75. Jubiläums-Kongress der DGU: Präsident Kriegmair rückt Interdisziplinarität in den Fokus
Seit September 2022 ist Prof. Dr. Martin Kriegmair Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) und leitet in dieser Funktion den 75. Kongress der wissenschaftlichen Fachgesellschaft vom 20. bis 23. September 2023 im Congress Center Leipzig. Mit seinem Kongressmotto „#Urologie #interdisziplinar #voraus“ will der Chefarzt der Urologischen Klinik München Planegg auf der weltweit drittgrößten urologischen Fachtagung einen Anstoß für die zukünftige Entwicklung einer immer komplexeren Urologie geben.
In einer Zeit weitreichender Strukturreformen im Gesundheitswesen widmet sich der Kongress zudem aktuellen Herausforderungen wie der Ambulantisierung der Medizin. „Und natürlich werden wir das 75. Jubiläum unserer DGU-Jahrestagung gebührend begehen“, so Prof. Kriegmair.
#Urologie #interdisziplinar #voraus
In den Fokus seiner Präsidentschaft hat Kriegmair die zunehmende Bedeutung der Interdisziplinarität gestellt: „#Urologie #interdisziplinar #voraus“ formuliert er mit medienwirksamen Hashtags und Blick auf die jüngere Genration in kurzen und knappen Schlagworten sein Kongressmotto. „Die Urologie hat sich in den letzten Jahren zu einer sehr facettenreichen Fachdisziplin entwickelt. Die Diagnose und Behandlung von Krankheitsbildern unserer Patientinnen und Patienten werden immer spezialisierter, komplexer und individualisierter. Das Spektrum reicht von aufwändiger Tumorchirurgie, zum großen Teil bereits mit roboter-assistierten, minimal-invasiven Prozeduren, bis hin zu anspruchsvollen sich immer rascher erneuernden multimodalen onkologischen Behandlungsmaßnahmen. Die aufwändigen rekonstruktiven operativen Maßnahmen, sei es in der Beckenboden- oder Transgenderchirurgie, erfordern einen interdisziplinären Ansatz. Die hohe Qualität der modernen Schnittbildgebung zu sichern, gelingt nur in enger Zusammenarbeit zwischen Urologen und Radiologen“, erklärt der DGU-Präsident. „Diesen Herausforderungen einer spezialisierten und individualisierten urologischen Versorgung werden wir nur gerecht durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dabei obliegt es der Urologie, das spezielle Wissen der anderen Disziplinen gezielt zu integrieren“, so Prof. Kriegmair weiter.
Doch wieweit ist die individualisierte Medizin in der Urologie? „Individuell kann die Medizin schon sein, wenn wir auf Präferenzen um Umstände der Patienten eingehen und diese bei der Diagnostik und Therapie berücksichtigen - das gibt es bereits für alle.
Unter individualisierter Medizin verstehen wir jedoch streng genommen die Therapieauswahl unter Berücksichtigung meist molekularer Biomarker. Diese steckt weiter in den Kinderschuhen, wobei es erste Beispiele im urologischen Klinikalltag gibt. Ich denke hier an die PD-L1-Testung in der Adjuvanz und Erstlinientherapie des Urothelkarzinoms oder die BRCA-Testung beim Prostatakarzinom, wobei diese – zumindest für den Moment – durch die Zulassungserweiterung des PARP-Inhibitors etwas an Bedeutung für einen individualisierten Therapieansatz verloren hat. Dennoch bleibt die BRCA-Testung in meinen Augen ein wichtiges Tool und wird zur Stratifizierung zukünftiger Therapien beitragen“, so die Einschätzung des DGU-Präsidenten. Generell gäbe es zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse vor allem im Bereich der molekularen Diagnostik und Therapie, jedoch ließen sich diese bis heute nicht in ausreichendem Maße miteinander und den Krankheitsverläufen der Patienten verknüpfen. „Wahrscheinlich wird es erst unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz gelingen, die individualisierte Medizin als Standardversorgung zu etablieren. Dieses Thema erscheint uns so wichtig, dass wir es in einem speziellen Forum des kommenden DGU-Kongresses thematisieren wollen.“
In einem Jahr, in dem weitreichende und einschneidende Strukturreformen im Gesundheitswesen geplant werden oder sich bereits in der Umsetzung befinden, rangieren auch diese ganz oben auf der Agenda des amtierenden DGU-Präsidenten: „Die gesundheitspolitischen Vorgaben zur vermehrten ambulanten Erbringung von bisher stationären Leistungen werden ambulant tätige Kollegeninnen und Kollegen, Belegärztinnen und -ärzte sowie Klinikärztinnen und -ärzte vor neue Aufgaben stellen. Schätzungsweise sollen 20-25 Prozent der bis dato stationär erbrachten Leistungen zukünftig ambulant durchgeführt werden. Dabei wird das Jahr 2023 die entscheidende Übergangsphase zum Erreichen dieser Zielvorgabe darstellen, weshalb wir in Leipzig in einem eigenen Plenum zum Thema ambulante Urologie Wege zur Bewältigung aufzeigen werden.“
In Leipzig erwartet: erste Präsentation großer Phase-III-Studien in vielen Tumorentitäten
Das wissenschaftliche Programm des Kongresses deckt traditionell aktuellen Wissenschaftsaustausch sowie Fort- und Weiterbildung in allen Bereichen der Urologie ab. „In diesem Jahr erwarten wir in vielen Entitäten die erstmalige Präsentation großer Phase-III-Studien. Ich denke hier z.B. an die Talapro-2-Studie, die die Kombination aus Enzalutamid und Talazoparib beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom untersucht und auf dem Kongress zum ersten Mal in Deutschland vorgestellt wird. Aber auch auf weitere Analysen schon bekannter Studien wie die Subgruppen-Analyse der ARASENS-Studie zum metastasierten hormonsensitiven Prostatakrebs oder die finalen Daten der IMvigor 130-Studie zum metastasierten Urothelkarzinom werden uns viel Diskussionsstoff bieten. Außerhalb der Uroonkologie erwarte ich viel Neues im Feld der Medizintechnik und innovativen neuen Verfahren - ein traditionell starkes Feld in der Urologie. Von der Water III-Studie z.B. zur Beurteilung der Effizienz und Sicherheit der Aquablation im Vergleich zur transurethralen Laserenukleation bei Patienten mit benignem Prostatasyndrom und großen Prostatavolumen können wir unter Umständen beim DGU-Kongress schon erste Daten sehen. Persönlich hoffe ich in 2023 auch auf die ersten Daten aus Phase-III-Studien zur Neoadjuvanten Immun/Chemotherapie beim Urothelkarzinom. Hier gibt es meiner Meinung nach ein großes Potenzial, das vielen Patientinnen und Patienten helfen wird“, so Prof. Kriegmair.
Zentralen Anliegen der DGU trägt der Präsident bei der Programmgestaltung engagiert Rechnung: „Wenn wir bedenken, dass mittlerweile zwei Drittel aller Studierenden der Humanmedizin Frauen sind, dann wird deutlich, wie wichtig dieses Thema ist. Zusammen mit dem Arbeitskreis Urologinnen werden wir verschiedenste Angebote für die Frauenförderung im Programm haben.“ Den Fachkräftemangel sieht Prof. Kriegmair als die wohl größte Herausforderung im medizinischen Bereich der nächsten Jahre an: „Wir müssen uns intensiv darum bemühen diesem entgegenzuwirken und insbesondere dabei auch konstruktiv die Gestaltung neuer Arbeitswelten im Fokus haben. Es ist dringend erforderlich, dass wir Wege finden, Familie und Beruf gedeihlich zusammenzuführen und auch Arbeiten in Teilzeit ermöglichen. Nur dann können wir die qualitativ hochwertige Versorgung unserer Patienten in Zukunft gewährleisten.“ Substitution ist dabei für ihn kein Tabu: „Für die Pflegeberufe wird es in Zukunft wichtig sein, dass diese nicht nur delegierte Aufgaben übernehmen, sondern auch eigene Verantwortung substitutiv bei der Behandlung unserer Patienten übernehmen können. Daher werden wir diese Aspekte, nicht zuletzt auf dem angeschlossenen Pflege-Kongress intensiv diskutieren.“ Ebenso werde die vielschichtige Nachwuchsförderung der DGU auch auf dem 75. DGU-Kongress präsent sein – etwa mit der Auszeichnung „Die Besten für die Urologie“ oder dem Schülerinnen- und Schülertag und dem Studierendentag.
Wie seine Amtsvorgängerin hebt auch DGU-Präsident Kriegmair Klimawandel und Umweltschutz auf das Kongresstableau. „Die Aspekte des Umweltschutzes erhalten durch die zunehmende geplante ambulante Erbringung stationärer operativer Leistungen eine neue Gewichtung, die es zu berücksichtigen gilt“, betont er.
Sein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen im DGU-Vorstand und in der Programmkommission sowie den vielen Kolleginnen und Kollegen, die mit Ideen und Vorschlägen an dem Programm für den 75. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie mitarbeiten. Seine persönliche Botschaft gilt der jungen Generation: „Ich möchte insbesondere unsere jüngeren Kolleginnen und Kollegen ermuntern, in den einschneidenden Änderungen der nächsten Jahre im Gesundheitswesen auch Chancen zu sehen. Chancen, dahingehend, dass man sich mit Eigeninitiative, Selbstständigkeit und unternehmerischem Engagement einbringt, um die eigene berufliche Karriere zu gestalten.“
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