Was bei osteopathischen Leistungen in Österreich zu berücksichtigen ist
Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat die Wirksamkeit und Sicherheit osteopathischer Behandlungen in Bezug auf Schmerzen am Bewegungs- und Stützapparat untersucht. Darüber hinaus gibt der zweiteilige Bericht eine Übersicht über Ausbildungs- und Qualitätsanforderungen in zehn europäischen Ländern. Vor dem Hintergrund der Frage, ob die öffentliche Hand zukünftig für osteopathische Leistungen aufkommen soll, kommt die Studie zu folgendem Fazit: Eine gesetzliche Regelung und der Schutz der Berufsbezeichnung „Osteopath*in“ ist dringend erforderlich. Die Ausbildungs- und Qualitätskriterien müssen auf Basis internationaler Standards für Österreich angepasst werden.
Chronische Kreuzschmerzen und andere chronische Rückenleiden belegen den Spitzenplatz unter den gesundheitlichen Problemen in Österreich: Schätzungsweise leiden fast die Hälfte der Österreicher*innen an chronischen Nacken-, Kreuz- oder Rückenschmerzen, die im Alltag extrem belastend sind und die Lebensqualität einschränken. Osteopathie, deren ganzheitlicher Ansatz auf die Verbesserung aller gesundheitlichen Aspekte abzielt, könnte – so der Anspruch der Osteopath*innen - als Ergänzung oder Alternative zur schulmedizinischen Behandlung angewendet werden. Osteopathische Interventionen definieren sich laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch spezielle Handgriff- und Mobilisationstechniken zur Diagnose und Behandlung.
Das AIHTA hat nun im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit die Evidenz zu osteopathischen Behandlungen bei Erwachsenen mit Schmerzen des Bewegungs- und Stützapparates kritisch analysiert und die Ausbildungs- und Qualitätsanforderungen ausgewählter europäischer Länder untersucht. Hierfür wurden 15 randomisierte Kontrollstudien zu sieben Körperregionen ausgewertet. Der zweite Teil behandelte Fragen die Regulierung, Ausbildung und Ausübung der Osteopathie betreffend. Zur Vervollständigung der Daten wurden zudem Expert*innen aus den untersuchten Ländern befragt. „Für die Osteopathie gibt es weltweit keine einheitlichen gesetzlichen Regelungen für die Ausübung und Weiterbildung. In vielen Ländern werden diese diskutiert oder sind bereits eingeführt worden. In Österreich ist allerdings weder die Bezeichnung Osteopath*in geschützt noch existieren Regulierungen zu Ausbildung, Ausübung und Weiterbildung“, führt Studienleiterin Lucia Gassner vom AIHTA aus.
Potenziale und Nebenwirkungen
Im Zuge der Analyse wurden die Effekte zunächst in vier Nachbeobachtungszeiträume (unmittelbar, kurz-, mittel-, langfristig) und je nach Körperregion eingeteilt. Die Ergebnisse hinsichtlich der Verbesserung von Schmerzen variierten je nach Nachbeobachtungszeitraum: Beispielsweise führten osteopathische Behandlungen bei Nackenschmerzen zu unmittelbaren und mittelfristigen Verbesserungen, während für Patient*innen mit Osteoporose nach sechs Behandlungseinheiten keine unmittelbaren Verbesserungen der Schmerzen nachgewiesen werden konnten. Mittelfristige Verbesserungen ergaben sich auch bei Kreuz- und möglicherweise Fuß- und Schulterschmerzen. Die Ergebnisse zu anderen Endpunkten wie Funktionalität oder Lebensqualität waren zu heterogen, um eine Tendenz abbilden zu können. Nebenwirkungen wie verstärkte Schmerzen, Schwindel oder Krämpfe traten nur äußerst selten auf. „Osteopathie kann als sichere Behandlungsform angesehen werden, da kaum Nebenwirkungen berichtet wurden. Es zeigten sich kurz- und mittelfristige Verbesserungen für Nacken- und Kreuzschmerzen, während die Ergebnisse in anderen Regionen nicht eindeutig waren. Zudem wiesen alle Studien ein hohes Verzerrungsrisiko auf – etwa aufgrund fehlender Verblindung oder von Mängeln bei der verdeckten Zuteilung“, fasst Gassner den ersten Teil des Berichts zusammen.
Rechtliche Fragen, Ausbildungs- und Qualitätsstandards
Der zweite Teil des Berichts untersuchte Fragen zur gesetzlichen Regelung der Osteopathie: Neben dem WHO-Standard, der Berufsgrundsätze und Ausbildungsprogramme beschreibt, existiert auch ein europäischer Standard, der Vorgaben für Ausbildung, sichere Ausübung und klinische Praxis beinhaltet. Im Detail wurden zehn Länder (Österreich, Schweiz, Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Norwegen, Portugal, UK) untersucht: In sieben dieser Länder (Schweiz, Dänemark, Finnland, Frankreich Norwegen, Portugal, UK) gibt es eine gesetzliche Regelung, zusätzlich ist die Berufsbezeichnung Osteopath*in vollständig geschützt (Ausnahme: Norwegen). Nur in Dänemark, Norwegen und Portugal beruht die gesetzliche Regelung auf den beiden Standards – bei den übrigen Ländern erfolgte die Implementierung schon vor Veröffentlichung der Dokumente. Die Ausbildungsmöglichkeiten und Lehrpläne unterscheiden sich von Land zu Land. In allen Ländern (außer Österreich, Deutschland und Italien) ist eine Mindestausbildung für die Ausübung des Berufs auf Bachelor-Niveau vorgegeben. In Großbritannien ist außerdem eine laufende berufliche Weiterbildung vorgeschrieben.
Osteopathische Behandlungen werden in allen untersuchten Ländern nur von privaten Versicherungen übernommen - in Deutschland und Österreich können die Krankenkassen in einigen Fällen die Kosten übernehmen oder bezuschussen. „Eine gesetzliche Regelung und der Schutz der Berufsbezeichnung in Österreich ist vor einer Kostenrückerstattung von entscheidender Bedeutung. Nur so wird sichergestellt, dass lediglich Osteopath*innen mit zertifizierter und qualitätsgesicherter Ausbildung und Zulassung praktizieren sowie einheitliche Ausbildungs- und Qualitätsstandards eingehalten werden“, konstatiert Gassner abschließend.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Kontakt für inhaltliche Fragen und Interviews:
Austrian Institute for Health Technology Assessment
Garnisongasse 7/20, 1090 Wien
Web: http://www.aihta.at
Lucia Gassner, MSc BSc.
T +43 1-2368119-11
E-Mail: lucia.gassner@aihta.at
Originalpublikation:
Gassner, L. und Hofer, V. (2022): Osteopathie: Wirksamkeit und Sicherheit bei Schmerzen des Bewegungs- und Stützapparates und Überblick über Ausbildungs- und Qualitätsanforderungen. HTA-Projektbericht 144. https://eprints.aihta.at/1416/.