Neues DFG-Projekt »PROSPECT« untersucht Auswirkungen von Hilfeverhalten auf die eigene Gesundheit
Obwohl soziale Austauschprozesse für Menschen von größter Bedeutung sind, ist unklar, unter welchen Bedingungen sie förderlich oder gar schädlich für die Gesundheit sind. Lange wurde angenommen, dass nur Empfänger:innen sozialer Unterstützung gesundheitlich profitieren, während Unterstützer:innen Ressourcen einbüßen. Die bisherige Forschung hat vor allem (interindividuelle) Unterschiede zwischen Personen in klinischen Populationen (erkrankte Personen) untersucht und Umgebungseinflüsse vernachlässigt. Das zum 01.10.2022 gestartete Projekt PROSPECT erforscht nun die Bedingungen und zeitlichen Dynamiken, die beeinflussen, wie sich Hilfeverhalten auf Gesundheitsparameter der Helfenden auswirkt.
Tatsächlich kann es unter Umständen der Gesundheit schaden, Hilfe zu leisten (z.B. Burnout Pflegender). Neuere Studien zeigen jedoch, dass Helfen sich nicht nur gut anfühlt, sondern sogar positive Effekte auf die körperliche Gesundheit haben kann (z.B. Langlebigkeit ehrenamtlich Engagierter). Da es noch keine umfassende Theorie zu den Bedingungen gesunden Helfens gibt, bleiben diese Erkenntnisse deskriptiv und inkonsistent. Daher ist es nötig, die (intraindividuellen) Effekte von Helfen auf gesunde Personen in ihrer natürlichen Umgebung über längere Zeiträume zu untersuchen.
Ausgehend von diesen Forschungslücken plant »PROSPECT – Providing Social Support and Health: Condition and Temporal Dynamics« unter Leitung von Prof. Warner und Prof. Grimm und koordiniert von M.Sc. Vivien Hajak zunächst die Bedingungen für gesundes Helfen zu definieren, zu operationalisieren und zu manipulieren und nachfolgend eine zeitsensitive Theorie zur Erklärung dynamischer Gesundheitseffekte von Helfen in der Allgemeinbevölkerung (d.h. Peer-Dyaden) zu entwickeln. Basierend auf der Selbstbestimmungstheorie nimmt das Projektteam an, dass Helfen nur dann positiv auf die Gesundheit Unterstützender wirkt, wenn es frei gewählt ist und Gefühle von Kompetenz und Verbundenheit aufbaut.
Teilprojekt I wird Erkenntnisse aus einer kurzfristigen zeitlichen Perspektive in Videobeobachtungen dyadischer Interaktionen (Studie 1) und einem kontrollierten Experiment liefern (Studie 2). Ziel ist es, zu untersuchen, inwiefern sich Manipulationen des Leistens sozialer Unterstützung unter Laborbedingungen auf die psychologische und objektive Gesundheit (z.B. Stimmung, Cortisol, Alpha-Amylase) auswirkt.
Teilprojekt II (an der SWPS University of Social Sciences and Humanities in Warschau) wird die mittel- bis langfristigen Dynamiken und kumulativen Wechselwirkungen von sozialer Unterstützung mit Gesundheit über 12 Monate im Alltag untersuchen (Studie 3) und dabei auch physiologische Parameter wie die Herzratenvariabilität erfassen (Studie 4).
Erkenntnisse, unter welchen Bedingungen soziale Unterstützung für die Gesundheit der Unterstützer:innen förderlich ist, sind für alle Bereiche relevant, die soziale Interaktionen umfassen, z.B. Beziehungen im Privaten und Beruflichen (z.B. romantische, professionelle, therapeutische Beziehungen), Motivations- und Lebensspannenforschung (z.B. Motive für Helfen, Pflege) sowie angewandte Präventions- und Interventionsfragen (z.B. gemeinnützige Arbeit, Hilfe in Krisenzeiten).
Teilprojekt II wird von Prof. Dr. Ewa Gruszczyńska und Prof. Dr. Aleksandra Kroemeke von der SWPS geleitet. Zudem kooperiert das Projektteam der MSB Medical School Berlin mit der Abteilung für Gesundheitspsychologie der Freien Universität Berlin und der Charité Berlin.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Lisa Marie Warner
lisa.warner@medicalschool-berlin.de
Weitere Informationen:
https://www.medicalschool-berlin.de/index.php?id=8888