Internationaler Wissenschaftsaustausch zur Mukoviszidose-Therapie beim Scientific Meeting des Mukoviszidose e.V.
Der Mukoviszidose e.V. hat zum 21. Mal das jährliche Scientific Meeting (ScieM) ausgerichtet. An der Veranstaltung nahmen rund 45 Wissenschaftler und Ärzte aus 8 verschiedenen Ländern teil, um sich über aktuelle Forschungsausrichtungen und neue Wege in der Mukoviszidose-Behandlung auszutauschen. Der Themenschwerpunkt in diesem Jahr war „Innovative Therapies in CF", im Fokus standen dabei besonders Patienten, die mit den bisherigen CFTR-Modulatoren nicht (ausreichend) behandelt werden können.
Unter Leitung von PD Dr. Frauke Stanke (Hannover) und Dr. Simon Gräber (Berlin) diskutierten die internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwei Tage über Ansätze für mutationsunabhängige Therapien, die auch für Patienten mit seltenen Mutationen, die bislang nicht von mutationsspezifischen Modulatoren wie Kaftrio profitieren, eine Therapieoption sein könnten. Aber selbst wenn Modulatoren eingesetzt werden, bleiben chronische Lungenentzündungen oft weiter bestehen. Deshalb waren antientzündliche und antibakterielle Therapieansätze ein weiterer Themenschwerpunkt der Tagung.
Erfahrungen aus mehr als 30 Jahren aktiver CF-Forschung im Keynote-Vortrag
Für den Hauptvortrag der Veranstaltung konnte der renommierte Prof. John Hanrahan aus Montreal (Kanada) gewonnen werden. Bereits 1989 als der die Mukoviszidose verursachende Gendefekt im CFTR-Gen erstmals beschrieben wurde, forschte Hanrahan zu den Kanälen. Aus dieser Erfahrung heraus konnte er beim ScieM einzigartige Einblicke in die Fortschritte der letzten 30 Jahre und einen Ausblick auf die Möglichkeiten der neuen Therapien für Patienten mit Mukoviszidose und seltenen Mutationen geben. So wurde sein Vortrag zur Klammer für die Themen der Tagung: Gentherapie, Reparatur auf Proteinebene (Modulator-Therapie) und Ausgleich von Auswirkungen der CFTR-Funktionseinschränkung, z.B. durch Adressierung alternativer Chloridkanäle. Dabei machte er klar, dass alle diese Ansätze ein sehr gutes Verständnis des CFTR-Gens und der physiologischen und regulatorischen Rolle des CFTR-Kanalproteins benötigen.
Gentherapie: grundsätzlich machbar – aber es braucht noch weitere Forschung
Gentherapeutische Ansätze zur Behandlung der Mukoviszidose werden von verschiedenen Arbeitsgruppen seit Entdeckung des CFTR-Gens, d. h. seit 30 Jahren entwickelt. Die grundsätzliche Machbarkeit der Gentherapie zeigen inzwischen mehrere Beispiele zugelassener Therapien bei anderen Erkrankungen. Die Mukoviszidose stellt die Forscher jedoch vor besondere Herausforderungen: Die Therapie muss in der Lunge wirken – einem Organ, das darauf angepasst ist, sich vor fremden Einflüssen zu schützen. Viren, gerne als Transportmittel für Gentherapeutika genutzt, werden von der „anti-viral“ agierenden Lunge entsprechend bekämpft. Auch das Einbringen von Gentherapeutika in die richtigen Zellen ist nicht einfach: Bestimmte Zellen im Lungenepithel enthalten viel CFTR-Protein und manche wenig. Aber wie kann man die Zellen dem natürlichen Vorkommen und Bedarf entsprechend mit dem Medikament ansteuern? Dies ist eine der vielen noch offenen Fragen. Eine aktuelle Zusammenfassung von Ansätzen zur Gentherapie bei Mukoviszidose findet sich auf der Internetseite des Mukoviszidose e.V. unter: https://www.muko.info/informieren/ueber-die-erkrankung/therapien-in-der-entwicklung/gentherapie
Alternative Ionenkanäle - ein interessantes Ziel, da mutationsunabhängig denkbar
Auf dem ScieM wurden mögliche mutationsunabhängige Therapien durch Ansätze an alternativen Ionenkanälen vorgestellt. So ist der SLC26A9 ebenfalls ein Chloridkanal und könnte bei Aktivierung die physiologischen Aufgaben von einem defekten CFTR-Kanal kompensieren. Das wäre sogar auch als Ergänzung zu Modulator-Therapien denkbar. Die Hemmung der Membranproteine SLC26A4/ATP12A könnte helfen, über eine pH-Wert-Beeinflussung den Flüssigkeitsfilm auf dem Lungenepithel zu normalisieren und damit möglicherweise den Kreislauf aus Entzündung und Infektion zu unterbrechen. Alle diese Ansätze sind jedoch noch im Laborstadium und müssen sich noch weiter bestätigen und später in klinischen Studien untersucht werden, bevor sie beim Patienten angewandt werden können.
Antiinfektiva – neue Perspektiven zur Behandlung von Infektionen weiterhin notwendig
Auch im Zeitalter der Modulatoren ist die chronische Lungeninfektion für viele Menschen mit Mukoviszidose immer noch Realität. Es ist – auch wegen der enormen Krankheitslast – besonders wichtig, hier effektivere Methoden der Bekämpfung von Keimen zu finden. Eine Möglichkeit stellen die Bakteriophagen dar oder aber Proteine, die durch sie produziert werden. Dies sind sehr selektive Ansätze, die deshalb wenig Nebenwirkungen haben sollen. Allerdings ist die Anwendung nicht trivial, und eine Zulassung gibt es in Deutschland dafür nicht. Die Unterstützung des körpereigenen Immunsystems durch Makrophagen-Therapie ist ein anderer neuer Ansatz, der auf dem Seminar vorgestellt wurde. Durch „beladene“ Makrophagen können Antibiotika in den Körper gebracht oder die Wirkung der Immunzellen beim Abtöten der Keime unterstützt werden. Aber auch die gezielte Korrektur des CFTR-Gens (ex-vivo) ist denkbar. Dieser neue Ansatz wird gerade genauer in einem vom Mukoviszidose e.V. unterstützten Projekt untersucht (https://www.muko.info/angebote/forschungsfoerderung/gefoerderte-projekte#c12262).
Weitere Informationen zum Scientific Meeting: https://www.muko.info/sciem
Hintergrund-Informationen
Über Mukoviszidose
In Deutschland sind mehr als 8.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen. Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren.
Über den Mukoviszidose e.V.
Der Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose ermöglichen zu können. Damit die gemeinsamen Aufgaben und Ziele erreicht werden, ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung engagierter Spender und Förderer angewiesen. Die Mukoviszidose Institut gGmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Mukoviszidose e.V.
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