Ostseeküste unter der molekularbiologischen Lupe: TREC-Expedition zu Gast am Partnerinstitut IOW
Die internationale Forschungsexpedition TREC (kurz für: TRaversing European Coastlines) zur Erforschung der Wechselwirkungen von Land und Meer entlang der europäischen
Küstenökosysteme hat die deutsche Ostsee erreicht. Unter Federführung des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und der Tara Ocean Foundation liegt ihr Schwerpunkt auf modernsten molekularbiologischen Analysen als Grundlage für ein innovatives Umweltmonitoring. Aktuell macht TREC Stopp beim Kooperationspartner Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), das als ‚Basislager‘ die derzeitigen Arbeiten in der Ostsee unterstützt.
Gemeinsame Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
Forschungsexpedition TREC
Die europäischen Küsten sind reich an biologischer Vielfalt und stellen gleichzeitig wichtige Standorte für Industrie, Kultur und Kulturerbe dar. Vierzig Prozent der europäischen Bevölkerung leben in einer Küstenregion, und viele europäische Gesellschaften wurden und werden durch ihre Beziehungen zum Meer geprägt. Anthropogene Eingriffe wie Umweltverschmutzung, Landwirtschaft und Bauwesen sowie die Auswirkungen des Klimawandels führen jedoch zu einem beschleunigten Verlust der genetischen Artenvielfalt und zur Zerstörung funktionaler Ökosysteme.
Die kürzlich gestartete paneuropäische Forschungsexpedition TREC hat sich zum Ziel gesetzt, über zwei Jahre hinweg zu erkunden, wie sich sowohl natürliche als auch vom Menschen verursachte Faktoren wie Klimawandel und Umweltverschmutzung auf Küstenökosysteme auswirken. Dazu sammelt das Expeditionsteam entlang der europäischen Küsten in 22 europäischen Ländern an 120 Probenahmestellen zu Land und zu Wasser mit Unterstützung von über 70 Kooperationspartnern Boden-, Sediment-, Aerosol- und Wasserproben sowie ausgewählte Modellorganismen und zahlreiche Umweltdaten.
Startpunkt war Anfang April 2023 im französischen Roscoff in der Bretagne. Nach Probenahmestationen in Frankreich, Belgien, Dänemark und entlang der deutschen Nordseeküste beprobt die TREC-Expedition aktuell verschiedene Entnahmestellen in und an der deutschen Ostsee. Das IOW half mit seiner Ostsee-Expertise bei der Auswahl geeigneter Probenahmestellen und unterstützt die aktuelle Feldarbeit mit Personal und Laborkapazitäten im Institut.
„TREC bei uns zu Gast zu haben und ein so spannendes Forschungsvorhaben unterstützen zu können, ist eine große Freude und auch Ehre für das IOW“, kommentiert Heide Schulz-Vogt, stv. IOW-Direktorin den aktuellen TREC-Stopp in Warnemünde. „Für unsere eigenen Arbeiten ist TREC eine wunderbare Ergänzung, weil in unserem Arbeitsgebiet Ostsee zusätzliche umfangreiche, detaillierte Daten erhoben werden, die wir in Bezug zu unseren eigenen Beobachtungen setzen können“, so Schulz-Vogt.
„Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern entlang der TREC-Route wie dem IOW ist bereichernd und auch kritisch für den Erfolg der Expedition. Hier liegt die Kenntnis der lokalen Begebenheiten, und es liegt eine Fülle von Untersuchen der entsprechenden Küstenbereiche vor, die für die Expedition von unschätzbarem Wert ist. So können mit der speziellen molekularen Expertise und Technologie am EMBL nachhaltige Synergien entstehen“, ergänzt Detlev Arendt, EMBL-Gruppenleiter und Teil des TREC- oordinationsteams. Der europäische Rahmen der Expedition bringe auch die Notwendigkeit mit sich, überall Proben auf standardisierte Weise zu sammeln, und verbessere damit die Vergleichbarkeit von Forschungsdaten über den gesamten Kontinent. „Wo immer möglich, werden wir versuchen, regionale oder nationale Forschungsansätze über den gesamten Kontinent zu vernetzen“, unterstreicht Detlev Arendt.
Ein zentraler Forschungsansatz der TREC-Expedition ist die umfangreiche und systematische Analyse von Umwelt-DNA und weiterer molekularbiologischer Komponenten, die aus den zahlreichen Expeditionsproben isoliert werden. Die daraus gewonnenen Ergebnisse sollen in Beziehung zu den anderen während der Expedition gemessenen Parametern gesetzt werden. Die riesige, während der Expedition gewonnene Datenmenge soll es dann ermöglichen, Muster zu erkennen, wie veränderliche Umweltparameter die DNA und andere molekularbiologische Indikatoren der Küstenlebensgemeinschaften beeinflussen.
„Um die Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf die biologische Vielfalt in Küstengebieten besser zu verstehen, müssen wir uns um die molekularen und zellulären Grundlagen dieser Prozesse kümmern“, erläutert EMBL-Experte Detlev Arendt. „Wir wollen nachvollziehen, wie genau die Organismen in Ökosystemen miteinander interagieren, wie ihre Zellen auf bestimmte Signale reagieren, und was im Detail passiert, wenn äußere Belastungen auf ihre natürlichen Lebensräume einwirken“, betont Arendt.
„Die Land-, Luft- und Wasserproben enthalten Informationen zu Mitgliedern verschiedener Ökosysteme, von Viren und Bakterien bis hin zu Algen, Pflanzen und Tieren. So können wir Daten zu Faktoren wie Schadstoffen, Antibiotika, Pestiziden oder Hormonen sowie über Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoffgehalt sammeln,” ergänzt EMBL-Meeresbiologin Elisa Merz. Die Wissenschaftlerin untersucht als Teil des TREC-Probenentnahme-Teams die molekularen Grundlagen der Interaktionen zwischen den Arten, die Rolle der einzelnen Organismen in ihren Lebensräumen, und die Art und Weise, wie Organismen auf ihre Umwelt reagieren und diese gleichzeitig beeinflussen.
„Die ‚molekularbiologische Lupe‘ zur Analyse von Umweltveränderungen, mit der das TREC-Projekt arbeitet, ist ein hochinnovativer Ansatz für Umweltmonitoring, an dessen Weiterentwicklung wir auch hier am IOW arbeiten“, sagt Matthias Labrenz, Experte für Umweltmikrobiologie am IOW. Er leitet das Verbundprojekt OTC Genomics im Zukunftscluster Ocean Technology Campus Rostock, das mikrobielle Lebensgemeinschaften im Meer als Detektoren für Schadstoffbelastungen nutzen will. „Die Vision ist dabei, in Zukunft nicht mehr viele zeitaufwändige Analysen unterschiedlichster Umweltparameter ausführen zu müssen, um den Umweltzustand eines Meeresökosystems zu erfassen, sondern diesen direkt aus der Umwelt-DNA abzuleiten.“ Ein wesentlicher Schlüssel, um das Tor zu dieser Zukunft des Meeresschutzes zu öffnen, seien Methoden des Machine-Learnings aus dem Werkzeugkasten der Künstlichen Intelligenz, die in einem riesigen Datenmeer diejenigen DNA-Muster erkennen sollen, die Schadstoffbelastungen anzeigen. „Aktuell beproben wir zeitlich und räumlich sehr intensiv einen Ostsee-Küstenabschnitt, in dem auch TREC-Probennahmen stattfinden. Es wird daher für beide Seiten äußerst spannend sein, die Ergebnisse im gemeinsamen Kontext zu betrachten,“ schließt Matthias Labrenz.
TREC: Eine paneuropäische Expedition zur Untersuchung von Küstenökosystemen
Das vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL), der Tara Ocean Foundation, dem Tara Oceans Konsortium und mehr als 70 weiteren Partnerinstitutionen konzipierte Programm TREC bringt das interdisziplinäre Fachwissen von 150 Forschungsgruppen zusammen. TREC stützt sich dabei auf die Ressourcen, Infrastruktur, Wissen und Erfahrung des EMBL. Diese schließen zum Beispiel neue mobile EMBL-Labors, die entlegene Orte anfahren können, sowie ein umfangreiches Netz europäischer Partnereinrichtungen mit ein.
Die mobilen EMBL-Labors beinhalten modernste Lichtmikroskopie, Probenvorbereitung für (Kryo)-Elektronenmikroskopie und Single Cell Sequencing. Außerdem werden fortschrittliche Instrumente für Umweltmessungen an Boden-, Luft-, Sediment- und Wasserproben zur Standardausrüstung gehören.
Im Rahmen des TREC-Programms führt die Tara Ocean Foundation ihre 13. wissenschaftliche Expedition durch: Tara EUROPA. Der Schoner Tara fährt in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die europäischen Küsten über eine Entfernung von 13 780 Seemeilen (25 520 km) ab. Gleichzeitig nutzt das EMBL mobile Labore für die Probenentnahme und -aufbereitung an Land und stellt hochmoderne Technologien als mobile Dienstleistungen entlang der europäischen Küsten bereit. An jedem Ort, an dem das EMBL-Team mit dem mobilen Labor Boden-, Sediment- und Flachwasserproben entnimmt, beprobt der Schoner Tara die dazugehörigen Meeresökosysteme - am selben Tag und in unmittelbarer Nähe.
Die Forschenden sammeln systematisch und standardisiert Boden-, Sediment-, Aerosol- und Wasserproben sowie ausgewählte Modellorganismen und zahlreiche Umweltdaten in Schlüsselregionen: in städtischen Gebieten, landwirtschaftlichen Regionen, Flussmündungen und unberührten Gebieten. Die Wissenschaftler*innen untersuchen so ein breites Spektrum anthropogener und natürlicher Faktoren, wie das Vorhandensein von Kunststoffen, Antibiotika, Pestiziden oder Hormonen, aber auch Faktoren wie Temperatur, pH-Wert und bestimmte geophysikalische Parameter.
Das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie
Das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) ist Europas Forschungseinrichtung für Lebenswissenschaften. Als wissenschaftlicher Wegbereiter koordinieren wir biowissenschaftliche Forschung in ganz Europa. Unsere herausragende Grundlagenforschung sucht nach kooperativen und interdisziplinären Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Unser Fokus liegt außerdem auf der Ausbildung von Studierenden und Forschenden, der (Weiter-)Entwicklung neuer echnologien und Methoden, und auf der Bereitstellung einer hochmodernen Forschungsinfrastruktur mit einem breiten Angebot an Experiment- und Datendiensten. Das EMBL ist eine zwischenstaatliche Organisation mit 28 Mitgliedsstaaten, einem assoziierten Mitglied und zwei Mitgliedskandidaten. An unseren sechs Standorten in Barcelona, Grenoble, Hamburg, Heidelberg, Hinxton bei Cambridge und Rom erforschen wir das Leben in seinem natürlichen Kontext, von Molekülen bis hin zu Ökosystemen. www.embl.org
Die Tara Ocean Foundation
Die Stiftung Tara Ocean ist die erste gemeinnützige Stiftung in Frankreich, die sich dem Ozean widmet. Sie hat zwei Hauptaufgaben: den Ozean zu erforschen, um ihn besser zu verstehen, und wissenschaftliche Erkenntnisse über den Ozean zu kommunizieren, um ein kollektives Bewusstsein bei den Bürgern zu schaffen. Seit 20 Jahren ermittelt die Stiftung in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungslaboratorien auf hohem Niveau wissenschaftliche Erkenntnisse über den Ozean, um die mit Klima- und Umweltrisiken verbundenen Umbrüche sowie die Auswirkungen der verschiedenen Formen von Umweltverschmutzung zu erforschen, zu verstehen und vorherzusehen. Um den Ozean zu einer gemeinsamen Verantwortung zu machen und ihn zu erhalten, bemüht sich die Tara Ocean Foundation auch darum, möglichst viele Menschen für die Ozeanforschung zu sensibilisieren und die jüngeren Generationen zu erziehen. Den Ozean zu erforschen und zu schützen bedeutet, sich um das globale System unseres Planeten zu kümmern. www.fondationtaraocean.org
Kontakt für Presseanfragen:
IOW: Kristin Beck | kristin.beck@io-warnemuende.de | 0381 – 5197 135
EMBL: Lisa Vollmar | media@embl.org | +49 151 4008 8871
Tara Ocean Foundation: Camille Lextray| camille@fondationtaraocean.org
49 151 4008 8871
Weitere Informationen:
http://TREC – Pressekit: https://www.embl.org/about/info/trec/media/
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