Vier ERC Consolidator Grants an die HHU
Die Grants des European Research Council (ERC) zäh-len zu den renommiertesten europäischen Forschungsförderungen. ERC Consolidator Grants sind mit bis zu zwei Millionen Euro dotiert und werden an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die bereits herausragende wissenschaftliche Leistungen aufweisen und deren Promotion sieben bis zwölf Jahre zurückliegt. Die Grants sind hochkompetitiv, in der Ausschreibungsrunde 2022 wurden von 2.222 eingereichten Anträgen nur 321 (14,4 Prozent) für eine Förde-rung ausgewählt. Das Gesamtfördervolumen beträgt 657 Millionen Euro. Gleich vier dieser hochkarätigen Auszeichnungen gehen nun an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU).
Ausgezeichnet werden Prof. Dr. Miriam Edlich-Muth (Anglistik), Prof. Dr. Laura Hartmann (Makromolekulare Chemie), Dr. Eva Ulrike Pirker (Ang-listik) und Prof. Dr. Eva-Maria Troelenberg (Medien- und Kulturwissen-schaften).
Das interdisziplinäre Projekt Post-REALM („Post-National Reconceptions of European Literary History“) von Prof. Dr. Miriam Edlich-Muth, Lehr-stuhl für Mittelalterliche englische Literatur und historische Linguistik, ist in der mittelalterlichen Anglistik angesiedelt. Prof. Edlich-Muth wird digitale Methoden mit herkömmlichen hermeneutischen Ansätzen verbinden, um 32 Versionen des spätmittelalterlichen paneuropäischen Romans Floire und Blancheflor vergleichend zu analysieren. Ziel des Projekts ist es, ei-nerseits ein neues Verständnis dafür zu schaffen, wie diese beliebte Er-zählung geschrieben, adaptiert und in verschiedenen Regionen Europas verbreitet wurde und andererseits einen grundlegenden methodologischen Wandel in der Erforschung historischer Texttraditionen anzuregen.
Prof. Dr. Laura Hartmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Makromolekula-re Chemie, war mit ihrem Projekt „GLYMCE – Glycan Mimetics for Cell Glycocalyx Reconstitution: a polymer chemist’s approach to fight infec-tion“ erfolgreich. Darin geht es um die natürliche dichte Zuckerschicht, die jede Zelle umhüllt – die sogenannte Glykokalyx – sowie deren Rolle bei Infektionen. Einerseits schützt diese dicke Zuckerschicht die Zellen. Ande-rerseits nutzen Pathogene wie Bakterien und Viren die Zucker aber auch, um an die Zelle anzukoppeln. Dieses ‚Andocken‘ ist meist der erste Schritt einer Infektion. Die Arbeitsgruppe um Prof. Hartmann will besser verste-hen, wie genau die Pathogene an die Zucker auf der Zelloberfläche kop-peln. Um dies untersuchen zu können, werden im Labor vereinfachte Formen der natürlichen Zuckerstrukturen nachgebaut, sogenannte poly-mere Glycanmimetika. Neben Grundlagenfragen sollen diese Polymere auch daraufhin untersucht werden, wie weit sie sich zur Detektion, Prä-vention und Bekämpfung von Infektionen eignen.
Dr. Eva Ulrike Pirker, Institut für Anglistik, erforscht in ihrem anglistisch-literaturwissenschaftlichen Projekt „Meritocracy and Literature: Transcul-tural Approaches to Hegemonic Forms“, wie sich gesellschaftliche Narra-tive von Leistung bzw. Verdienst (= „merit“) in literarischen Formen spie-geln, literarische Formen prägen und umgekehrt von literarischen Formen geprägt worden sind. „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ – gab es als Sprichwort zwar bereits in der Antike, doch die größte Wirkmacht entfaltete es in der Moderne. Die Konjunktur meritokratischer Narrative lässt sich besonders gut in englischsprachigen Kontexten nachvollziehen: Sie werden auf den Bühnen Londons ausgehandelt, zirkulieren aber auch über Prozesse der Kolonisierung und der Globalisierung weltweit: in Rei-seberichten, Romanen, in künstlerischen Manifesten und in Superhelden-Erzählungen. In sechs Teilprojekten untersucht MERLIT Varianten merito-kratischer Narrative und die Art und Weise, in der sich Literatur zu ihnen verhält und positioniert – vom 16. bis ins 21. Jahrhundert und mit Blick auf transkulturelle Entwicklungen.
Prof. Dr. Eva-Maria Troelenberg, Professur für Transkulturelle Studien im Institut für Kunstgeschichte, untersucht in dem Projekt „Machinery Rooms of the Mediterranean, 1800-present: Images and Visual Archives of Movement and Acceleration“ (MEDMACH) die Geschichte des Mittel-meerraumes nach 1800. Moderne und Gegenwart dieser Region schei-nen geprägt von Prozessen der Fragmentierung. Dabei ist der vereinheitli-chende Begriff des Mittelmeeres selbst mit seinen meist eurozentrischen Konnotationen problematisch. MEDMACH richtet den Blick auf bisher wenig beachtete und vernachlässigte Orte, Perspektiven und Narrati-ve: Infrastrukturen und Maschinerien industrialisierter Beschleunigung, also Flughäfen, Bahnhöfe, Industriehäfen und Schiffe. Das Projekt wird dabei insbesondere das Potenzial von Bildern und Bildarchiven nutzen. In der Zirkulation und Rezeption solcher Bilder aus dem „Maschinenraum“ spiegeln sich die vielfältigen Prozesse der (Dis-)Konnektivität. Sie ermög-lichen es, eine kritisch reflektierte Geschichte des Mittelmeerraumes nach 1800 in seinen globalen Verflechtungen und postkolonialen Dimensionen zu schreiben.