Wirksame Hilfe für Kinder und Jugendliche mit komplexem Hilfebedarf
Senatorin Astrid-Sabine Busse stellt mit EHB-Forschungsteam Untersuchung zum Berliner Modellprojekt vor
Mit der Berliner „Koordinierungsstelle zur Entwicklung flexibler Hilfesettings für Kinder und Jugendliche mit komplexem Hilfebedarf“ bietet die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie seit 2018 ein bundesweit einzigartiges Konzept zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die durch herkömmliche Angebote der Hilfe zur Erziehung nicht mehr erreicht werden.
Aufgrund komplexer Problemsituationen wie Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung und durch häufige Beziehungsabbrüche innerhalb der Familie und im Hilfesystem können sich diese jungen Menschen nur schwer auf Hilfsangebote und Bezugspersonen einlassen. Angebote der Jugendhilfe stoßen in diesen Fallkonstellationen häufig an ihre Grenzen.
Bereits über 60 Fälle wurden hier mit neuer Methodik und in neuen Strukturen beraten und neue Hilfswege erarbeitet. Dafür wurde im Doppelhaushalt 2022/2023 das Team nun um eine dritte Stelle aufgestockt.
Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Koordinierungsstelle wurde über zwei Jahre in einer Evaluation die Arbeit untersucht. Das siebenköpfige Team des Studiengangs Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) stellt danach fest: Die Methoden und Kompetenzen der Koordinierungsstelle bieten sehr gute Voraussetzungen für die Schaffung individueller, bedarfsgerechter und tragfähiger Hilfen.
Unter der Leitung von Professor Dr. Robert Wunsch (EHB) und Professorin Dr. Viktoria Bergschmidt (EHB) bescheinigt die Evaluation eine positive und wirksame Arbeitsweise, die die Jugendlichen stark in den Mittelpunkt stellt, in Prozesse einbindet und ihre Wüsche berücksichtigt. Zusätzlich zeigt die Evaluation auf, welche Faktoren zur individuellen Unterstützung und Begleitung dieser jungen Menschen förderlich und welche hemmend sind.
Astrid-Sabine Busse, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie: „Es ist essentiell, dass für diese Kinder und Jugendlichen nachhaltige und wirksame Hilfsangebote gefunden werden. Mit unserer Berliner Koordinierungsstelle ist es nun nachweislich gelungen, in interdisziplinärer Zusammenarbeit und durch Mitbestimmung der Betroffenen neue Wege zu gehen. Damit schaffen wir neuen Chancen für diese jungen Menschen, deren Familien und das soziale Umfeld.“
Professorin Dr. Viktoria Bergschmidt, Forschungsleitung: „Mich hat beeindruckt, wie gut es gelingt, die Gelingensfaktoren Partizipation und Fallverstehen zu verwirklichen. Die Hilfen werden konsequent orientiert am Willen und an den Vorstellungen der jungen Menschen und basierend auf einer für die Zielgruppe entwickelten Methode des Fallverstehens entwickelt und umgesetzt – mit dem Ergebnis, dass es auch in scheinbar 'aussichtslosen Fällen' gelingt, eine positive Wendung in der Verlaufsdynamik zu erreichen.“
Neben der intensiven Einbeziehung der betroffenen Kinder und Jugendlichen gehört zu den neuen Ansätzen auch ein Fallberatungsgremium, das gleichermaßen mit Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie besetzt ist. Mit einem „Team auf Zeit“ bestehend aus allen beteiligten Fachkräften werden die Kinder und Jugendlichen eng begleitet. Dies ist ein zentraler Faktor im Konzept.
Prof. Dr. Sebastian Schröer-Werner, Rektor der Evangelischen Hochschule Berlin: „Ich freue mich sehr, dass ein Forschenden-Team der EHB aus der Sozialen Arbeit den Auftrag zur Evaluation des Modellprojekts der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie übernehmen durfte. Bei diesem sensiblen und komplexen Thema ist es wichtig, die Methoden und Angebote wissenschaftlich fundiert zu analysieren, um der Politik eine Basis zu liefern für weitere Entscheidungen. Ich denke, das ist dem Team mit dieser umfassenden Arbeit gelungen, zu der ich ganz herzlich gratuliere.“
Prof. Dr. Robert Wunsch, Projektleiter: „Diese Projekte zu evaluieren ist sehr wichtig, weil sie buchstäblich Leben retten können.“
Das Fazit der Evaluation: Die Methoden und Kompetenzen der Koordinierungsstelle bieten gute Voraussetzungen für die Schaffung individueller, bedarfsgerechter und tragfähiger Hilfen. Die Koordinierungsstelle wirkt dabei sowohl nach „Innen“, in die einzelnen
Erziehungshilfeverläufe hinein, und nach „Außen“, in das System der Kinder- und Jugendhilfe sowie in die weiteren beteiligten Systeme, z.B. die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und auch für die Berliner Jugendämter und beteiligten Akteurinnen und Akteure ergeben sich neue, verbindliche Arbeitsstrukturen und Prozesse für den fachlichen Austausch und die gemeinsame Planung.
Astrid-Sabine Busse, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie: „Berlin hat bundesweit ein in dieser Form einmaliges Projekt geschaffen, das nun nachweislich konkret und bedarfsorientiert Hilfe und Begleitung für junge Menschen anbietet, die sonst nur schwer in ein eigenständiges Leben starten könnten.“
Dem Forscherteam gehörten unter Leitung von Prof. Dr. Viktoria Bergschmidt und Prof. Dr. Robert Wunsch an:
Prof. Dr. Mathias Schwabe, Professor für Soziale Arbeit, Prof. Dr. Florian Hinken, Professor für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfe sowie die studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lea Thomes, Rebecca Kronsteiner und Andreas Flotow.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Viktoria Bergschmidt
Prof. Dr. Robert Wunsch
Originalpublikation:
https://www.berlin.de/sen/bjf/service/presse/pressearchiv-2022/pressemitteilung.1259344.php
Weitere Informationen:
https://www.eh-berlin.de/forschung/sage-forschungsprojekte/evaluation-des-modellprojekts