Studie zeigt: Frauen weltweit unterrepräsentiert in Sport- und Bewegungsmedizin
Prof. Daniel Belavy: „Die Ungleichverteilung ist schädlich und verhindert wissenschaftlichen Fortschritt“
Frauen sind weltweit unterrepräsentiert im Bereich der Sport- und Bewegungsmedizin. Das hat ein Team aus internationalen Wissenschaftler*innen in einer Studie herausgefunden, die nun im britischen BMJ Open Sports & Exercise Medicine Journal veröffentlicht wurde. Demnach sind weniger als 20 Prozent der Mannschaftsärzt*innen professioneller Sportteams Frauen. In der Forschung sieht es ähnlich aus: Weniger als 25 Prozent der Erst- und Letztautor*innen wissenschaftlicher Veröffentlichungen und der Führungspositionen in Fachzeitschriften der Sportwissenschaft sind weiblich.
„Komplett männlich besetzte Podiumsdiskussionen und ausschließlich männliche Keynote-Speaker sind in der Sport- und Bewegungsmedizin noch immer gang und gäbe“, sagt der Letztautor der Studie, Prof. Dr. Daniel Belavy von der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum. „Frauen erfahren in der Branche hingegen oftmals mangelnden Respekt. So wird beispielsweise das Urteilsvermögen von Sportmedizinerinnen häufiger in Frage gestellt als das ihrer männlichen Kollegen. Auch sexuelle Belästigung ist ein Problem.“ An der Publikation beteiligt waren zudem Expert*innen aus Gesundheitsbranche und Sportwissenschaft in Australien, Neuseeland, den USA, Kanada, Costa Rica, Brasilien, Kenia, Südafrika, den Niederlanden, Schweden, Frankreich, Lettland, Zypern, Norwegen, Großbritannien und der Schweiz.
„Der Mangel an Frauen betrifft viele Fachbereiche in der Sport- und Bewegungsmedizin“, so Daniel Belavy. „Das fängt bei den Teilnehmenden an wissenschaftlichen Studien an, die auch meist eher männlich besetzt sind, und betrifft genauso Ärzt*innen in Krankenhäusern und Wissenschaftler*innen.“ Wenn aber positive Vorbilder fehlten, sei es schwer, der Ungleichheit zu begegnen. „Diesen Kreislauf muss die Branche durchbrechen“, findet Belavy. „Die Ungleichverteilung ist schädlich und verhindert oftmals wissenschaftlichen Fortschritt.“ So gebe es noch immer große Wissenslücken in wichtigen Forschungsbereichen wie der sportlichen Leistung von Frauen oder ihrer kardiovaskulären und muskuloskelettalen Gesundheit.
„Es ist wichtig, die Unterrepräsentation zunächst einmal anzuerkennen, um daran arbeiten zu können”, so Belavy. Der Mangel an weiblichen Vorbildern könne sonst dazu führen, dass der Kreislauf der geschlechtsspezifischen Voreingenommenheit in der Sport- und Bewegungsmedizin weiterbestehe und an die nächste Generation der Fachkräfte weitergegeben werde.
Um das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in Praxis und Forschung der Sport- und Bewegungsmedizin zu beseitigen, empfehlen die Autor*innen eine Reihe von Maßnahmen für Berufsverbände und akademische Einrichtungen in diesem Fachgebiet. Dazu gehören:
• Aufbau einer Kultur des Bewusstseins, der Exzellenz und der Inklusion durch Bildung, Schulung und offene Diskussionen, familienfreundliche Maßnahmen, Mentoring und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten
• Förderung der Integration von Frauen in der Sportmedizin, unter anderem indem Führungskräfte Geschäftspraktiken verfolgen, die die Vielfalt verbessern, auch bei Einstellungen und Beförderungen
• Förderung der Einbeziehung und Beteiligung von Frauen an Forschung, Veröffentlichungen und Konferenzen durch Berücksichtigung der Vielfalt in allen Phasen der Forschung und Veröffentlichung, auch bei den Gutachter*innen, und durch stärkere Vertretung von Frauen und diversen Personen als Redner*innen und Teilnehmende
• Anerkennung der Tatsache, dass eine größere Vielfalt sowohl den Fachkräften im Gesundheitswesen als auch den Patient*innen zugutekommt, da dadurch unterschiedliche Qualitäten, Fähigkeiten und Erfahrungen hinzugewonnen werden.
• Förderung des Einsatzes von Technologien zur Stärkung der Rolle der Frauen
• Arbeit gleichmäßig verteilen
• Einrichtung von anonymen Meldeplattformen für Mikroaggressionen, Mobbing, Belästigung, Diskriminierung sowie von Maßnahmen, um solche Verhaltensweisen zu verhindern
Anderson N, Robinson DG, Verhagen E, , Fagher K, Edouard P, Rojas-Valverde D, Ahmed OH, Jederström M, Usacka L, Benoit-Piau J, Foelix CG, Okoth C, Tsiouti N, Moholdt T, Pinheiro LSP, Hendricks S, Hamilton B, Magnani RM, Badenhorst M, Belavy DL: Under-representation of women is alive and well in sport and exercise medicine: what it looks like and what we can do about it
BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2023; doi 10.1136 / bmjsem-2023-001606
Link zur Studie: https://bmjopensem.bmj.com/content/9/2/e001606.full
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Daniel Belavy, Tel. +49 234 77727-632, daniel.belavy@hs-gesundheit.de
Originalpublikation:
https://bmjopensem.bmj.com/content/9/2/e001606.full