Medizinisches Cannabis: Wirksam, aber für wen? Positive Erfahrungen bei der Behandlung chronischer Schmerzen
Seit fünf Jahren dürfen Cannabis-Medikamente in Deutschland als medizinische Wirkstoffe eingesetzt werden, entsprechende Präparate sind seitdem bereits zehntausendfach verschrieben worden. Ein Wirksamkeitsnachweis aus placebo-kontrollierten Studien fehlt zwar nach wie vor, in der Praxis zeichnen sich jedoch Anwendungsbereiche ab, in denen eine Cannabis-Therapie für die Patientinnen und Patienten durchaus hilfreich sein kann. Seit Kurzem liegen hierzu erste Daten aus der sogenannten Begleiterhebung vor, über die die Cannabis-Therapie in den ersten fünf Jahren beobachtet wurde. 21.000 Behandlungen sind in die Erhebung eingeflossen.
Welche Erkenntnisse sich daraus ableiten lassen – welche Patientengruppen also möglicherweise von welchem Cannabinoid-Präparat profitieren – und welche Fragen noch offen sind, ist Thema einer Online-Pressekonferenz sein, die heute am Mittwoch, den 19. Oktober 2022, im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses stattfindet. Interessierte Journalistinnen und Journalisten können sich noch kurzfristig hier zur Pressekonferenz anmelden: https://attendee.gotowebinar.com/register/2561977966074363405
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Die Möglichkeit, medizinisches Cannabis in begründeten Einzelfällen zu verschreiben, wurde 2017 an ein begleitendes Monitoring gekoppelt, an das die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ihre Erfahrungen mit der Therapie melden sollten. Bis zum Abschluss der auf fünf Jahre angelegten Erhebung gingen Informationen zu rund 21.000 Behandlungen ein, etwas mehr als 16.800 dieser Datensätze waren vollständig, sodass sie in die Auswertung einbezogen werden konnten. „Damit wird jedoch nur ein Teil der tatsächlich erfolgten Behandlungen abgebildet“, sagt Professor Dr. med. Frank Petzke, Leiter der Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Göttingen und Sprecher der Ad-hoc-Kommission „Cannabis in der Medizin“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. Denn nur die Daten von gesetzlich Versicherten, deren Behandlungskosten von der Kasse tatsächlich auch übernommen wurden, flossen in die Erhebung ein; Privatversicherte und Selbstzahler wurden nicht berücksichtigt.
Auch aus einem anderen Grund sind die Daten aus der Begleiterhebung vermutlich nicht repräsentativ. „Die Teilnahme war zwar für alle verschreibenden Ärzte und Ärztinnen verpflichtend – wer sich daran hielt und wer nicht, wurde jedoch nicht überprüft“, sagt Petzke. Fest stehe jedoch, dass die Bereitschaft zur Meldung sehr unterschiedlich gewesen sei: Obwohl bekannt ist, dass die Cannabis-haltigen Präparate vor allem über die hausärztlichen Praxen abgegeben wurden, stammten mehr als die Hälfte der in die Begleiterhebung eingespeisten Daten von Anästhesisten, also auf Schmerzmedizin spezialisierten Ärztinnen und Ärzten.
Dennoch liefern die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichten Daten einige wichtige Informationen. Zum einen gibt die Erhebung einen Überblick über das Spektrum der Erkrankungen und Beschwerden, bei denen Cannabis-haltige Präparate zum Einsatz kommen. „Die mit Abstand häufigste Indikation ist der chronische Schmerz“, berichtet Petzke. Er mache drei Viertel der Behandlungen aus, gefolgt von Spastik (9,6 Prozent) und Anorexie oder Wasting mit 5,1 Prozent. Die zugrundeliegende Erkrankung war in 14,5 Prozent der Fälle eine Tumorerkrankung, in knapp 6 Prozent eine Multiple Sklerose. Begrenzte Aussagen sind auch zu den eingesetzten Medikamenten möglich. So wurde am häufigsten das Cannabis-Arzneimittel Dronabinol verschrieben – es stellte mit 62,2 Prozent fast zwei Drittel der Verordnungen. Cannabis-Blüten dagegen wurden zwar deutlich seltener, besonders aber an jüngere, männliche Patienten abgegeben; auch wiesen sie eine höhere THC-Dosis auf.
Doch welche Schlüsse lassen sich in Bezug auf die Wirksamkeit der Cannabis-Präparate ziehen, und unter welchen Umständen sollten die Krankenkassen die Kosten für die Therapie übernehmen? Einen positiven Effekt der Cannabis-Medikamente sahen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte vor allem bei schwerwiegenden Erkrankungen und bei starken Schmerzen. „Bei chronischen Schmerzen sowie in der Palliativmedizin sollte es daher weiterhin möglich sein, medizinisches Cannabis ohne großen bürokratischen Aufwand zu verschreiben“, sagt Petzke. Allerdings sollten die Kriterien hierfür im Rahmen von Studien weiter charakterisiert werden. Bevor die Krankenkassen die Cannabis-Therapie für weitere Indikationen öffneten, sollte jedoch wie bei allen anderen Medikamenten ein evidenzbasiertes Zulassungsverfahren durchlaufen werden – mit doppelblinden, placebokontrollierten Studien, auf die bislang verzichtet wurde.
Begleiterhebung:
https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis-als-Medizin/Begleiterhebung/_node.html
Bei Abdruck, Beleg erbeten.
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Terminhinweis:
Online-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses
(19. bis 22. Oktober 2022) der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der
Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG)
„Schmerzmedizin heute und morgen: Bilanz und Ausblick“
Termin Mittwoch, 19. Oktober 2022, 11.30 bis 12.30 Uhr
Link zur Anmeldung https://attendee.gotowebinar.com/register/2561977966074363405
Vorläufige Themen und Referenten:
Deutscher Schmerzkongress 2022 - „Schmerzmedizin heute und morgen: Bilanz und Ausblick“
Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrike Kaiser, Psychologische Psychotherapeutin Verhaltenstherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein sowie Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2022
Kopfschmerzen nach Schädel-Hirn-Trauma: Oft unerkannt und falsch behandelt? Neue Erkenntnisse und Therapien
Privatdozent Dr. med. Torsten Kraya, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum St. Georg Leipzig und Kongresspräsident des Deutschen Schmerzkongresses 2022
Der lange Weg vom Versorgungsproblem zum gesundheitlichen Dienstleistungsprodukt: Wie Präventionsmaßnahmen beim chronischen Schmerz zur Kassenleistung werden
Apl. Professor Dr. med. Winfried Meißner, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., Leiter der Sektion Schmerztherapie, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie Leiter der Abteilung Palliativmedizin, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Jena
Cannabis-Medikamente in der Schmerztherapie: Im Spannungsfeld zwischen aktueller Studienlage und widersprüchlichen Empfehlungen
Professor Dr. med. Frank Petzke, Leiter Schmerzmedizin, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Göttingen und Sprecher der Ad-hoc-Kommission „Cannabis in der Medizin“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.
Moderne Kopfschmerzmedizin der nächsten Generation: Innovative Therapien verhindern zuverlässig und nebenwirkungsarm Migräneattacken
Dr. med. Robert Fleischmann, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Greifswald
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Kontakt für Journalisten:
Pressestelle des Deutschen Schmerzkongresses 2022
der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. & DMKG e.V
Katharina Weber
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-583, Fax: 0711 8931-167
E-Mail: weber@medizinkommunikation.org
schoeffmann@medizinkommunikation.org
Zur Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.:
Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. ist mit rund 3.500 persönlichen Mitgliedern die größte wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft im Bereich Schmerz in Europa. Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. ist Mitglied der IASP (International Association for the Study of Pain) sowie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften). Sie ist zudem die interdisziplinäre Schmerzdachgesellschaft von derzeit 19 mitgliederstarken weiteren medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften im Bereich Schmerz. Diese Perspektive wird zudem erweitert durch die institutionellen korrespondierenden Mitgliedschaften folgender Vereinigungen: SchmerzLOS e. V. Vereinigung aktiver Schmerzpatienten, MigräneLiga e. V. Deutschland, Milton H. Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose (M.E.G.), Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädischer manual medizinischer Akutkliniken e. V. (ANOA), Interdisziplinäre Gesellschaft für Psychosomatische Schmerztherapie e. V. (IGPS), CRPS Netzwerk - Gemeinsam stark CRPS Bundesverband Deutschland e. V., RLS e. V. Deutsche Restless Legs Vereinigung, ICA Deutschland e. V. Förderverein Interstitielle Cystitis in der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.
Die Mitgliedschaft der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. ist interdisziplinär und interprofessionell und besteht aus Schmerzexperten aus Praxis, Klinik, Medizin, Psychologie, Pflege, Physiotherapie u. a. sowie wissenschaftlich ausgewiesenen Schmerzforschern aus Forschung, Hochschule und Lehre.
Zur Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG):
Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) ist eine interdisziplinäre wissenschaftliche Fachgesellschaft, die das Wissen über die Genese von Kopf- und Gesichtsschmerzen, deren Prävention und Therapie in Fachkreisen bei Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten, Pharmakologen und Apothekern, aber gerade auch bei Patienten und anderen Interessierten mehren und verbreiten möchte.
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