Genomeditierung von Herzmuskelzellen im Visier – ein Life Sciences Bridge Award geht an Julian Grünewald
Dilatative Kardiomyopathien sind die häufigsten Ursachen von Herztransplantationen. Sie sind von einem Aussacken des Herzmuskels gekennzeichnet, der seine Schlagkraft dabei immer mehr einbüßt. Einer Form dieser Krankheit will Dr. Julian Grünewald (36) auf einer Tenure-Track-Professur an der Technischen Universität München mit Prime-Editoren beikommen. Das sind die jüngsten Ableger der CRISPR-Cas-Familie. Grünewald hat sein Handwerk in einem der weltweit führenden Labore der Geneditierung in Boston gelernt. Dort hat er bedeutende Beiträge zur Optimierung von Basen-Editoren geliefert. Gestern Abend verlieh ihm die Aventis Foundation dafür einen Life Sciences Bridge Award.
Dilatative Kardiomyopathien (DCM) sind Herzerkrankungen, deren Prognose schlechter ist als die vieler Krebsarten. Eine ihrer besonders aggressiven Formen wird von Mutationen des Gens LMNA ausgelöst. Es codiert für Proteine, die wie Filzfasern die innere Membran des Zellkerns auskleiden und so das Zytoskelett stabilisieren. Julian Grünewald plant, diese Mutationen mit Hilfe von Prime-Editoren zu korrigieren, die er selbst für diesen Lokus optimiert. Eine Editierung dieser Mutation wäre die einzige Möglichkeit, diese Patienten langfristig kausal zu behandeln. Echte menschliche Herzmuskelzellen lassen sich in vitro aber nicht halten. Als Modell verwendet Grünewald deshalb Zellkulturen, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) von Patienten mit kardialer Laminopathie mit DCM entstanden sind. Dafür bietet ihm die Kardiologie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) eine einmalige Infrastruktur.
Als Abkömmlinge von CRISPR-Cas-Verfahren der Genomeditierung sind Basen-Editoren und Prime-Editoren 2016 bzw. 2019 erfunden und weiterentwickelt worden. Auch wenn die CRISPR-Cas-Technik die Erbinformation sehr genau editieren kann, so durchtrennt sie die DNA-Doppelhelix dabei doch immer komplett. Jeder Doppelstrangbruch aber birgt das Risiko in sich, dass die nachfolgenden DNA-Reparaturmechanismen nicht exakt genug gelingen und es zu unerwünschten Mutationen kommt. Sowohl Basen- als auch Prime-Editoren setzen dagegen nur einen Einzelstrangschnitt. Basen-Editoren bringen ein Deaminase-Enzym mit sich, das Aminogruppen abspaltet und dadurch bestimmte DNA-Buchstaben in andere umwandelt. Prime-Editoren bringen neben einem neuen Text in RNA-Buchstaben das Enzym reverse Transkriptase mit sich, das diesen Text in seine DNA-Spiegelschrift übersetzt und in die zu reparierende Stelle des Genoms einschreibt.
Als Post-Doc im Labor von Prof. J. Keith Joung am Massachusetts General Hospital – einem der weltweit führenden Geneditierer – war Grünewald seit 2017 fast fünf Jahre lang in die Optimierung von CRISPR-Nukleasen, Basen-Editoren und Prime-Editoren involviert. Er entdeckte, dass Basen-Editoren unerwünschte Off-Target-Effekte auf RNA haben können, und konstruierte als Konsequenz Editoren mit veränderten Deaminasen und einem dadurch deutlich verbesserten Sicherheitsprofil. In seinen jüngsten Arbeiten beschäftigte er sich mit der Minimierung und Optimierung von Basen- und Prime-Editoren, auch mit dem Ziel, sie effektiv und sicher in Herzmuskelzellen anwenden zu können. Bisher ist die Leber das bevorzugte solide Zielorgan therapeutischer Geneditierung. „Die Herzmuskelzelle ist eine besondere Herausforderung“, sagt Grünewald. Denn anders als Leberzellen, die sich unentwegt regenerierten, blieben sie ein Leben lang dieselben und stellten deshalb höchste Ansprüche an ihre Integrität auf DNA-Ebene.
„Mit großer Eigeninitiative und Kreativität hat Julian Grünewald wichtige Beiträge zum Fortschritt der Geneditierung geliefert“, sagt Prof. Werner Müller-Esterl, Vorsitzender der Jury des Life Sciences Bridge Award. „Seine aktuellen Projekte zeugen von Mut und strategischer Klarheit. Wir möchten ihm mit diesem Preis über die Brücke zu einer unbefristeten Professur helfen.“
Der Life Sciences Bridge Award ist einer der höchstdotierten Nachwuchspreise Deutschlands. Er wird jährlich an drei Preisträger:innen vergeben, die an deutschen Universitäten forschen. Sie erhalten jeweils 100.000 Euro. Zehn Prozent davon dürfen sie für persönliche Zwecke nutzen, der Rest ist der Finanzierung ihrer Forschung vorbehalten.
Die Aventis Foundation ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie dient der Förderung von Kunst und Kultur sowie von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. med. Julian Grünewald
Assistant Professor of Gene Editing
Technische Universität München
Klinikum rechts der Isar
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I: Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Ismaninger Straße 22
81675 München
Originalpublikation:
Hsu, J.Y., Grünewald, J. et al. - PrimeDesign software for rapid and simplified design of prime editing guide RNAs. Nature Communications 12, 1034 (2021) https://doi.org/10.1038/s41467-021-21337-7
Grünewald, J. et al. - CRISPR DNA base editors with reduced RNA off-target and self-editing activities. Nature Biotechnology, 37(9), 1041–1048 (2019) https://doi.org/10.1038/s41587-019-0236-6
Grünewald, J. et al. Transcriptome-wide off-target RNA editing induced by CRISPR-guided DNA base editors. Nature, 569(7756), 433–437 (2019) https://doi.org/10.1038/s41586-019-1161-z