Menschenrechte in der Entwicklungszusammenarbeit: Verbesserungsbedarf bei Arbeitsbedingungen und Nichtdiskriminierung
Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hat die Umsetzung und Wirksamkeit des Menschenrechtsansatzes des Entwicklungsministeriums (BMZ) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass einzelne menschenrechtliche Anforderungen gut umgesetzt sind, es in einigen Bereichen aber Verbesserungsbedarf gibt: Vorhaben zur Stärkung des lokalen Privatsektors und lokaler Finanzsysteme in Partnerländern stärken menschenwürdige Arbeitsbedingungen nur selten gezielt und umfassend. Auch benachteiligte Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, werden nicht genügend berücksichtigt. Zudem sollten Partizipationsmöglichkeiten und Beschwerdemechanismen besser verankert werden.
Lücken bei der Umsetzung des Menschenrechtsansatzes
Um die Menschenrechte in Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit zu stärken, gibt das BMZ in seinem Menschenrechtsansatz vor, dass menschenrechtliche Standards und Prinzipien in allen Vorhaben verankert sein müssen. Wie gut dies tatsächlich umgesetzt wird, hat das DEval in der Evaluierung „Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik“ untersucht. Dabei wurde der Schwerpunkt auf Vorhaben im Bereich der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung gelegt. Die Ergebnisse zeigen, dass bilaterale Vorhaben nur einen Teil der vom BMZ vorgegebenen menschenrechtlichen Standards und Prinzipien gut umsetzen.
Verbesserungsbedarf bei der Stärkung menschenwürdiger Arbeit
Die Vorhaben tragen zwar teilweise dazu bei, dass neue Arbeitsplätze geschaffen oder existierende gesichert werden; nur selten haben die Vorhaben aber zum Ziel, Arbeitsbedingen in Partnerländern insgesamt zu stärken – dazu gehören etwa ein angemessenes Arbeitsentgelt, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen und angemessene Arbeits- und Urlaubszeiten.
Beschwerdemechanismen, Partizipation und Nichtdiskriminierung ausbaufähig
Die Evaluierung zeigt auch, dass einige der vom BMZ definierten menschenrechtlichen Prinzipien und Standards noch nicht ausreichend verankert sind:
Zwar wird in den meisten Fällen transparent zu den Vorhaben informiert, offizielle Beschwerdemechanismen für die vom Vorhaben adressierten Menschen im Partnerland sind dabei aber oft nicht bekannt und werden selten genutzt. In vielen Fällen gibt es nur die Möglichkeit, informell Feedback zu geben – etwa indem Projektmitarbeitende und -verantwortliche telefonisch oder elektronisch kontaktiert werden können. Andere Wege, beispielsweise Kontaktinformationen von formellen Beschwerdeplattformen, kennen die vom Vorhaben adressierten Menschen kaum.
Auch das Prinzip der Partizipation wird nur in wenigen Fällen angemessen umgesetzt – so werden Interessen von adressierten Menschen nur selten in Entscheidungsprozessen abgefragt und berücksichtigt. Selten finden sich etwa Beispiele für den aktiven Einbezug von benachteiligten Gruppen in die Gestaltung von Vorhaben zur Förderung der Privatwirtschaft und der Finanzsysteme. Menschen in Partnerländern und insbesondere benachteiligte Gruppen können selten eigenes Wissen und ihre Prioritäten in die Ausgestaltung von Vorhaben einbringen.
Verbesserungsbedarf gibt es auch beim Prinzip der Nichtdiskriminierung. Zwar werden in manchen Vorhaben einzelne benachteiligte Gruppen wie Frauen oder Menschen in ländlichen Regionen gefördert; Menschen mit Behinderungen oder Personen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, werden aber nicht ausreichend angesprochen.
Qualitätssicherung verbessern und Anreize schaffen
Um die Umsetzung menschenrechtlicher Standards und Prinzipien in bilateralen Vorhaben zu verbessern, empfiehlt das DEval die Qualitätssicherung über den gesamten Projektzeitraum zu stärken. Ergänzend sollte das BMZ den Menschenrechtsansatz in alle Kernthemenstrategien vollständig aufnehmen. Auch Anreize, wie beispielsweise eine öffentliche Preisverleihung für gelungene Vorhaben, könnten zu einer verbesserten Umsetzung führen. Zudem sollte das Beschwerdesystem für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit weiterentwickelt werden. Darüber hinaus können Musterbeispiele und Austauschformate zwischen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteursgruppen in Partnerländern förderlich sein.
Datengrundlage
Für die Datenerhebung wurden Vorhaben des Bereichs Privatsektor- und Finanzsystementwicklung aus Indien, Nigeria, Ägypten, Ghana und Usbekistan untersucht sowie Evaluierungsberichte von entsprechenden Entwicklungsprojekten systematisch analysiert. Das Evaluierungsteam ging menschenrechtsbasiert vor und berücksichtigte menschenrechtliche Standards und Prinzipien während des Evaluierungsprozesses.
Der vollständige Bericht MENSCHENRECHTE IN DER DEUTSCHEN ENTWICKLUNGSPOLITIK Teil 2: Umsetzung und Wirksamkeit des Menschenrechtsansatzes im Aktionsfeld „Privatsektor- und Finanzsystementwicklung“ 2022 ist auf der Website des DEval abrufbar.
Über das DEval
Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) ist vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mandatiert, Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unabhängig und nachvollziehbar zu analysieren und zu bewerten. Mit seinen strategischen und wissenschaftlich fundierten Evaluierungen trägt das Institut dazu bei, die Entscheidungsgrundlage für eine wirksame Gestaltung des Politikfeldes zu verbessern und Ergebnisse der Entwicklungszusammenarbeit transparenter zu machen. Das Institut gehört zu den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes und wird von Prof. Dr. Jörg Faust geleitet.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Martin Bruder
Abteilungsleitung Zivilgesellschaft, Menschenrechte
Tel: +49 (0)228 336907-970
E-Mail: martin.bruder@DEval.org
Originalpublikation:
https://www.deval.org/fileadmin/Redaktion/PDF/05-Publikationen/Berichte/2022_Menschenrechte_Teil_2/2022_DEval_Menschenrechte_Teil_2_barrierefrei_web.pdf
Weitere Informationen:
https://www.deval.org/de/publikationen/menschenrechte-in-der-deutschen-entwicklungspolitik-teil-2