Online-Podium zur Lage in der Finanzwelt: Über hohe Wellen und die Zeit zum Auftauchen
Geschäftsmodelle werden hinterfragt, Liquiditätsengpässe destabilisieren Märkte und das Kundenvertrauen wird auf eine harte Probe gestellt. Beim HFM Webcast diskutierten hochkarätige Insider aus der Sparkassen-Finanzgruppe über den Sturm in der Branche. Ein einvernehmlicher Rat: wieder langsam akklimatisieren und sehr achtsam bleiben.
Die derzeitige Lage auf dem Finanzmarkt ist schwer zu greifen, dennoch müssen Finanzakteure jetzt agieren. Aus diesem Grund hatte die Hochschule für Finanzwirtschaft & Management (HFM) unter der Leitung von Prof. Dr. Mike Schneider, Inhaber der Professur für strategisches Bank- und Vertriebsmanagement und Prof. Dr. Denis Bagbasi, Inhaber der Professur für Bankbetriebslehre inbes. Vermögensmanagement, kurzfristig zu einer Online-Podiumsdiskussion mit dem Titel ‚Flächenbrand in der Finanzwelt? Von Liquiditätsengpässen, Geschäftsmodellen und Kundenvertrauen‘ eingeladen. Als Referenten nahmen Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, Dr. Patrick Kuchelmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ravensburg und Frank Fleckenstein, Bereichsleiter Unternehmensentwicklung bei der Sparkasse KölnBonn, teil. Rund 130 Teilnehmende verfolgten die Ausführungen der Experten digital und diskutierten rege mit.
Schwappt die Bankenkrise über?
Die allgemeine Frage, ob sich die jüngsten Schieflagen wie die der Silicon Valley Bank (SVB) und der Credit Suisse auch bei vielen anderen Banken in nächster Zeit wiederholen könnten, beantworteten alle Podiumsteilnehmer mit klarem nein. Denn die Ursachen der genannten Banken, die zu den Problemen führten, sind zu spezifisch. Beispiel SVB: Ungünstige Investitionen in niedrigverzinste Anleihen, massive Kursverluste dieser Papiere durch den abrupten Zinsanstieg, sehr hohe Abflüsse von Kundeneinlagen – um hier nur einige zu nennen. Als Brandbeschleuniger ist laut Schneider vor allem ein Punkt hervorzuheben: Nicht einmal drei Prozent aller Einlagen waren gesichert – somit war das Verlustrisiko für die Kunden sehr hoch und damit auch der Anreiz, das Geld abzuziehen.
All diese Merkmale treffen nicht auf die europäische Bankenlandschaft, insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu. Insofern seien keine ‚amerikanischen Verhältnisse‘ zu erwarten, bekräftigt Kater: „Mit dem abrupt und stark angestiegenen Zinsniveau verhält es sich wie bei einem Taucher, der ja möglichst langsam wieder aufsteigen soll, um nicht zu schnell den Druckveränderungen ausgesetzt zu sein. Zu viel Tempo führt zu Schwierigkeiten, so auch bei Zinsveränderungen“.
Zu viel Sorge ist nach Meinung der Podiums-Teilnehmer demnach unangebracht, dennoch bestehen durchaus Risiken für die Banken hierzulande, das ist an den Reaktionen am Markt abzulesen. „Die Märkte sind schon seit einigen Jahren aufgerieben. Eine dauerhaft flache Zinskurve mit teilweiser Negativ-Verzinsung hat den Banken rentable Anlagemöglichkeiten mit angemessener Verzinsung verbaut“, erklärt Schneider. Und Kater ergänzt: „Nach den jüngsten Bankschieflagen braucht es jetzt eine Phase der Aufarbeitung und Akklimatisierung. Die Märkte zu stabilisieren ist nun wesentlich. Dazu gehört es auch, das Vertrauen wiederherzustellen.“
Weiteren Kern der Online-Podiumsdiskussion bildete das Thema Anleihen: Auch hier braucht es laut den Referenten viel Zeit, bis die niedrig verzinsten Anleihen aus den Portfolien herauswachsen. Zudem muss betont werden, dass es sich nicht um Bonitätsrisiken handelt. Entsprechend ist zu erwarten, dass sich nach einer Anpassungsphase die Schwierigkeiten gelegt haben. Dennoch sei einzukalkulieren, dass einzelne Institute diesen Prozessen nicht gewachsen sein könnten. Zudem sind Übertreibungen an den Märkten denkbar. So verzeichneten zuletzt Bankaktien deutliche Kursverluste, obwohl sich an den Fundamentaldaten praktisch nichts verändert hat. Die Meinung und vor allem mögliche Sorgen der Märkte zu prognostizieren sei extrem schwer.
Was ist jetzt wichtig für Banken?
Schneider fasst als Essenz der Podiumsdiskussion noch einige Handlungsempfehlungen zusammen:
1. Liquidität sichern – das gilt gleichermaßen für alle Banken. Vorteile haben hier Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die durch ihren jeweils starken Verbund gut aufgestellt sind.
2. Social Media nicht unterschätzen – gerade wenn es um Ängste und Sorgen geht, kann der ausgehende Druck im Netz die Abwärtsspirale beschleunigen. Die Macht sozialer Medien muss ernst genommen werden.
3. Skandale vermeiden – diese hatte beispielsweise die Credit Suisse reichlich. Wenn solche Dinge ans Licht kommen, führt das zu massiven Image- und Vertrauensverlusten, die schnell die ganze Branche befallen können. ‚Sauber bleiben‘ lautet die Devise.
Und eine Hoffnung zum Schluss: Aufsichtliche Konsequenzen gründlich bedenken. Im Zusammenhang mit SVB und CS wird in Teilen die Kapitalausstattung von Banken hinterfragt. Die waren aber nicht das Hauptproblem – und deutliche höhere Kapitalanforderungen können die Kreditvergabe und somit die Wirtschaft deutlich belasten.
„Ja, es ist Schaden entstanden und es sind auch immer noch Risiken im Markt. Die gute Nachricht: Mit Hilfe von einigen Stellhebeln können Banken und Sparkassen jetzt (re)agieren. Nicht nur, um Gefahr abzuwenden, sondern auch, um sich mittel- und langfristig als stabile Bank für ihre Kunden zu positionieren. Fehler und Risiken sehen, langsam auftauchen, Wunden lecken, Krone richten“, schließt Schneider.
HFM Webcast
Der HFM Webcast ist ein neues Format der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management (HFM). In einem Online-Podium werden aktuelle Themen aus der Finanzwelt aufgegriffen und mit Expertinnen und Experten diskutiert. Der HFM Webcast findet bei einem thematischen Anlass mit kurzer Vorlaufzeit statt und steht allen Interessierten offen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Die HFM als Bildungseinrichtung möchte mit diesem neuen Baustein zur finanziellen Allgemeinbildung bzw. fachlicher Weiterbildung beitragen.
Die Hochschule für Finanzwirtschaft & Management (HFM) ist eine private, staatlich anerkannte Hochschule mit Sitz in Bonn und versteht sich als Kompetenzzentrum für den Führungskräftenach-wuchs der Finanzwirtschaft. Alle ausbildungs- und berufsbegleitenden Studiengänge führen das Qualitätssiegel des Akkreditierungsrates. Der enge Austausch mit Finanzdienstleitungsunternehmen gewährleistet eine zukunftsfähige Fach- und Führungskräftequalifizierung durch die Bachelor- und Master-Studiengänge aber vor allem auch durch vielfältige wissenschaftliche Weiterbildungsangebote. Somit versteht sich die HFM als Ort des lebenslangen Lernens für Finanzdienstleister. www.s-hochschule.de
Originalpublikation:
https://www.s-hochschule.de/news/pressemeldungen/online-podium-zur-lage-in-der-finanzwelt-ueber-hohe-wellen-und-die-zeit-zum-auftauchen.html
Weitere Informationen:
https://youtu.be/8eWubxnWA1U Video-Ausschnitt der Online-Podiumsdiskussion (Fazit von Dr. Ulrich Kater)