Können Salzwiesen dem Klimawandel standhalten?
Eine Studie der Leibniz Universität Hannover hat untersucht, ob Salzwiesen auch bei steigenden Wassertemperaturen noch zum Küstenschutz beitragen können
Salzwiesen im Übergangsbereich zwischen Meer und Festland sind wertvolle Pufferzonen, die die Energie der Wellen abschwächen, bevor sie an Land brechen. Dadurch tragen die Wiesen stark zum Küstenschutz bei und sind außerdem ein Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen, die nur in diesem Ökosystem vorkommen. Auch als Kohlenstoffspeicher erfüllen sie eine wichtige Funktion. Doch können Salzwiesen unter zukünftigen klimatischen Bedingungen überleben? Können sie unter den neuen Randbedingungen mit steigenden Wassertemperaturen und höherer CO2-Belastung weiter ihrer Küstenschutzfunktion nachkommen? Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Leibniz Universität Hannover (LUH) und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven, hat dieses in aufwändigen Versuchen untersucht. Die Ergebnisse sind in der renommierten Online-Fachzeitschrift Scientific Reports der Nature Publishing Group erschienen („Biomedical traits of salt marsh vegetation are insensitive to future climate szenarios“, https://rdcu.be/c1gEM).
Die Forscherinnen und Forscher kommen zu einem erfreulich positiven Ergebnis: Die biomechanischen Eigenschaften von Salzwiesenvegetation bleiben offensichtlich auch unter zukünftigen klimatischen Bedingungen erhalten. Die Erhöhungen von Temperatur und CO2-Gehalt hatten in den Versuchen keine negativen Auswirkungen auf die Elastizität und die Bruchkraft der Halme. Bei einer Pflanzenart zeigte sich sogar eine Zunahme des Durchmessers und der Biegesteifigkeit. „Je steifer die Pflanze ist, desto höher ist ihre dämpfende Wirkung. Unsere Ergebnisse können als Indiz dafür betrachtet werden, dass die Küstenschutzfunktion von Salzwiesenvegetation grundsätzlich erhalten bleibt“, erläutert Maike Paul, PhD, vom Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau und Ästuar- und Küsteningenieurwesen der LUH, die den Artikel gemeinsam mit Christina Bischoff (LUH) und Ketil Koop-Jakobsen, PhD, (Alfred-Wegener-Institut) veröffentlicht hat.
Für die zukünftige Gestaltung des Erscheinungsbilds der Küsten sind diese Ergebnisse von großer Bedeutung. Derzeit werden neue Anpassungsstrategien der Küstenräume entwickelt und erprobt, um etwa zukünftigen Sturmflutereignissen zu trotzen. Neben Ansätzen, die mit Mangroven, Riffen oder Muschelbänken arbeiten, werden auch Salzwiesen genutzt, um die Einwirkung durch Wellen und Strömungen zu reduzieren. Für die gezielte Entwicklung von Ökosystemen, die in ihrer Kombination einen idealen Küstenschutz liefern sollen, ist es entscheidend, abschätzen zu können, welche Küstenschutzleistung dadurch zu erwarten ist und wie sich die jeweilige Vegetation in Zukunft entwickeln wird. „Planen wir Küstengebiete, sollten wir zukunftsorientierte Prognosen geben können. Dabei spielt es eine große Rolle, ob die Salzwiesen erhalten bleiben, mit dem Meeresspiegelanstieg mitwachsen können und wie sich die Vegetation entwickeln wird“, sagt Maike Paul. „Vorerst können wir davon ausgehen, dass Küstenschutzpläne, die Salzwiesen einbeziehen, zukunftsfähig sind. Es besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf, was die Widerstandskraft der Salzwiesen betrifft.“
In der Studie wurden die beiden europäischen Salzwiesenarten Salz-Schlickgras (Spartina anglica) und Strand-Quecke (Elymus athericus) auf ihre biomechanischen Eigenschaften hin untersucht. Im Alfred-Wegener-Institut sind sie 13 Wochen lang veränderten Umweltbedingungen hinsichtlich Temperatur und CO2-Gehalt ausgesetzt worden. Insgesamt wurden vier Szenarien simuliert, um mögliche Einflüsse der Temperatur oder dem CO2-Gehalt zuordnen zu können. Dabei diente ein Szenario ohne veränderte Randbedingungen als Referenz. Anschließend wurden die Einzelhalme der Salzwiesenvegetation auf ihre biomechanischen Eigenschaften hin untersucht: auf Durchmesser, Biegesteifigkeit, Elastizität und Bruchkraft. Während Elymus athericus keine Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen zeigte, konnte bei Spartina anglica eine Zunahme des Durchmessers und der Biegesteifigkeit festgestellt werden. Eine negative Auswirkung auf die biomechanischen Eigenschaften gab es also in diesen Versuchen nicht.
Das Forschungsvorhaben ist Teil des Projekts sea4soCiety (Innovative Ansätze zur Verbesserung des Kohlenstoffspeicherpotenzials von Vegetationsküstenökosystemen: https://sea4society.cdrmare.de/) der Deutschen Allianz für Meeresforschung (DAM), das wiederum in die übergreifende Forschungsmission CDRmare (https://cdrmare.de) eingebettet ist. Die Idee der Studie entstand in Zusammenarbeit mit Ketil Koop-Jakobsen für das Alfred-Wegener-Institut – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Mehrere Institute der LUH waren an der Durchführung und Auswertung beteiligt.
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Maike Paul, PhD, Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen, unter Telefon 0511 762 2584 oder per E-Mail unter paul@lufi.uni-hannover.de gern zur Verfügung.