Homeoffice muss gut geplant sein / IFA untersucht Einfluss mobiler Bildschirmarbeit auf die Gesundheit
Welchen Einfluss hat mobile Bildschirmarbeit auf die körperliche Gesundheit? Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) zeigt, dass – abhängig von den Rahmenbedingungen der mobilen Arbeit - Beschwerden schon nach sehr kurzer Zeit auftreten können. Um das zu vermeiden, müssen mobile Arbeitssituationen sorgfältig geplant werden.
Homeoffice, Dienstreise, Workation – Dank Digitalisierung und Erfahrungen aus der Corona-Pandemie liegt mobile Bildschirmarbeit im Trend. Was fehlt, sind gesicherte Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss diese Form des Arbeitens auf die körperliche Gesundheit hat.
Mobile Arbeit ist Arbeit außerhalb der Betriebsstätte, zum Beispiel zuhause, im Zug oder am Flughafen. Rahmenbedingungen und Ausstattung unterscheiden sich dabei häufig stark vom traditionellen Büroarbeitsplatz. Diese Form der Arbeit existierte als Sonderfall bereits vor der Corona-Pandemie. Inzwischen ist sie für viele Betriebe und Beschäftigte Alltag.
„Bislang gelten bei dieser Arbeit Fehlbelastungen der Augen oder des Muskel-Skelett-Systems als mögliche Risikofaktoren, das sind allerdings Annahmen“, sagt Dr. Konstantin Wechsler, wissenschaftlicher Projektleiter im IFA. „Wir haben zwar Erkenntnisse zu Gefährdungen bei stationärer Bildschirmarbeit; inwieweit die auf mobile Arbeit übertragbar sind, ist aber unklar.“ Unklar sei damit auch, welche besonderen Schutzmaßnahmen für mobile Arbeit erforderlich sind.
In einer systematischen Literaturrecherche hat das IFA den aktuellen Forschungsstand zum Einfluss mobiler Bildschirmarbeit auf die körperliche Gesundheit zusammengetragen. Dabei betrachteten die Forschenden Einflussfaktoren wie Geräte, Eingabeoberflächen, Nutzungsdauer, Körperhaltung, Möbel oder Lichtverhältnisse und deren Effekte auf das Muskel-Skelett-System und die Augen.
Die Ergebnisse zeigen, dass ungünstige Körperhaltungen, Umgebungsfaktoren und unpassende Arbeitsgeräte allein oder in Kombination schon nach 5 bis 15 Minuten zu körperlichen Beeinträchtigungen führen können. Die Beeinträchtigungen sind zudem in der Regel größer als bei der Arbeit an einem stationären Bildschirmarbeitsplatz.
Wechsler: „Ein Problem besteht, wenn das Gerät nicht zur Aufgabe passt, wenn ich also beispielweise Textverarbeitung mit einem Tablet machen muss. Ebenso führen nicht neutrale Körperhaltungen zu Beschwerden, vor allem Extrempositionen wie Bildschirmarbeit im Liegen mit dem Laptop auf der Brust. Grundsätzlich ist der Nacken laut Studienlage die am stärksten betroffene Körperregion.“
Manche Präventionsempfehlung für stationäre Bildschirmarbeit gilt demnach auch für mobiles Arbeiten. Daneben erweisen sich bislang wenig beachtete Aspekte als wichtig, zum Beispiel die Nutzungsdauer von bestimmten Arbeitsgeräten in bestimmten Situationen.
Wechsler: „Konkret müssen wir wissen, wie lange beispielweise mit einem Tablet bei schlechter Beleuchtung in einem Sessel gesund gearbeitet werden kann. Diese Information braucht es für verschiedenste Kombinationen von Geräten, Körperhaltungen und Umgebungsfaktoren. Bis solche Forschungsergebnisse vorliegen, gilt: Mobile Bildschirmarbeit nicht dem Zufall zu überlassen, sondern Bewusstsein schaffen und mobile Arbeit klug planen.“
Weiterführende Informationen: https://publikationen.dguv.de/detail/index/sArticle/4730/sCategory/24
Methodischer Hintergrund
Die Anfertigung der Übersichtsarbeit folgte dem sogenannten PRISMA-Schema. Vier internationale Datenbanken (Pubmed, Livivo, ScienceDirect, Google Scholar) und vier deutsche Zeitschriften wurden systematisch nach begutachteten Fachartikeln aus den Jahren 2011 bis 2021 durchsucht. Durch Filter und die Anwendung von Ein- und Ausschlusskriterien konnte die Zahl aller berücksichtigten Artikel auf 351 eingeschränkt werden. Anschließend überprüften mindestens zwei Personen jeden Artikel auf Eignung für den Review in einem mehrstufigen Bildscreening von Titel und Abstract. Die Qualität der eingeschlossenen Studien wurde hinsichtlich des Verzerrungsrisikos kritisch betrachtet (BIAS-Analyse) und floss in die spätere Bewertung der Ergebnisse ein. Querschnittsstudien wurden dabei mit der Newcastle-Ottawa Scale (NOS), Übersichtsarbeiten mit dem ROBIS-Tool beurteilt.
Letztlich waren 5 Übersichtsarbeiten und 16 Querschnittsstudien Gegenstand des Reviews. Bei zwölf Studien handelte es sich um Querschnittsexperimente, darunter zwei Überkreuzstudien, bei dreien um Querschnittserhebungen und eine weitere Studie kombinierte ein Fallstudienexperiment mit einem empirischen Methodenansatz. Eine Übersichtsarbeit war eine narrative Expertenübersicht, zwei waren Scoping Reviews, eine war von den ursprünglichen Autoren nicht klar definiert und wurde als eine Kombination aus narrativem und Scoping Review eingestuft. Nur eine Übersichtsarbeit war als systematisches Review angelegt. Das Risiko einer Verzerrung in den Querschnittsstudien wurde anhand einer angepassten Version des NOS bewertet. Neun Studien waren von hoher Qualität mit einer Punktzahl von 7 oder höher von maximal 10 erreichbaren Punkten. Sieben Studien waren von mittlerer Qualität mit einer Punktzahl zwischen 4 und 6. Das mit dem ROBIS-Tool bewertete Risiko einer Verzerrung in den Übersichtsarbeiten war bei vier Studien hoch und bei einer Studie niedrig.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Konstantin Wechsler, Britta Weber, Stephanie Griemsmann, Rolf Ellegast
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
Originalpublikation:
Systematisches Review zu physischen Belastungen bei mobiler Bildschirmarbeit: https://publikationen.dguv.de/detail/index/sArticle/4730/sCategory/24