Zukunft der Industrieforschung steht auf wackligen Füßen
Zuse-Gemeinschaft begrüßt Erhalt von INNO-KOM und IGF || Budgets zu gering um ausreichend Innovation und Transfer zu erreichen || Wissenschaftsverband fordert zeitgemäße Weiterentwicklung der Förderinstrumente || Zuse-Gemeinschaft ist zur Mitarbeit daran bereit
Berlin. „Der Erhalt der Förderinstrumente INNO-KOM und IGF für die industrienahe Forschung ist grundsätzlich ein gutes und wichtiges Signal für Innovation und Transfer in Deutschland, für die mittelständi-sche Wirtschaft sowie die Forschungseinrichtungen der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V.“, bewertet Prof. Martin Bastian, Präsident der Zuse-Gemeinschaft, die jetzt in Kraft getretenen neuen Förderrichtlinien „Innovationskompetenz mit gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen“ (INNO-KOM) und „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ (IGF). „Wir verstehen dies auch als Bekenntnis der Bundes-regierung zur industrienahen Forschung in Krisenzeiten sowie als ersten Schritt für eine sinnvolle Weiterent-wicklung über viele Jahre sehr erfolgreicher und bewährter Förderprogramme.“ Der nahtlose Übergang in die neuen Richtlinien schafft Planungssicherheit für die Industrieforschungseinrichtungen und die Unternehmen, wenngleich die so wichtige Frage rund um eine sachlich angemessene Anwendung des Besserstellungsverbot weiterhin ungelöst ist.
Bastian ermuntert die Bundesregierung, sehr zeitnah eine Fortentwicklung beider Förderinstrumente in Angriff zu nehmen, beispielsweise bei INNO-KOM die Entkoppelung von den GRW-Gebieten: „Wenn wir die Herausforderungen der ökologischen Transformation, der stabilen Versorgung mit Energie, der Inflation sowie der Folgen des Krieges in der Ukraine erfolgreich meistern wollen, brauchen wir weitreichende Innovationen aus der Industrieforschung und müssen diese umfassend umsetzen. Alle zusammen sollten wir dabei mutig und schnell neue Wege beschreiten, um die Dekarbonisierung, einen echten Klimaschutz, eine deutliche Verbesserung der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit auch in strukturschwachen Gebieten zu erreichen. Als Zuse-Gemeinschaft könnten wir uns mit dem reichhaltigen Erfahrungsschatz der Institute unter entsprechend angepassten Rahmenbedingungen deutlich besser einbringen.“
„Positiv ist bei INNO-KOM, dass nun auch die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Treibhausgasneutralität Eingang in die Richtlinie gefunden haben“, ergänzt Dr. Klaus Jansen, Bundesgeschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft. „Damit werden wichtige klimaschutzpolitische Leitlinien aufgegriffen, die in den Instituten der Zuse-Gemeinschaft seit vielen Jahren ein Leitmotiv der Forschung bilden und zum Kern des Selbstverständnisses moderner, nachhaltiger Industrieforschung gehören.“ Lob findet der Wissenschaftsmanager auch für die neue IGF-Richtlinie: „Der Erhalt des qualitätsbezogenen Gutachtersystems sowie der starken Industrie-bindung durch die Antragsberechtigung der branchenbezogenen Forschungsvereinigungen sichert das Innovationssystem in unserem Land nachhaltig ab.“ Damit bleiben wichtige Bausteine beider bewährter Förderinstrumente erhalten.
Das INNO-KOM-Budget könne natürlich größer ausfallen, so Jansen mit Blick auf das Innovationspotential in Forschungseinrichtungen und Unternehmen: „Aktuell sehen wir mit einem Ansatz von 72,8 Mio. Euro im Bundeshaushalt 2023 im Vergleich zu den 74,6 Mio. Euro vom Vorjahr aber zumindest ein halbwegs stabiles Budget.“ Grundsätzlich hält Jansen die Budgetplanung also für passend, erinnert aber daran, dass die besonderen Herausforderungen aufgrund gestiegener Energiekosten, der Inflation sowie der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine in der aktuellen Budgetplanung leider nicht abgebildet werden. Auch dürfe es bei gleichbleibendem Budget nicht zur eigentlich empfehlenswerten Entkoppelung von den GRW-Gebieten kommen, mahnt Jansen: „Dann reicht das Geld vorne und hinten nicht.“ Er lenkt damit den Blick auf ein Manko von INNO-KOM: seine Ausgestaltung als Strukturförderinstrument, bei dem nur Institute in strukturschwachen Regionen, den GRW-Gebieten, antragsberechtigt sind. „Es bleibt so ein Gutteil an Innovationspotential in Deutschland ungehoben.“
Die Lösung für dieses Problem liege auf der Hand, skizziert Zuse-Präsident Bastian: „Die Kopplung von INNO-KOM an die GRW-Gebiete schränkt die Wirkung des Programms deutlich ein: Umfragen und die Evaluierung des Programms haben sehr deutlich belegt, dass auch Institute in strukturstarken Regionen einen nennenswerten Transfer von Wissen und Technologien in die mittelständische, strukturschwach gelegene Industrie bewirken. Eine Entkoppelung der Antragsberechtigung von den GRW-Gebieten würde die positiven Effekte des Pro-gramms deutlich verstärken.“ Bundesgeschäftsführer Jansen ergänzt, ein solcher Schritt müsse mit einer Auf-stockung des Budgets auf wenigstens 110 Mio. Euro pro Jahr einhergehen: „Sonst reicht das Geld nicht und die Entkoppelung wäre für Innovation und Transfer in Deutschland eher kontraproduktiv.“
Allenfalls verhalten optimistisch blickt Jansen auch auf die Entwicklung des IGF-Budgets: „Die Veränderung von 195,3 Mio. Euro im vergangenen Jahr auf nun 197,1 Mio. Euro bedeutet zwar eine ansatzweise stabile Mittelausstattung. Allerdings deckt diese den Bedarf bei weitem nicht ab.“ Jansen lenkt damit den Blick auf eine zentrale Kritik am Förderprogramm IGF: Gestartet mit dem Ziel, Forschungsideen mit branchenweiter Relevanz zu fördern, die nicht immer höchstem wissenschaftlichen Anspruch entsprechen, sondern eine besondere Praxisrelevanz aufweisen, hat sich dieses zu einer Exzellenzförderung weniger ausgewählter Projektideen verändert. „Viele praxisrelevante, gute Ideen bleiben damit auf der Strecke.“ Um diesem Manko abzuhelfen, muss das IGF-Budget stetig moderat, beispielsweise mit 20 Mio. Euro jährlich, wachsen. Unsicherheit schafft zusätzlich die erstmalige Ausschreibung der Projektträgerschaft: „Dies kann bedeuten, dass die AiF als industriegetragenes Netzwerk nach 70 Jahren die Betreuung der IGF abgibt. Was das für das Industrienetzwerk mit rund 50.000 Unternehmen bedeutet, ist gänzlich ungewiss. Hier müssen wir in Forschung, Wirtschaft, Politik und Administ-ration gemeinsam alles daransetzen, dass nicht Innovationen und Transfer in Deutschland Schaden nehmen.“