15-Jahres-Langzeitbeobachtung: Strahlentherapie hat das beste Nutzen-Risiko-Profil bei lokal begrenztem Prostatakrebs
Bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen gibt es mehrere Behandlungsoptionen, die „aktive Surveillance“, die Operation oder die Strahlentherapie. Ein 15-Jahres-Follow-up zeigte [1], dass die prostatakrebsspezifische Mortalität bei allen drei Optionen vergleichbar niedrig ist. Dennoch kam es unter aktiver Überwachung signifikant häufiger zum Fortschreiten der Krebserkrankung, was die Qualität der verbleibenden Lebenszeit stark beeinträchtigt. Vertreterinnen des DEGRO-Präsidiums betonen, dass die Strahlentherapie im Hinblick auf die Nutzen-Risiko-Bewertung die beste Bilanz aufweist: Sie verhindert Rückfälle ebenso gut wie die OP, ist aber gleichzeitig nebenwirkungsärmer.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. In der Mehrzahl erfolgt die Diagnose in einem frühen Stadium, so dass die Heilungsaussichten sehr gut sind. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei ca. 89%; die 10-Jahres-Überlebensrate bei 88%. Vor dem 50. Lebensjahr ist die Erkrankung selten, danach steigt das Risiko zunehmend an.
Wenn ein lokal (d.h. auf das Organ) begrenztes Prostatakarzinom diagnostiziert wird, sind unter Berücksichtigung der individuellen Gesamtsituation verschiedene Vorgehensweisen möglich. Dabei gelten die Strahlentherapie und die operative Entfernung der Prostata (Prostatektomie) als gleich-wertig bezüglich des Langzeitüberlebens bzw. der Heilungsaussichten. Eine weitere Option ist die sogenannte aktive Überwachung („Active Surveillance“), d.h. es wird zunächst abgewartet und in engmaschigen Kontrolluntersuchungen nach Hinweisen auf eine Tumorprogression gesucht (Tastuntersuchung, PSA-Anstieg, Bildgebung, Kontrollbiopsien). In diesem Fall oder sobald der Patient es wünscht, wird eine Therapie begonnen (mit kurativer Zielsetzung). Darüber hinaus kann eine Anti-Hormonbehandlung bzw. Hormonentzugstherapie („Androgen-Deprivationstherapie“, ADT) erfolgen, um das Wachstum von Krebszellen zu hemmen.
Die Studie ProtecT („Prostate Testing for Cancer and Treatment Trial“) evaluierte die verschiedenen Therapieoptionen bei Patienten mit durch einen PSA-Test entdeckten, lokal begrenzten Prostatakrebs [1]. Von 1999-2009 erhielten 82.429 Männer an neun Zentren aus UK einen PSA-Test (Alter zum Zeitpunkt des Tests 50-69 Jahre), bei 2.664 wurde die Diagnose eines örtlich begrenzten Prostatakarzinoms gestellt. 1.643 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen und in drei gleichgroße Gruppen randomisiert (545 Patienten wurden der aktiven Überwachung, 553 der Prostatektomie und 545 der Strahlentherapie zugeführt).
Primärer Endpunkt war der Tod durch Prostatakrebs; sekundäre Endpunkte umfassten die Gesamtmortalität (Tod aller Ursachen), Metastasierung/Krankheitsprogression und Beginn einer langfristigen ADT (diese war ab einem PSA von 20 ng/ml in allen Gruppen möglich).
1.610 Patienten (98%) schlossen die Nachbeobachtungszeit ab, sie lag median bei 15 (11-21) Jahren. Die Gesamtmortalität betrug während des Follow-ups 21,7% (356 Patienten); 45 Männer (2,7%) verstarben an dem Prostatakarzinom, davon 17 (3,1%) in der Überwachungsgruppe, 12 (2,2%) in der OP-Gruppe und 16 (2,9%) und in der Strahlentherapie-Gruppe. Im Gesamtvergleich waren die Unterschiede statistisch nicht signifikant (p=0,53). Bei aktiver Überwachung lebten am Ende des Follow-ups 133/545 Männer, also ein Viertel aus der Gruppe (24,4 %) ohne Behandlung des Prostatakarzinoms, d.h. sie wurden während des Follow-ups überhaupt keiner Therapie zugeführt. Die Gruppenzuteilung, der PSA-Ausgangswert, Tumorstadium, Malignitätsgrad bzw. Risikostratifizierung hatten keinen Einfluss auf den primären Endpunkt.
Eine lokale Progression wiesen 259 Männer auf (15,8%); in der Überwachungsgruppe 141/545 (25,9%), in der OP-Gruppe 58/553 (10,5%) und in der Strahlentherapie-Gruppe 60/545 (11%). Zu Metastasen kam es in der Überwachungsgruppe bei 51 Patienten (9,4%), in der OP-Gruppe bei 26 (4,7%) und in der Bestrahlungs-Gruppe bei 27 (5%). Bei 104 Männern (6,3%) kam es zu Metastasen: 51 (9,4%) in der Gruppe mit aktiver Überwachung, 26 (4,7%) in der Prostatektomie-Gruppe und 27 (5,0%) in der Strahlentherapie-Gruppe. In der Überwachungsgruppe erhielten 69 (12,7%), in der OP-Gruppe 40 (7,2%) und in der Strahlentherapie-Gruppe 42 (7,7%) Patienten eine ADT.
„Die Studie zeigte, dass die aktive Therapie, sei es Strahlentherapie oder Operation, zwar nicht zu einem längeren Leben, aber zu einer längeren progressionsfreien Überlebenszeit geführt haben, was mit einer deutlich besseren Lebensqualität einhergeht. Besonders spannend ist für uns, dass sich auch nach 15 Jahren beim lokal begrenztem Prostatakarzinom kein Unterschied zwischen Strahlentherapie und OP hinsichtlich Metastasierung und Überleben gezeigt hat, beide Therapieverfahren waren in der Langzeitbeobachtung gleichwertig“, kommentiert Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). „Die Strahlentherapie, allerdings, bringt diesen Vorteil ohne ‚hohe Kosten‘ – sie ist deutlich nebenwirkungsärmer als die Operation.“ Die Vorteile der Strahlentherapie seien, dass Narkose- und OP-Risiken entfallen, außerdem seltener Harninkontinenz und Potenzstörungen als Langzeitfolgen der Therapie auftreten [2], welche die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
„Nach der aktuellen Datenlage ist die Radiotherapie somit das beste Verfahren bei lokal begrenztem Prostatakrebs. Sie bietet mehr Sicherheit vor einem Rückfall als die alleinige aktive Überwachung und ist im Hinblick auf die Rückfallrate und das Gesamt- sowie progressionsfreie Überleben absolut vergleichbar mit der Operation – geht aber mit deutlich weniger Nebenwirkungen bzw. Langzeitfolgen einher“, kommentiert Prof. Cordula Petersen, Hamburg, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. „Es ist wichtig, dass Patienten in dieser Situation von den behandelnden Urolog*innen über diese Therapievorteile informiert werden.“
[1] Hamdy FC, Donovan JL, Lane JA et al. Fifteen-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med 2023 Mar 11. doi: 10.1056/NEJMoa2214122. Online ahead of print.
[2] Donovan JL, Hamdy FC, Lane JA et al.; for the ProtecT study group. Patient-Reported Outcomes 12 Years after Localized Prostate Cancer Treatment. NEJM Evid 2023;2(4). Published March 11, 2023.
DOI: 10.1056/EVIDoa2300018
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Originalpublikation:
doi: 10.1056/NEJMoa2214122