Leibniz-Einrichtungen in Bonn, Berlin, Freiburg, Frankfurt/Oder und Halle/Saale evaluiert
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat nach Abschluss der regelmäßigen wissenschaftlichen Evaluierungen zu fünf Leibniz-Einrichtungen Stellung genommen. Er empfiehlt Bund und Ländern bei vier Instituten, die institutionelle Förderung fortzuführen und eine erneute Überprüfung der Fördervoraussetzungen nach dem Regelturnus von sieben Jahren vorzusehen. Beim Leibniz-Institut für Sonnenphysik in Freiburg empfiehlt der Senat, die gemeinsame Förderung zu beenden.
Folgende Leibniz-Einrichtungen wurden evaluiert:
• Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen, Bonn (DIE)
• Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin (ZAS)
• Leibniz-Institut für Sonnenphysik, Freiburg (KIS)
• IHP GmbH – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik, Frankfurt/Oder (IHP)
• Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, Halle/Saale (IAMO)
Zu den Stellungnahmen des Senats der Leibniz-Gemeinschaft im Einzelnen:
1) Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen, Bonn (DIE)
Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) arbeitet zu den Gelingensbedingungen von Lehr-Lern-Prozessen von der Systemebene bis zum Lehr- und Managementpersonal. Dies geschehe in enger Anbindung an die Praxis, so der Leibniz-Senat in seiner heute veröffentlichen Stellungnahme.
Dem DIE wird erneut eine erfolgreiche Weiterentwicklung bescheinigt. Der Senat hebt positiv hervor, dass die Forschungsarbeiten ausgebaut worden seien, die das DIE neben seinen wichtigen Infrastrukturleistungen erbringe. Die Datenangebote des Instituts würden stark nachgefragt; die damit verbundenen Arbeiten seien für den alle zwei Jahre erscheinenden Nationalen Bildungsbericht besonders relevant. Nachdrücklich unterstützt würden Planungen, die Datenlage zur Weiterbildung in Deutschland mittels eines neuen Forschungsnetzwerks zu verbessern.
Angesichts des demografischen Wandels, der Zuwanderung und der Digitalisierung der Arbeitswelt gewönnen die Themen des DIE zunehmend an Bedeutung. Dieses Potenzial müsse das Institut besser als bisher nutzen und weiter an Sichtbarkeit gewinnen. Dazu sollten Kooperationen mit Blick auf das Nationale Bildungspanel ausgebaut und mit strategischen Überlegungen zur Internationalisierung der Forschungsarbeiten verbunden werden.
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung des DIE fortzusetzen.
2) Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin (ZAS)
Das Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) forsche sehr erfolgreich zu Fragen der Verwendung, des Erwerbs, der Strukturierung und Verarbeitung menschlicher Sprache, so der Senat in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme.
Das ZAS wurde 2017 in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen. Seitdem, so der Senat, habe es sich ausgezeichnet entwickelt, nicht zuletzt durch eine Stärkung langfristiger Perspektiven und einen Ausbau seiner forschungsinfrastrukturellen Aktivitäten. Für den kürzlich in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen Direktor, der die Einrichtung mit ausgezeichnetem Erfolg geleitet und stark geprägt habe, sei eine ausgewiesene Nachfolgerin gewonnen worden.
Der Senat würdigt die vielfach hervorragenden Forschungsergebnisse, die sich nicht zuletzt auf die ausgezeichneten experimental-linguistischen Labore und Datenbanken des ZAS stützen. Positiv hervorzuheben sei auch, dass Ergebnisse zunehmend in die Anwendung überführt würden, beispielsweise um die Sprachentwicklung mehrsprachiger Kinder zu untersuchen oder im Zusammenhang von Arbeiten zur Sprachnutzung mit anderen Formen der Kommunikation. Das ZAS kooperiere strategisch klug und gewinnbringend mit zentralen Akteuren im Feld und genieße national wie international einen ausgezeichneten Ruf.
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung des ZAS fortzusetzen.
3) Leibniz-Institut für Sonnenphysik, Freiburg (KIS)
Das Leibniz-Institut für Sonnenphysik (KIS) hat den Auftrag, astrophysikalische Grundlagenforschung mit dem Schwerpunkt Sonne zu betreiben. Dazu entwickelt und betreibt das KIS in Zusammenarbeit mit Partnereinrichtungen auch Beobachtungsinstrumente.
Das KIS gliedere sich in eine Forschungs- und eine Instrumentierungsabteilung, die sich seit der letzten Evaluierung unterschiedlich entwickelt hätten, so der Leibniz-Senat in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme. In der Forschungsabteilung seien in den vergangenen Jahren wichtige Ergebnisse u. a. zu Magnetfeldern der Sonne und anderer Sterne erbracht worden. Außerdem sei zu Exoplaneten und in der Astrobiologie geforscht worden. Bereits bei der vergangenen Evaluierung habe man darauf hingewiesen, dass einige dieser Arbeiten sich nur schwer in den Kernauftrag des KIS einpassen ließen. Trotz Rückgang von Drittmitteln und Personal habe das KIS keine Strategie entwickelt, um die sonnenbezogene Forschung wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Die Instrumentierungsabteilung habe sich demgegenüber deutlich besser entwickelt. In den vergangenen Jahren hätten hauptsächlich Betrieb und Weiterentwicklung des Sonnenteleskops GREGOR auf Teneriffa sowie der Bau eines Instruments für das amerikanische Teleskop DKIST auf Hawaii im Mittelpunkt gestanden.
Der Senat sieht zentrale Fragen der wissenschaftlichen Strategie als offen an: Es sei keine übergreifende Forschungsstrategie zu erkennen und somit fehle auch die Grundlage für Entscheidungen über die Entwicklung der Instrumentierung. Neben der Weiterentwicklung bestehender Instrumente seien keine ausreichenden neuen Perspektiven entwickelt worden. Außerdem seien die Planungen für die Zukunft des Datenzentrums des KIS unklar.
Die Zahl der wissenschaftlich Beschäftigten, insbesondere auch der Promovierenden, sei seit der letzten Evaluierung gesunken. Es fehle eine stringente Personalstrategie, um auf die Veränderungen zu reagieren. Zudem sei die Zahl der durch Dritte geförderten Vorhaben deutlich zurückgegangen. Kritische Hinweise des Beirates seien durch die wissenschaftliche Leitung und das Aufsichtsgremium nicht hinreichend umgesetzt worden.
Nachdem der Leiter der Instrumentierung im vergangenen Jahr in den Ruhestand eintrat, wechselt zum Oktober 2023 auch die Leiterin der Forschungsabteilung auf eine von ihr bisher nebenamtlich ausgeübte Tätigkeit in die Schweiz. Für die Behebung der Defizite am Institut sei ein enges Zusammenwirken beider wissenschaftlichen Leitungspositionen erforderlich, so der Senat. Es sei aber nicht abzusehen, bis wann beide Positionen wieder besetzt seien und ein gemeinsam getragenes Konzept für das KIS entwickelt werden könne.
Insgesamt erfülle das KIS nicht mehr die Anforderungen an ein Leibniz-Institut. Der Senat empfiehlt daher Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung zu beenden.
4) IHP GmbH – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik, Frankfurt/Oder (IHP)
Die IHP GmbH – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) erforscht und entwickelt mikroelektronische Systeme auf Siliziumbasis. Die am IHP entwickelten Technologien setzten seit vielen Jahren weltweit Maßstäbe, wie der Senat in seiner heute verabschiedeten Stellungnahme festhält. Auf dieser Grundlage bearbeite das Institut die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung neuer Materialien bis zu Drahtlossystemen. Dies führe zu ausgesprochen überzeugenden Ergebnisse.
Eine besondere Stärke des IHP sei der Technologietransfer. Auf diesem Gebiet sei das Institut sehr erfolgreich, was sich auch in Patentverkäufen und Lizenzvergaben niederschlage. Als Teil der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland sei es eng in große Forschungs- und Verwertungsnetzwerke eingebunden. Der Senat hebt darüber hinaus das bemerkenswerte Engagement des Instituts im Rahmen des Strukturwandels des Lausitzer Kohlereviers hervor.
Das IHP befindet sich nach Einschätzung des Senats in einer hervorragenden Ausgangslage, das für die technologische Souveränität Europas bedeutsame Feld der mikroelektronischen Forschung auch künftig international mitzuprägen. Insbesondere vor diesem Hintergrund sei der sich verschärfende und alle Hierarchieebenen betreffende Fachkräftemangel im Hochtechnologie¬sektor eine Herausforderung von herausgehobener Bedeutung.
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung des IHP fortzuführen.
5) Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, Halle/Saale (IAMO)
Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) arbeite erfolgreich zu wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, so der Senat der Leibniz-Gemeinschaft in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme. Der regionale Schwerpunkt liege dabei auf den ehemals sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens und China.
Das IAMO erbringe international rezipierte Forschungsergebnisse, unter anderem zu den Getreidemärkten Russlands und der Ukraine oder den Integrationsprozessen von EU-Neumitgliedern. Zudem unterhalte das Institut wichtige Forschungsinfrastrukturen, beispielsweise zur Vernetzung von Forschung und Praxis der Agrarwirtschaft in den Untersuchungsregionen. Außerdem hebt der Senat den sehr erfolgreichen Wissenstransfer des Instituts hervor, der u. a. ein umfangreiches Stipendienprogramm für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den untersuchten Regionen umfasst.
Für die Zukunft habe das Institut in seinem „Mittelfristkonzept 2023-2030“ geeignete Schwerpunkte definiert. Es sei sehr gut sei, dass das Institut mit seinen Mittelfristkonzepten immer wieder auf Veränderungen in der globalisierten Agrarwissenschaft reagiere und seine Arbeiten entsprechend anpasse. Darüber hinaus solle nun mit Blick auf die langfristige Fortentwicklung des Instituts ein wissenschaftsgeleiteter Strategieprozess begonnen werden.
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung des IAMO fortzuführen.
Die einzelnen Senatsstellungnahmen finden Sie im Wortlaut auch auf den Internetseiten der Leibniz-Gemeinschaft unter www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/evaluierung/
Hintergrund:
Jede Leibniz-Einrichtung wird regelmäßig extern evaluiert, spätestens alle sieben Jahre. International ausgewiesene Sachverständige bewerten die Leistungen und Strukturen jeder Einrichtung.
Grundlage für die Bewertung ist eine schriftliche Unterlage der Einrichtung, außerdem im Regelfall ein Evaluierungsbesuch am Institut. Da in den zurückliegenden Monaten pandemiebedingt Evaluierungsbesuche entfallen mussten, erfolgte die Bewertung der Einrichtungen über ein Ersatzverfahren mit digitalen Sitzungen und schriftlichen Einschätzungen.
Die Ergebnisse der Begutachtung werden in einem Bewertungsbericht festgehalten, zu dem die bewertete Institution Stellung nehmen kann. Auf dieser Grundlage verabschiedet der Senat der Leibniz-Gemeinschaft eine wissenschaftspolitische Stellungnahme, die in der Regel Empfehlungen zur weiteren Förderung der Leibniz-Einrichtung enthält.
Diese Senatsstellungnahme dient der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) zur Überprüfung der Fördervoraussetzungen. Zusammen mit den Anlagen A (Darstellung der wesentlichen Inhalte und Strukturen der Einrichtung), B (Bewertungsbericht) und C (Stellungnahme der Einrichtung zum Bewertungsbericht) werden die Senatsstellungnahmen auf der Internet-Seite der Leibniz-Gemeinschaft veröffentlicht. Alle an der Bewertung und Beurteilung beteiligten Gremien sind ausschließlich mit Personen besetzt, die nicht an Leibniz-Einrichtungen tätig sind.
Pressekontakt für die Leibniz-Gemeinschaft:
Christoph Herbort-von Loeper
Tel.: 030 / 20 60 49 - 471
Mobil: 0174 / 310 81 74
herbort@leibniz-gemeinschaft.de
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei zwei Milliarden Euro.
www.leibniz-gemeinschaft.de