Transparenz von Pharmasponsoring für Patient:innen-Initiativen deutlich gestiegen
Ein aktuelles Monitoring des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) zeigt, dass die Mitgliedsunternehmen der PHARMIG im Jahr 2021 ihre finanziellen Zuwendungen an Patient*innen-Initiativen deutlich häufiger offengelegt haben als im Vergleich zu 2019. „Auf Seiten der Patient:innen-Organisationen mangelt es allerdings nach wie vor an Transparenz und damit an Problembewusstsein“, kritisiert Claudia Wild, Geschäftsführerin des AIHTA.
Zu Patient:innen-Initiativen zählen etwa Selbsthilfegruppen oder Organisationen wie die PH Austria - Initiative Lungenhochdruck, die Österreichischen Hämophilie Gesellschaft (ÖHG), Diabetes-, Aids- oder Hepatitis-Hilfe. Sie dienen als Anlaufstelle für Betroffene und sollen beispielsweise die Anliegen und Interessen der Patient:innen gegenüber Krankenkassen oder bei der Formulierung von Leitlinien für die Behandlungen von Erkrankungen vertreten. Darüber hinaus gehört die Beratung, die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung oder die Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen zu den Kernaufgaben.
Durch die zunehmende Professionalisierung von Patient:innen-Initiativen steigt auch ihr Bedarf an finanziellen Mitteln, der häufig durch Sponsoring von Pharmaunternehmen gedeckt wird. Um diese Geldflüsse transparenter zu gestalten, hat die Pharmaindustrie mit einer Selbstverpflichtung zur Offenlegung reagiert. Seit dem Jahr 2014 erstellt das AIHTA ein Monitoring dieser Geldflüsse und kann so etwaige Interessenskonflikte sichtbar machen. Nun ist der fünfte Bericht des Monitorings erschienen, der die finanziellen Zuwendungen der Pharmabranche an diverse Patient:innen-Organisationen untersuchte.
Konkret machten im Jahr 2021 dem AIHTA-Bericht zufolge 90 der 115 PHARMIG-Mitgliedsunternehmen Angaben über finanzielle Zuwendungen an 117 Patient:innen-Initiativen. Darin sind auch 45 sogenannte „Nulldeklarationen“ enthalten, in denen angegeben wurde, dass es zu keinen geldwerten Leistungen an diverse Organisationen und Selbsthilfegruppen gekommen ist. Im Vergleich zu 2019 stieg damit die Offenlegungsquote von 34 Prozent auf 78 Prozent. Für die Studienautor:innen sei diese Entwicklung ein Beleg dafür, dass sich das regelmäßige Monitoring positiv auf die Bereitschaft der Pharmabranche zur Transparenz auswirkt.
Mangelndes Problembewusstsein der Patient:innen-Initiativen
Deutlich erhöht hat sich auch die Höhe der deklarierten Geldsumme von knapp 2,3 auf rund 2,7 Millionen Euro (+19 Prozent). Für die AIHTA-Analyse wurden die Websites aller 115 PHARMIG-Mitgliedsunternehmen auf Informationen zu finanziellem Sponsoring an Patient:innen-Initiativen untersucht. 2021 erhielt PHA Europe (European pulmonary hypertension association) mit knapp 252.000 Euro die höchsten Zuwendungen, zweitplatziert war die Österreichische Hämophilie Gesellschaft (ÖHG) mit rund 195.000 Euro.
Auf die sieben Krankheitsbereiche „Lungenerkrankungen, Hämato-Onkologie, Seltene Erkrankungen, Neurologie, Hämophilie, Darmerkrankungen und AIDS/HIV“ entfielen Geldflüsse über 100.000 Euro, zusammen erhielten sie fast 90 Prozent der individuell offengelegten Zuwendungen. „Es ist auffällig, dass besonders jene Patienten:innen-Initativen hohe Sponsoringbeträge erhalten, in denen es sehr teure Therapien gibt. So dürften beispielsweise die relativ großzügigen Zuwendungen auf dem Gebiet der Hämophilie nicht zuletzt mit der Entwicklung von neuen, kostenintensiven Gentherapien im Zusammenhang stehen. Der Preis pro Behandlung beläuft sich auf bis zu zwei Millionen Euro“, sagt Claudia Wild.
Während die Transparenz der Pharmabranche in diesem Bereich eindeutig gestiegen ist, legten die einzelnen Patient:innen-Initiativen kaum ihre erhaltenen Sponsoringbeträge offen. „Es ist nicht davon auszugehen, dass die Organisationen und Selbsthilfegruppen bewusst intransparent sind, vielmehr dürfte es an Problembewusstsein fehlen“, erklärt Claudia Wild. Den Studienautor:innen zufolge sei es aber wichtig, dass Patient:innen und ihre Angehörigen über mögliche Interessenskonflikte der Initiativen aufgeklärt werden, da sie ein Risiko für die Entstehung einer Verzerrung (Bias) darstellen. „Zur Unterstützung der öffentlichen Vertrauensbildung und der professionellen Integrität sind sie deshalb offenzulegen“, heißt es im AIHTA-Bericht abschließend.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Kontakt für Fragen und Interviews:
Austrian Institute for Health Technology Assessment
Priv. Doz. Dr. phil. Claudia Wild
Garnisongasse 7/20
1090 Wien
T +43 / 1 / 236 81 19-12
E-Mail: claudia.wild@aihta.at
Web: http://www.aihta.at
Kontakt für Fragen zur Veröffentlichung:
Mag. Günther Brandstetter; T +43 / 660 / 3126348
E-Mail: guenther.brandstetter@aihta.at
Originalpublikation:
Gregor-Patera N., Wild C. Sponsoring von Patient*innen-Initiativen in Österreich. 5. Update. AIHTA Policy Brief Nr.: 007; 2023. Wien: HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH. https://eprints.aihta.at/1443/