Free Media Awards 2022 im Nobel-Institut in Oslo an Journalist:innen und Medien aus der Ukraine vergeben
Am 17. Oktober wurden die „Free Media Awards – Supporting Independent Journalism in Eastern Europe“ in Oslo verliehen. Um ein Zeichen gegen die Bedrohung der Pressefreiheit und wachsenden Repressionen gegenüber osteuropäischen Journalist:innen zu setzen, vergibt die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gemeinsam mit der norwegischen Stiftung Fritt Ord jährlich die Free Media Awards an herausragende Medienschaffende, die für die Pressefreiheit kämpfen.
Angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine gehen die Free Media Awards 2022 ausschließlich an Medienschaffende aus dem Land. Geehrt wurden die Fotografen Mstyslav Chernov und Evgeniy Maloletka für ihre mutige Bildberichterstattung über die russische Belagerung und Bombardierung von Mariupol; die Journalistin und Autorin Nataliya Gumenyuk für ihre eindringlichen Berichte über die Schrecken des Krieges in ukrainischen Orten wie Charkiw, Bucha und Mykolajiw; die Online-Zeitung Zaborona für ihre kritischen, investigativen Geschichten und Berichte; der Foto- und Videokorrespondent Andriy Dubchak für seine unerschrockene, professionelle Berichterstattung aus Kampfgebieten und der Journalist Vladyslav Yesypenko, der derzeit als politischer Gefangener inhaftiert ist.
In seiner Dankesrede sagte Mstyslav Chernov: „Der Award ist eine wichtige Bestätigung für unsere Arbeit und gibt uns die Kraft weiter zu machen. Wir kehren zurück in unsere besetzten Städte und wir werden weiter berichten. In Mariupol hat sich innerhalb von vier Tagen alles verändert: Menschen, die Lebensmittelgeschäfte plündern, Tote auf den Straßen, die in Massengräbern beerdigt wurden. Und ich habe mich gefragt, wie das möglich ist. Meine Erklärung ist, dass die ganze Stadt von allen Informationen abgetrennt war. Es gab keinen Strom, kein Internet, kein Telefon, keine Verbindung nach draußen. Das hat zur absoluten Panik geführt. Es macht deutlich, dass Informationen so wichtig sind wie Nahrung und Wasser. Deshalb ist unsere Arbeit als Journalisten so wichtig.“
Nataliya Gumenyuk hob hervor, dass die wichtigste Aufgabe im Journalimus ist, Menschen zu finden, die die Kaft haben darüber zu sprechen, was mit ihnen passiert ist. Ohne diese Menschen können wir nicht arbeiten, sie sind die Basis von allem.“ Sie widmet den Award der Professionalität der Kollegen.
Roman Stepanovych von Zaborona ging auf die Rolle der Journalist:innen im Krieg ein: „Die Gesellschaft sieht die Journalisten als Spezialeinsatzkräfte im Krieg – ausgestattet mit Kameras und Mikrofonen statt Waffen. Aber wir sind auch Menschen mit Familien, deren Kinder nicht sicher sind. Wir sind die Augen für all das was in der Welt falsch läuft, weil wir es sichtbar machen. Diese Augen müssen so klar und nüchtern sein wie noch nie zuvor.“
Die Co-Gründerin von Zaborona Katerina Sergatskova ergänzte: „Unser Beruf ist so wichtig. Wir müssen den Menschen zuhören und ihnen eine Stimme geben, bevor es zu spät ist.“
Stellvertetend für Vladyslav Yesypenko, der als poliltischer Gefangener im Gefängis sitzt hat seine achtjährige Tocher Stephanie den Free Media Award entgegengenommen. Seine Frau Kateryna Yesypenko sagte in ihrer Dankesrede, dass die Auszeichung die Antwort an die Folterer ihres Mannes ist, die gesagt haben, dass seine Arbeit nichts wert sei. „Es gibt kein Buch oder eine Gebrauchsanweisung, die einem beibringt, wie man sich als Frau eines politischen Gefangenen verhält. Ich widme mein Leben jetzt der Rückkehr meines Mannes. Er ist zwar im Gefängnis, aber das hat ihn nicht verstummen lassen. Er berichtet weiter über das was ihm und anderen im Gefängnis als politischer Gefangener widerfährt.“
Darüber hinaus wurde durch die Jury die Arbeit der sogenannten „Fixer" besonders gewürdigt. Die Fixer sind häufig selbst Journalist:innen, die für internationale Korrespondent:innen vor Ort recherchieren, übersetzen und Kontakte herstellen – ohne sie wäre die Arbeit ausländischer Journalist:innen oftmals äußerst erschwert.
Manuel J. Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, hob in seiner Rede den Mut der Preisträger:innen hervor, die in den russisch besetzten Gebieten Verhaftungen oder bei Angriffen ihr eigenes Leben für eine unabhängige Berichterstattung riskieren: „Mit ihren eindringlichen Reportagen und Bildern leisten sie einen unschätzbaren Beitrag für die Pressefreiheit. Sie berichten unermüdlich über das Leid und die Herausforderungen, mit denen Menschen in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg konfrontiert sind. Durch ihre Arbeit sind zahlreiche Kriegsverbrechen aufgedeckt worden.“ Zudem kündigte Hartung an, dass sie ZEIT-Stiftung ihr Engagement für die Freiheit von Presse und Journalismus in den kommenden Jahren weiter ausbauen wolle.
Seit 2016 werden die Free Media Awards – Supporting Independent Journalism in Eastern Europe an unabhängige Journalist:innen, Redaktionen und Medienplattformen in Russland, der Ukraine, Aserbaidschan, Belarus, Georgien oder Armenien vergeben. Die Preisverleihung findet abwechselnd in Hamburg und Oslo statt. Mehr Informationen zu den Preisträger:innen 2022 finden Sie hier.
Ausgewählt wurden die Medienschaffenden von einer sechsköpfigen Jury: Ane Tusvik Bonde von der Human Rights House Foundation in Oslo; Alice Bota, Moskau-Korrespondentin DIE ZEIT; dem ukrainischen Journalisten und Übersetzer Juri Durkot; Guri Norstrøm, Osteuropa-Expertin des Norwegischen Fernsehens; Martin Paulsen, PhD, unabhängiger Osteuropaforscher und Silvia Stöber, die als Autorin und Reporterin über die Regionen östlich der EU berichtet.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die ZEIT-Stiftung, Cosima Oltmann, Pressereferentin,
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