Können Kümmel und Koriander der Landwirtschaft im Klimawandel helfen?
Die Landwirtschaft muss sich auf trockenere und heißere Sommer einstellen. Dabei stößt der Einsatz von mehr Technik, Dünger und künstlicher Bewässerung in Dürreperioden an seine Grenzen. Doch schon bestimmte Pflanzen in der Fruchtfolge könnten möglicherweise Wasser und Nährstoffe in den Böden besser nutzen, die Bodenqualität verbessern und so die Lebensmittelproduktion und die Einkommen der Landwirte sichern. Mit Unterstützung des Landes erforscht ein LOEWE-Projekt unter Leitung der Universität Kassel das Potenzial von Mischkulturen von Weizen mit Gewürzpflanzen.
Deutschland erlebt derzeit den nächsten heißen Sommer. Wie einschneidend Hitze und Trockenheit für die Landwirtschaft sein können, hat nicht zuletzt das Extremjahr 2018 gezeigt, als die Ernteausfälle bei Getreide regional bei fast einem Drittel lagen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Federführung der Universität Kassel erforschen nun die Möglichkeit, tiefwurzelnde Kulturen in die Fruchtfolgen zu integrieren, konkret: Kümmel, Fenchel und Koriander auf denselben Feldern wie Weizen anzupflanzen. Das Land Hessen gab heute (30. 6.) bekannt, das Projekt im Rahmen seiner Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) mit 4,8 Mio. Euro zu fördern.
Kümmel, Fenchel und Koriander, so die Hypothese, können mit ihren Pfahlwurzeln Wasser und Nährstoffe in tiefen Bodenschichten erreichen. In Mischkultur mit dem flacher wurzelnden Weizen sollte das Bodenvolumen umfänglicher genutzt werden – bei gegebener Menge an Wasser und Nährstoffen wäre mehr Ertrag möglich. Aber mehr noch: Das Forschungsteam um Prof. Dr. Miriam Athmann, Leiterin des Fachgebiets Ökologischer Land- und Pflanzenbau an der Universität Kassel, untersucht nun, inwieweit bei Kümmel, Koriander und Fenchel ein „Hydraulic Lift“ wirkt, den man von manchen Baumarten kennt: Sie geben aus tiefen Bodenschichten aufgenommenes Wasser in oberen Bodenschichten wieder ab und verbessern so die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit auch für benachbarte flacher wurzelnde Pflanzen. Als Mischkulturpartner für den mehrjährigen Fenchel wird der erst seit einigen Jahren verfügbare mehrjährige Weizen erprobt. Mehrjährige Kulturen sind bisher in Ackerfruchtfolgen kaum vertreten, sind aber aufgrund ihrer ausgeprägten Wurzelsysteme resilienter gegenüber Trockenstress. Mit ihren Blüten könnten sie außerdem einen bedeutenden Beitrag für die Artenvielfalt leisten – ein Bereich, in dem die Landwirtschaft einen bedeutenden Einfluss und damit auch eine besondere Verantwortung hat.
„Der Anbau tiefwurzelnder Kulturen ist in der mitteleuropäischen Landwirtschaft gering verbreitet“, erklärt Miriam Athmann. „Ob sie, besonders in Mischkulturen, besser mit dem Klimawandel zurechtkommen und welchen Beitrag sie zum Erhalt der Artenvielfalt leisten, ist noch nicht erforscht. Das wollen wir ändern.“
Vizepräsident Prof. Dr. Michael Wachendorf, zuständig für Forschung und als Agrarwissenschaftler selber beteiligt an dem Projekt, freute sich über den Zuschlag für „dieses hochrelevante Projekt. Für die Landwirtschaft ist es eine Überlebensfrage, wie sie mit dem Klimawandel umgeht. Unsere Ergebnisse können dafür einen Beitrag leisten. Das Vorhaben passt hervorragend in unser Forschungsprofil, in dem wir einen Schwerpunkt auf nachhaltige Transformationen legen.“
An vier hessischen Standorten werden künftig Feldversuche durchgeführt, darunter auf der Domäne Frankenhausen, dem Versuchsgut der Universität Kassel.
Der LOEWE-Schwerpunkt TRIO (Transformative Mischkultursysteme für One Health) läuft für vier Jahre. Beteiligt sind neben den Fachgebieten von Athmann und Wachendorf auch die Kasseler Fachgebiete Ökologischer Pflanzenschutz (Prof. Dr. Maria Finckh), Agrarökosystemanalyse und -modellierung (Prof. Dr. Christoph Gornott) und Botanik (Prof. Dr. Birgit Gemeinholzer). Projektpartner sind die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Hochschule Geisenheim University, assoziierte Partner das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen sowie die Vereine Forschungsring und Ökoplant.
Zur Pressemitteilung des HMWK: https://wissenschaft.hessen.de/presse/rund-29-millionen-euro-landesgeld-fuer-hervorragende-forschung
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Miriam Athmann
Universität Kassel
Fachgebietsleiterin Ökologischer Land- und Pflanzenbau
Tel: +49 5542 98-1587
E-Mail: m.athmann@uni-kassel.de