlegende Fragen werden aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen: „Wie kann die Verknappung von Personal durch digitale Angebote kompensiert werden? Wie können schwerkranke Patient:innen auch mit Hilfe der Telemedizin gut versorgt werden?“ Die Digitalisierung ist ebenso für das Kongressformat bedeutsam, da etwa ein Viertel der Teilnehmenden die drei Kongresstage allein über den Bildschirm miterlebt.
Der Kongress bietet Antworten aus Klinik und Forschung auf zahlreiche Fragenkomplexe, aus denen Kongresspräsidentin Prof. Dr. Anne Letsch diese herausgreift: Wer braucht welche Palliativversorgung? „Bei knapper werdenden Ressourcen ist es essentiell Kriterien zu definieren, wer und wann allgemeine oder spezialisierte Palliativversorgung benötigt.“ Welche Behandlungsstandards müssen gelten? Wie kann der Bedarf von schwerkranken Patient:innen und ihren Angehörigen eingeschätzt und erfüllt werden? Wieviel Forschung darf oder sollte sein? Und: Was können wir von den schwerkranken Men-schen, ihren Familien und den Palliativteams lernen für den Umgang mit anderen, neuen Krisen des Lebens?
DGP-Kampagne „das ist palliativ“ will Ängste nehmen
Die fachlich dichten Kongresstage sind eingebettet in das abwechslungsreiche Rahmenprogramm der „Bremer Woche der Palliativmedizin“, welche Interessierten noch bis zum 3. Oktober über diverse Formate eine Annäherung an den Umgang mit lebensbegrenzenden Erkrankungen ermöglicht. „Wir müssen die Auseinandersetzung mit den Themen Sterben, Tod und Trauer in der Öffentlichkeit aktiv unterstützen. Sterben gehört zum Leben und der frühzeitige Zugang zur Palliativversorgung fördert die Symptomlinderung und Lebensqualität bei einer chronischen unheilbaren Krankheit.“ betont DGP-Präsidentin Claudia Bausewein abschließend und verweist auf die aktuelle Informations- und Aufklärungskampagne der wissenschaftlichen Fachgesellschaft: https://www.dasistpalliativ.de.
14. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
https://www.dgp2022.de
Bremer Woche der Palliativmedizin
https://www.dgpalliativmedizin.de/images/Palliativwoche_2022.pdf
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DGP) steht als wissenschaftliche Fachgesellschaft für die interdisziplinäre und multiprofessionelle Vernetzung. Ihre mehr als 6.000 Mitglieder aus Medi-zin, Pflege und weiteren Berufsgruppen engagieren sich für eine umfassende Palliativ- und Hospizversorgung in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Im Zentrum steht die bestmögliche medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Behandlung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen sowie ihrer Angehörigen. Gemeinsames Ziel ist es, für weitgehende Linderung der Symptome und Verbesserung der Lebensqualität zu sorgen - in welchem Umfeld auch immer Betroffene dies wünschen.
https://www.palliativmedizin.de
Die Deutsche Krebshilfe wurde am 25. September 1974 von Dr. Mildred Scheel gegründet. Ziel der gemeinnützigen Organisation ist es, Krebserkrankungen in all ihren Erscheinungsformen zu bekämpfen. Unter dem Motto „Helfen. Forschen. Informieren.“ fördert die Stiftung Deutsche Krebshilfe Projekte zur Verbesserung der Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie, medizinischen Nachsorge und psychosozialen Versorgung, einschließlich der Krebs-Selbsthilfe. Ihre Aufgaben erstrecken sich darüber hinaus auf forschungs- und gesundheitspolitische Aktivitäten. Sie ist ebenfalls Mitinitiator des Nationalen Krebsplans sowie Partner der „Nationalen Dekade gegen Krebs“. Die Deutsche Krebshilfe ist der größte private Geldgeber auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung – unter anderem der Krebsforschung – in Deutschland. Sie finanziert ihre gesamten Aktivitäten ausschließlich aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen der Bevölkerung.
Die Deutsche Krebshilfe unterstützt den 14. DGP-Kongress finanziell und ideell.
https://www.krebshilfe.de
Kontakt
Karin Dlubis-Mertens
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin
E-Mail: redaktion@palliativmedizin.de
Tel: 030 / 30 10 100 13