Das Betazellenflüsterer-Gen
Forscherinnen und Forscher aus Dresden haben zusammen mit dänischen und finnischen Kollegen ein Gen identifiziert, das die Kommunikation zwischen Betazellen ermöglicht und der Bauchspeicheldrüse hilft, durch Insulinausschüttung auf Glukose zu reagieren.
Von Diabetes sind weltweit Millionen von Menschen betroffen. Die Volkskrankheit entsteht, wenn der Körper entweder zu wenig Insulin produziert – ein Hormon zur Regulierung des Blutzuckerspiegels – oder wenn der Körper das produzierte Insulin nicht effektiv nutzen kann. Wenn die Zahl der Betazellen zu gering ist oder sie nicht richtig funktionieren, wird nicht genügend Insulin ausgeschüttet. Um Insulin auf koordinierte Weise auszuschütten, kommunizieren die Betazellen miteinander. Ein internationales Forscherteam des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, des Paul-Langerhans-Instituts Dresden (PLID) und der Universitäten Oulu (Finnland) und Kopenhagen (Dänemark) hat nun gezeigt, dass das Gen Wnt4 in den Betazellen dafür sorgt, dass diese Glukose erkennen und das Hormon Insulin freisetzen. Das ermöglicht anderen Zellen im Körper Glukose zu speichern. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, in Zukunft Ersatz-Betazellen für die Diabetes-Therapie zu entwickeln.
Mit der Geburt beginnt ein Baby, Nahrung anzunehmen und sie in Energie umzuwandeln. Viele Nährstoffe können in Zucker (Glukose) umgewandelt und in den Blutkreislauf abgegeben werden. Ein höherer Blutzuckerspiegel signalisiert den Betazellen in der Bauchspeicheldrüse, Insulin freizusetzen, das den Blutzucker in die Zellen einschleust, um ihn als Energie zu nutzen oder zu speichern. In den verschiedenen Lebensphasen müssen sich die Betazellen, die auf Nahrung reagieren, jedoch an unterschiedliche Nahrungsmittel und Bedürfnisse anpassen. In einer kürzlich in Nature Communications veröffentlichten Studie haben Anne Grapin-Botton, Direktorin am MPI-CBG, und ihr Team in Dresden und am Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Biology in Kopenhagen, Dänemark, gemeinsam mit Kollegen an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden herausgefunden, dass das Gen Wnt4 in den Betazellen aktiv wird, wenn diese im frühen Leben nach der Geburt reifen.
Wie alles begann
Die Entdeckungsreise, welche Rolle Wnt4 bei der Entwicklung der Bauchspeicheldrüse spielt, begann in den 1990er Jahren an der Harvard-Universität, als Anne Grapin-Botton, damals Postdoktorandin, mit Seppo Vainio, heute Leiter einer Forschungseinheit an der Universität Oulu, zusammenarbeitete. „Ich erinnere mich, dass wir damals bereits spekulierten, als ich an Wnt4 bei der Entwicklung der Niere forschte, dass dieses Signal auch bei der Entwicklung der Bauchspeicheldrüse eine Rolle spielen könnte“, sagt Seppo Vainio. Damals fehlten den Forscherinnen und Forschern jedoch die entsprechenden Methoden. Mehr als 20 Jahre später wollte der Postdoktorand Keiichi Katsumoto im Labor von Anne Grapin-Botton herausfinden, welche Rolle das Gen Wnt4 bei der Entwicklung der Bauchspeicheldrüse spielt. Inzwischen hatte das Labor von Vainio in Oulu die Mausmodelle weiterentwickelt: „Mit diesen Möglichkeiten konnten wir die Rolle von Wnt4 in der Bauchspeicheldrüsenentwicklung und -physiologie gemeinsam mit dem Forschungslabor von Anne Grapin-Botton untersuchen“, sagt Seppo Vainio.
Faszinierende Kommunikation zwischen Betazellen
Keiichi Katsumoto beschreibt, was er beobachtete: „Wir fanden heraus, dass das Gen Wnt4 in Betazellen während der Zellreifung gebildet wird. Die Zellen, die Wnt4 zu bilden beginnen, hören auf, sich zu vermehren und werden funktionsfähiger. Wir haben gesehen, dass die Betazelle bei weniger Wnt4 weniger Insulin ausschüttet. Das Team fand heraus, dass die Betazellen zwar in der Lage waren, Zucker im Blut zu erkennen, aber als Reaktion auf Glukose weniger Insulin ausschütteten.“
„Als wir beobachteten, dass Mäuse ohne das Gen Wnt4 an Diabetes erkrankten, wussten wir, dass wir etwas Wichtiges gefunden hatten, aber wir wussten nicht, wie es funktionierte“, sagt Anne Grapin-Botton, die diese Studie leitete. „Aus Arbeiten in anderen Organen, insbesondere von unserem Mitarbeiter Seppo Vainio und seinen Kollegen, wussten wir, dass dieses Gen ein Signal ist, das von Zellen an andere gesendet wird. Es war aufregend, die Kommunikation zwischen den Betazellen in der Bauchspeicheldrüse, ihre Konservierung über mehrere Tierarten hinweg und die Mechanismen, durch die sie funktioniert, zu entdecken. Es war besonders spannend, welche tiefgreifenden metabolischen Veränderungen, diese Kommunikation in den Betazellen hervorruft. Wir wissen jedoch noch nicht, ob die Betazellen Wnt4 ständig oder unter bestimmten Umständen freisetzen. Dies wollen wir in Zukunft erforschen.“
„Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass der Anstieg von Wnt4 kurz nach der Geburt ermöglicht, dass Betazellen reifen“, sagt Katsumoto. „Unser nächster Schritt ist es, zu verstehen, warum Wnt4 während der Reifung der Zellen gebildet wird.“ Diese Ergebnisse könnten die Entwicklung von Ersatz-Betazellen für die Diabetestherapie unterstützen, denen Wnt4 zur Unterstützung der Reifung hinzugefügt wird.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Anne Grapin-Botton
+49 (0) 351 210-2500
botton@mpi-cbg.de
Originalpublikation:
Keiichi Katsumoto, Siham Yennek, Chunguang Chen, Luis Fernando Delgadillo Silva, Sofia Traikov, Dror Sever, Ajuna Azad, Jingdong Shan, Seppo Vainio, Nikolay Ninov, Stephan Speier, & Anne Grapin-Botton: “Wnt4 is heterogeneously activated in maturing β-cells to control calcium signaling, metabolism and function”, Nat Commun 13, 6255 (2022), https://doi.org/10.1038/s41467-022-33841-5