Übung zum Schutz vor nuklearen Gefahren auf See
Expert*innen aus 24 Staaten prüfen unter Federführung des BfS ihre Entscheidungshilfesysteme
Gerade bei einem nuklearen Unfall ist die internationale Zusammenarbeit entscheidend – denn Radioaktivität macht an Grenzen nicht halt. Fachleute aus 24 Ländern aus der ganzen Welt haben daher in den vergangenen Tagen am Computer simuliert, was passiert, wenn es in der Ostsee vor Dänemark auf einem Eisbrecher mit Nuklearantrieb zu einem Zwischenfall kommt. Ziel der Vergleichsrechnungen war vor allem, die Entscheidungshilfesysteme für die Prognose und Lagebeurteilungen von Unfällen, bei denen Radioaktivität in die Umwelt gelangen kann, zu überprüfen. Insbesondere ging es darum, ob die Teilnehmer*innen zu den gleichen Schlüssen gelangen würden.
Die Vergleichsrechnungen wurden federführend vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) organisiert. Sie fand vom 17. bis 24. November statt. Auf einem gemeinsamen Workshop am 1. Dezember wurden die Ergebnisse abgeglichen und Schlussfolgerungen für den internationalen Notfallschutz gezogen.
BfS-Präsidentin Paulini: Bedeutung internationaler Zusammenarbeit
„Die Gefährdung von Atomkraftwerken durch den Krieg in der Ukraine hat noch klarer aufgezeigt, wie groß die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit im radiologischen Notfallschutz ist“, sagt BfS-Präsidentin Inge Paulini. „Auch bei zivilen Zwischenfällen kann die Koordination über Grenzen hinweg mitentscheidend sein für den Schutz der Betroffenen.“
In der Übung wurde ein Unfall im Kattegat angenommen, rund 40 Kilometer östlich der dänischen Stadt Aarhus. Grundlage des Szenarios war die fiktive Havarie eines nuklearbetriebenen Eisbrechers, in deren Folge eine große Menge Radioaktivität austrat – in einer Größenordnung, bei der gesundheitliche Auswirkungen für Menschen im Umkreis wahrscheinlich und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung erforderlich wären.
An der Übung nahmen Vertreter*innen von 30 Organisationen aus 24 Ländern weltweit teil. Sie sollten mithilfe des computergestützten Entscheidungshilfemodells RODOS ermitteln, welche Schutzmaßnahmen erforderlich sein würden. RODOS steht für „Realtime Online Decision Support System“. Für die Berechnungen der Radioaktivität zugrunde gelegt wurde das tatsächliche Wetter in der Region, das dem BfS täglich mehrfach vom Deutschen Wetterdienst zur Verfügung gestellt wird.
Insgesamt bewerteten die Teilnehmer*innen den Nutzen von RODOS zur Lagebeurteilung als sehr positiv. Dennoch kam es zu teilweise voneinander abweichenden Empfehlungen für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Wie solche Abweichungen künftig vermieden werden können, soll in den kommenden Monaten überprüft werden.
Grundlage für konkrete Notfallschutzmaßnahmen
Mit Hilfe des Prognosemodells RODOS und des Ausbreitungsmodells des Deutschen Wetterdienstes lassen sich die zukünftige Umweltkontamination und die zu erwartenden Strahlendosen bei einer radioaktiven Wolke abschätzen. Diese Prognosen bilden die Grundlage für konkrete Notfallmaßnahmen, wie beispielsweise Verhaltensempfehlungen für die Bevölkerung. Diese können im jeweiligen Land von den zuständigen Behörden ausgesprochen werden.
Im Falle eines nuklearen Unfalls werden in Deutschland RODOS-Ergebnisse im Radiologischen Lagezentrum des Bundes (RLZ) als Grundlage zur Bewertung der Situation und für die Empfehlung von Schutzmaßnahmen verwendet. International arbeiten rund 30 Staaten mit diesem System.
Bundesamt für Strahlenschutz
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) arbeitet für den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Schäden durch Strahlung. Das BfS informiert die Bevölkerung und berät die Bundesregierung in allen Fragen des Strahlenschutzes. Die über 550 Beschäftigten bewerten Strahlenrisiken, überwachen die Umweltradioaktivität, unterstützen aktiv im radiologischen Notfallschutz und nehmen hoheitliche Aufgaben wahr, darunter im medizinischen und beruflichen Strahlenschutz. Ultraviolette Strahlung und strahlenrelevante Aspekte der Digitalisierung und Energiewende sind weitere Arbeitsfelder. Als wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde betreibt das BfS Forschung und ist mit nationalen und internationalen Fachleuten vernetzt. Weitere Informationen unter www.bfs.de.