Öffentliche Unternehmen müssen vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen ihre Resilienz beweisen und weiter ausbauen
Zahlreiche Expertinnen und Experten aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik trafen sich auf der 10. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, um über öffentliche Unternehmen in Krisenzeiten zu diskutieren und die damit verbundenen Chancen für Städte und Kommunen sowie Bund und Länder aufzuzeigen.
Nachdem die Tagungsreihe pandemiebedingt die vergangenen zwei Jahre virtuell stattfinden oder gar im Jahr davor ausfallen musste, konnte sie nun wieder in Präsenz in der nunmehr 10. Auflage fortgesetzt werden. Bedingt durch die Warnstreiks im öffentlichen Personenverkehr wurde die Veranstaltung hybrid angeboten. Prof. Dr. Michèle Morner konnte dennoch fast alle Expertinnen und Experten aus Verwaltung, Beratung und Wissenschaft in Präsenz in der Aula der Universität Speyer begrüßen. In diesem Jahr diskutierten die Teilnehmenden der Tagung schwerpunktmäßig über die Herausforderungen, die sich aus wie der Energie-Krise, dem Ukraine-Krieg oder der Corona-Krise ergeben und wie diese in Kombination mit Megatrends wie der Digitalisierung, Mobilitätswende und Nachhaltigkeit genutzt werden können. Im Mittelpunkt der Tagung standen deshalb die Auswirkungen der multiplen Krisen auf das Beteiligungsmanagement, der Digitalisierung für eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge, Steuerung unter Berücksichtigung unter ESG-Kriterien („Environmental, Social, Governance“), sowie Corporate Governance in Krisenzeiten. Das übergreifende Motto war: „Aus der Poly-Krise die Poly-Chance“.
Die Tagung wurde von Simone Schneider, Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Innenministerium eröffnet, die kurzfristig den rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling vertrat. Sie führte aus, dass öffentliche Unternehmen vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen ihre Resilienz bewiesen haben und gegenwärtig eine Renaissance erleben. Anschließend skizzierte Dr. Matthias Cord, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes bei der Thüga AG, München, die Zeitenwende in der Energieversorgung. Er verwies auf das „toxische Dreieck“ zwischen Energiewirtschaft, Verwaltung und Politik. Toxisch nannte er es deshalb, weil die Energiewirtschaft mit zunehmender Regulierung zu kämpfen hat, die gleichzeitig die Verwaltungsprozesse verlangsamt. Ursache sind die immer neuen Gesetze, die die Politik beschließt. Letztlich müssen die Komponenten Klimaschutz, Preise und Versorgungssicherheit zukünftig so harmonisiert werden, dass die Energiewende gelingt.
Neben der Energiewende stellt nach wie vor die Digitalisierung eine der dominanten Herausforderungen und Megatrends dar. Die sich daraus ergebenden Chancen diskutierten unter der Leitung von Professor Hill Professor Klaus-Michael Ahrend von der HEAG Holding AG und Praxis-Vorstand Expertenkommission Deutscher Public Corporate Governance-Musterkodex, Tim Arnold de Almeida, Partner des Beratungsunternehmens Oliver Wyman und Lars Scheider, der Leiter des Beteiligungsmanagements der Stadt Frankfurt am Main. Im Rahmen der Diskussion wiesen sie darauf hin, dass die Digitalisierung nie einen Selbstzweck darstellen sollte, sondern dass darüber hinaus auch die Anpassung von Prozessen mitgedacht werden muss. Denn nur resiliente Organisationen sind in der Lage, sich an Krisen anzupassen und gestärkt daraus hervorzugehen. Im Anschluss hatten die Teilnehmerinnen und die Teilnehmer die Gelegenheit die Themen der Podiumsdiskussion in Workshops mit den Referenten zu vertiefen und dabei individuelle Impulse für die eigene Organisation zu erhalten. Der erste Konferenztag wurde durch den brillanten Keynote-Vortrag von Professor Theisen abgeschlossen. Darin ging er auf die Gefahr ein, die entsteht, wenn sich Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitgliedern als „Mit-Unternehmer“ oder Sparringspartner verstehen.
Der zweite Konferenztag wurde durch einen Vortrag von Ministerialdirektor Stefan Ramge, Abteilungsleiter Beteiligungen, Bundesimmobilien und Privatisierungen im Bundesministerium der Finanzen, eröffnet. In seinem Vortrag widmete er sich Unternehmenspotenzialen durch moderne Governance-Systeme und die Rolle des Kodex in Krisenzeiten. Anschließend stellten Dr. Viktoria Kickinger, CEO und Directors Academy und Dr. Konrad Adenauer von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft ein Projekt zur Weiterbildung von Aufsichtsräten vor.
Im Rahmen eines Berater-Podiums diskutierten Dr. Ferdinand Schuster, Geschäftsführer des Instituts für den öffentlichen Sektor e. V.; KPMG, Marie Catherine Dollhofer, Senior Managerin Climate Change and Sustainability Services bei Ernst & Young und Irina Leibold, Senior Managerin bei PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH, die von den Finanzmärkten ausgehenden Kriterien für eine nachhaltige Unternehmensführung. Diese sind unter der Abkürzung ESG bekannt, die für Environmental, Social und Governance steht. Die Diskutanten wiesen auf die Wichtigkeit der Kriterien für öffentliche Unternehmen hin und diskutierten die praktischen Auswirkungen. Im Anschluss daran konnten die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Diskussion mit den Beratern in Workshops vertiefen.
Die Auswirkungen der aktuellen Krisen auf kommunale Beteiligungsunternehmen und das Beteiligungsmanagement führte André Tegtmeier, Geschäftsführer Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH (bbvl), in seinem Vortrag aus und verwandte hierfür das Bild der schwarzen Schwäne. Wie die Energiewende konkret vor Ort gelingen kann und welche Hürden dabei zu überwinden sind, war Gegenstand einer von Michael Bleidt, Geschäftsführer der VKU Landesgruppe Rheinland-Pfalz, geleiteten Podiumsdiskussion. Daran nahmen Wolfgang Kressel, Geschäftsführer der Stadtwerke Mühlheim am Main GmbH, Arndt Müller, Vorstand der Stadtwerke Trier und Dr. Christine Wilcken, Leiterin des Dezernats Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz beim Deutschen Städtetag teil.
Neben den Fachbeiträgen ist die bestehende Möglichkeit des Austauschs und der Vernetzung eines der hervorstechenden Merkmale der Tagung, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch in diesem Jahr wieder in der Atmosphäre der Universität Speyer nutzten. Die 11. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance wird im kommenden Frühjahr am 15./16. April 2024 unter der Leitung von Prof. Dr. Michèle Morner (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) stattfinden.
Kontakt und weitere Informationen zur Tagung:
Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 1409 - 67324 Speyer, Freiherr-vom-Stein-Straße 2 , D-67346 Speyer, Telefon: +49 (0) 6232 654-275, Telefax: +49 (0) 6232 654-279, E-Mail: morner@uni-speyer.de