Im Auftrag der Vielfalt - Neu entdeckte Wespenart nach Ministerpräsident Winfried Kretschmann benannt
Die Erforschung neuer Arten wird durch den voranschreitenden Verlust der Biodiversität zum Wettlauf gegen die Zeit. Im Rahmen der Landesinitiative „Integrative Taxonomie“ widmet sich das Naturkundemuseum Stuttgart der Erfassung der Tier- und Pflanzenarten in Baden-Württemberg. Dass es selbst in Deutschland noch viel zu entdecken gibt, zeigt eine Wespe, die Marina Moser, Doktorandin am Naturkundemuseum Stuttgart in Baden-Württemberg entdeckt und nach Ministerpräsident Winfried Kretschmann benannt hat: Die neue Wespenart trägt den Namen Aphanogmus kretschmanni. Im Naturkundemuseum Stuttgart wurde die neue Art heute vorgestellt und dem Ministerpräsidenten ein Modell der Wespe überreicht.
Die Erforschung neuer Arten wird durch den voranschreitenden Verlust der Biodiversität zunehmend zum Wettlauf gegen die Zeit. Im Rahmen der Landesinitiative „Integrative Taxonomie“ widmet sich das Naturkundemuseum Stuttgart verstärkt der Erfassung der Tier- und Pflanzenarten in Baden-Württemberg. Dass es selbst in Deutschland noch viel zu entdecken gibt, zeigt eine zuvor unbekannte Wespe, die Marina Moser, Entomologin und Doktorandin am Naturkundemuseum Stuttgart in Baden-Württemberg entdeckt und nach Ministerpräsident Winfried Kretschmann benannt hat: Die neue Wespenart trägt den Namen Aphanogmus kretschmanni. Im Rahmen der Veranstaltung „Im Auftrag der Vielfalt“ im Naturkundemuseum Stuttgart am 27.04.2023 wurde die neue Art vorgestellt und dem Ministerpräsidenten ein Modell der Wespe überreicht.
„Neben der persönlichen Ehre der Benennung freut es mich einfach sehr, dass mit der Entdeckung der neuen Art die Landkarte der bisher noch unbekannten Insekten nicht mehr ganz so weiß ist. Deshalb haben wir im Land die Initiative Integrative Taxonomie aufgelegt. Sie hilft uns, Arten neu zu entdecken, zu bestimmen und Zusammenhänge zwischen ihnen zu verstehen. Denn wir können die Artenvielfalt nur bewahren, wenn wir überhaupt wissen, welche Arten wir haben. Darum ist diese Arbeit so wertvoll“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
„Auch das Wissen um die Artenvielfalt droht auszusterben: Artenkennerinnen und Artenkenner stehen auf der Roten Liste. Doch Artenwissen ist Grundlage für einen effektiven Naturschutz und für das gezielte Management unserer Schutzgebiete. Mit ihrem umfangreichen Programm zur Fort- und Weiterbildung macht die Umweltakademie Nachwuchs-Artenkennerinnen und Artenkenner fit für die ehrenamtliche und professionelle Arbeit im Naturschutz“, erklärte Umweltministerin Thekla Walker.
Auch das Naturkundemuseum Stuttgart und die Universität Hohenheim engagieren sich stark in der taxonomischen Forschung und Lehre zum Schutz der biologischen Vielfalt. „Die Sammlungen als Archive des Lebens bilden die Grundlage unserer Forschung am Naturkundemuseum. Wie spannend die Forschung an der unbekannten Artenvielfalt vor der Haustür sein kann, zeigt unsere Entdeckung von Aphanogmus kretschmanni. Doch wir erfassen und analysieren nicht nur die Artenvielfalt, sondern bilden im Rahmen der Landesinitiative Integrative Taxonomie auch den wissenschaftlichen Nachwuchs aus“, so Prof. Dr. Lars Krogmann, der Direktor des Naturkundemuseums Stuttgart.
Die neu entdeckte parasitoide Wespe ist eine echte Baden-Württembergerin. Die neue Art wurde von den Wissenschaftler*innen des Museums inzwischen an drei Standorten auf Streuobstwiesen im Land gefunden. Parasitoide Wespen halten durch ihre Lebensweise als Gegenspieler anderer Insekten die Ökosysteme im Gleichgewicht, sind durch die Abhängigkeit von bestimmten Wirtsinsekten aber überproportional vom Insektensterben betroffen. Umso mehr freut die Forschenden die Entdeckung der neuen Wespenart, die zudem durch besondere Merkmale gekennzeichnet ist. Durch eine Reihe auffälliger Stacheln am Hinterleib unterscheidet sich das kleine Insekt von allen bisher bekannten Arten. Das Funktionsprinzip solcher ungewöhnlichen Strukturen könnte in Zukunft, so die Wissenschaftler*innen, beispielsweise in der Bionik als hocheffizientes Werkzeug zur Anwendung kommen.
„Mit der Benennung der neuen Wespe nach Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann möchten wir seine wissenschaftliche Neugier und seinen unermüdlichen Einsatz für den Erhalt der Biodiversität ehren. Sein Engagement für die Landesinitiative „Integrative Taxonomie“ hat die Biodiversitätsforschung in Baden-Württemberg deutlich vorangebracht. Die Wespe Aphanogmus kretschmanni ist hoffentlich erst der Anfang von vielen großen Entdeckungen vor Ort”, sagte Marina Moser.
Die Bedeutung der Vernetzung von Forschung und Lehre im Bereich Taxonomie sowie der Ausbildung von Artenschutzfachleuten betonten auch Prof. Dr. Johannes Steidle, Direktor des Biologischen Instituts der Universität Hohenheim und Vorstand von KomBioTa, Michael Eick, Leiter der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg, Prof. Dr. Lars Krogmann und Marina Moser bei einem Podiumsgespräch, das im Rahmen der Veranstaltung stattfand. Dies seien wichtige Voraussetzungen, um dem dramatischen Rückgang von Tier- und Pflanzenarten entgegenzuwirken. Die Landesinitiative „Integrative Taxonomie“ habe hierfür entscheidende Grundlagen geschaffen.
Über aktuelle Forschungs- und Citizen Science-Projekte haben sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Ministerin Thekla Walker bei einem anschließenden Besuch der wissenschaftlichen Insektensammlung des Naturkundemuseums Stuttgart informiert.
Weitere Informationen:
Landesinitative Integrative Taxonomie:
Die Landesinitiative "Integrative Taxonomie" soll dem dramatischen Rückgang von Tier- und Pflanzenarten entgegenwirken, indem sie die Artenkenntnisse und die Ausbildung von Artenschutzfachleuten fördert. Die Landesregierung Baden-Württembergs geht damit eines ihrer zentralen politischen Anliegen an. Die Initiative, die das Land im November 2019 gestartet hat, besteht aus zwei Säulen: dem Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa), das von der Universität Hohenheim und dem Naturkundemuseum Stuttgart getragen wird und die taxonomische Lehre und Forschung stärkt sowie dem Fort- und Weiterbildungszentrum für Taxonomie und biologische Vielfalt, zu dem die Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg als praxis- und zielgruppenorientiert arbeitende Institution ausgebaut wurde. Insgesamt unterstützt die Initiative Kooperationen zwischen Institutionen, fördert die Artenkenntnis, verbessert die Identifizierung und Beschreibung neuer Arten und trägt dazu bei, die Öffentlichkeit für die Bedeutung der Taxonomie und der biologischen Vielfalt zu sensibilisieren.
https://kombiota.uni-hohenheim.de
https://umweltakademie.baden-wuerttemberg.de
https://www.naturkundemuseum-bw.de
Taxonomie:
Taxonomie ist das wissenschaftliche Fachgebiet der Klassifizierung, Beschreibung und Benennung von Lebewesen. Taxonom*innen sind Artenkenner*innen mit besonderem Fachwissen zu einer bestimmten Gruppe von Tieren, Pflanzen oder Pilzen. Oft arbeiten sie mit Vergleichssammlungen, die als Grundlage dienen, um Lebewesen richtig zu bestimmen und sie mit ähnlichen Arten zu vergleichen. In der Vergangenheit erforschten Taxonom*innen die Arten oft allein anhand des äußeren Aussehens. Modernen Taxonom*innen stehen heute deutlich mehr Möglichkeiten zur Verfügung: neben dem äußeren (morphologischen) Erscheinungsbild kommen Analysen des Verbreitungsgebiets und ökologischer Daten, wie beispielsweise Nahrung oder Nistweise hinzu. Außerdem kommen biochemische Methoden wie die Analyse von Duftstoffen und molekulare Daten, also Gen-Analysen, zum Einsatz. Diese multiperspektivische Herangehensweise bezeichnet man auch als „integrative Taxonomie”.
Entomologie:
Der aus dem Griechischen stammende Begriff “Entomologie” beschreibt die Insektenkunde, die wissenschaftliche Erforschung der Insekten.
Steckbrief der Wespe Aphanogmus kretschmanni:
Aphanogmus kretschmanni wurde von der Doktorandin Marina Moser und ihren Kolleg*innen vom Naturkundemuseum Stuttgart und vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erstmals entdeckt, formal beschrieben und genetisch analysiert. Die 1 mm kleine Wespe unterscheidet sich von allen anderen Wespen durch eine Reihe außergewöhnlicher Stacheln an der Unterseite des Hinterleibs. Wie alle Parasitoide legen diese Wespen ihre Eier in oder an ein Wirtsinsekt, welches die Wespenlarve im Laufe ihrer Entwicklung verzehrt. Was zunächst makaber klingt, gehört zu den wichtigsten ökosystemaren Dienstleistungen überhaupt: Parasitoide halten unsere Ökosysteme im Gleichgewicht. Die Wespen der Familie Ceraphronidae, die keinen deutschen Namen hat und zu der auch die neue Art gehört, sind bisher so wenig erforscht, dass Informationen zu ihren Wirtsinsekten nur bei einem Drittel der Arten bekannt sind. Inzwischen fand das Stuttgarter Team Exemplare von Aphanogmus kretschmanni baden-württembergweit in Naturschutzgebieten in den Landkreisen Tübingen und Karlsruhe sowie im Enzkreis. Durch die Beschreibung und die Veröffentlichung der Gensequenz und des 3D-Modells in online-Datenbanken kann Aphanogmus kretschmanni zukünftig zuverlässig bestimmt und in internationalen Forschungsprojekten weiter untersucht werden.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Marina Moser
Naturkundemuseum Stuttgart
Abteilung Insektenkunde
E-Mail: marina.moser@smns-bw.de
Originalpublikation:
Moser, M., Ulmer, J. M., van de Kamp, T., Vasilița, C., Renninger, M., Mikó, I., & Krogmann, L. (2023). Surprising morphological diversity in ceraphronid wasps revealed by a distinctive new species of Aphanogmus (Hymenoptera: Ceraphronoidea). European Journal of Taxonomy, 864(1), 146-166.
DOI: https://doi.org/10.5852/ejt.2023.864.2095
Weitere Informationen:
https://kombiota.uni-hohenheim.de
https://umweltakademie.baden-wuerttemberg.de
https://www.naturkundemuseum-bw.de