Die Wanderung der Lachse hat begonnen – Die BfG untersucht das Verhalten von Lachsen und anderen Fischen
Seit Ende März schwimmen die „Jung-Lachse“ aus der Sieg, einem Nebenfluss des Rheins, in Richtung Meer. Wehre, Schleusen und Wasserkraftanlagen stehen den Tieren dabei im Weg. Wissenschaftler/-innen der BfG nutzen die Wanderung, um das Verhalten der Fische bei der Passage solcher Querbauwerke besser zu verstehen.
Gezählt wurden die Fische an der Wasserkraftanlage Unkelmühle/Sieg durch Forschende im Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG). Bei den seit dem 23.03.2022 nächtlich stattfindenden Kontrollen (ca. zwei Mal pro Woche) erfassten die Forschenden in den vergangenen zwölf Monaten 31 Fischarten. Bislang gingen den Fachleuten mehr als 60.000 Tiere ins Netz. In 2022 waren darunter mehr als 3.500 Junglachse (Smolts), die sich von März bis Juni in Richtung Meer wanderten.
Wanderung mit Hindernissen
Dass Fische über längere Strecken überhaupt flussabwärts schwimmen können, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn Querbauwerke, wie Wehre, Schleusen und Wasserkraftanlagen stehen diesen Wanderungen im Weg. Während die Reise flussaufwärts – von Fachleuten als „Fischaufstieg“ bezeichnet – über spezielle Bauwerke (Fischtreppen) erfolgen kann, sind für den sog. Fischabstieg noch viele Fragen offen: Wie erfolgt die Abwanderung und welche Schwimmhorizonte (oberflächennah, am Gewässergrund) nutzen flussabwärts wandernde Fische? Die mit der Untersuchung betrauten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen für die BfG herausfinden, wo und in welcher Wassertiefe sie den abwandernden Fischen sichere Abstiegskorridore anbieten müssen. Dabei richtet sich der Fokus neben den Lachsen vor allem auf die abwandernden Cypriniden (karpfenartige Fische, wie z. B. Nase, Aland, Plötze oder Ukelei). „Wir hoffen auf neue Erkenntnisse zum Abwanderverhalten dieser Flussfischarten, über die viel weniger bekannt ist als über den Lachs“, erklärt der BfG-Biologe Dr. Detlev Ingendahl, der maßgeblich an der Untersuchung beteiligt ist. Eine endgültige Auswertung der umfangreichen Daten liegt voraussichtlich im Jahresverlauf vor.
Der Betreiber RWE und das Land NRW haben die Wasserkraftanlage Unkelmühle ab 2011 im Rahmen des Wanderfischprogramms Nordrhein-Westfalen schrittweise mit speziellen Fischschutz- und Abstiegseinrichtungen ausgestattet. Die Pilotanlage besitzt zudem spezielle Fangkammern, mit deren Hilfe die Forschenden der BfG die Fische schonend erfassen können. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl der bisher kontrollierten Fische an der Sieg entlang der Wasseroberfläche wanderte. „Nur wenige Arten, die am Gewässergrund leben, nutzen die in der Tiefe installierten Abstiegswege“, sagt Detlev Ingendahl.
Ökologische Durchgängigkeit der Bundeswasserstraßen herstellen
Die Erkenntnisse der Untersuchung an diesem Nebenfluss des Rheins sollen genutzt werden, um den Fischabstieg an den mehr als 200 Wehren in den Bundeswasserstrassen verbessern zu können. Eine wichtige Voraussetzung, damit die großen Flüsse in Deutschland wieder einen guten ökologischen Zustand bzw. ein gutes ökologisches Potenzial erreichen und so die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen. Ein wichtiges Ziel dafür ist es, die ökologische Durchgängigkeit wiederherzustellen, d.h. die Trennung der Lebensräume durch Querbauwerke zu vermindern, damit Fische und wirbellose Kleinlebewesen wieder ungehindert stromauf und stromab zwischen ihren typischen Nahrungs-, Laich- und Rückzugslebensräumen wandern können.
Als Eigentümer der Bundeswasserstraßen ist die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) für die ökologische Durchgängigkeit an den von ihr betriebenen Anlagen zuständig. Die BfG und die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) beraten die WSV bei der Planung, Umsetzung und Qualitätssicherung der erforderlichen Maßnahmen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Detlev Ingendahl, Dipl.-Biologe
E-Mail: ingendahl@bafg.de