Zuse-Gemeinschaft warnt vor drastischen Kürzungen bei Industrieforschung im Bundeshaushalt 2024
Kürzung der Budgets für Industrieforschung, Innovationen und Transfer im Entwurf des Bundeshaushalts 2024 ist desaströses Signal für forschungsaffinen Mittelstand und Industrieforschungseinrichtungen || Klimaschutzziele und Ziele der Transformationsprozesse in den Sektoren Verkehr, Energie, Gesellschaft und Wirtschaft sind nur mit deutlich höherem Mitteleinsatz für innovations- und transferorientierte Forschung zu erreichen || Nachhaltige Anreizsysteme für Mittelstand zur Steigerung der Innovationskraft sowie zur Stärkung und Sicherung der technologischen Souveränität schaffen || Industrieforschung braucht für bedarfsgerechte Finanzierung mindestens 1,15 Milliarden Euro pro Jahr
Berlin / 13. Juli 2023. „Mit ihrer Entscheidung, die Budgets und Förderprogramme der innovations- und transferorientierten Forschung in Deutschland deutlich zu kürzen, legt die Bundesregierung die Axt an die Wurzeln des Innovationssystems, gefährdet die internationale Konkurrenzfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft, setzt Arbeitsplätze insbesondere in strukturschwachen Regionen aufs Spiel und riskiert unser aller Wohlstand. Zugleich widerspricht sie ihrem eigenen Koalitionsvertrag und torpediert die Ziele der ‚Zukunftsstrategie Forschung und Innovation‘. Mit solch‘ drastischen Einschnitten in sowieso schon viel zu geringe Budgets werden weder die anwendungsorientierte Industrieforschung bedarfsgerecht finanziert, noch die Innovationskraft Deutschlands gestärkt und seine technologische Souveränität gesichert“, kommentiert Prof. Dr.-Ing. Martin Bastian, Präsident der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V. (Zuse-Gemeinschaft), die vorgesehenen Kürzung der Budgets für Industrieforschung und das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) im Haushaltsentwurf 2024 der Bundesregierung.
Bastian sieht vielmehr den gesellschaftlichen Transformationsprozess hin zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft sowie die erfolgreiche Bewältigung der anstehenden Aufgaben der Mobilitäts-, Energie-, Produktionswende und des Klimawandels in Gefahr: „Diese gravierenden Herausforderungen können nur durch deutlich intensivierte Forschung und die so zu erreichenden Innovationen – kreative technische Lösungen – bewältigt werden. Das erfordert zwingend eine ausreichende, verlässliche und vor allem bedarfsgerechte finanzielle Förderung.“ Bastian regt an, Anreizsysteme für den Mittelstand zu schaffen und statt kurzfristiger konsumtiver Ausgaben auf investive und nachhaltig orientierte Mittel für die anwendungs-, innovations- und transferorientierte Industrieforschung zu setzen: „Wenn es gelingt, die Innovationskraft der mittelständischen Wirtschaft zu steigern, lassen sich die dringend erforderlichen Mehraufwendungen durch die so erzielten Steuermehreinnahmen deutlich überkompensieren.“
Nach dem Entwurf der Bundesregierung soll das Budget für das Zentrale Innovationsprogramm MItelstand (ZIM) um 10,5 Prozent auf nur noch 626,6 Mio. Euro sinken (2023: 700 Mio. Euro). Die Mittel für Industrieforschung für Unternehmen (IGF und INNOKOM) gehen um 7,8 Prozent auf nur noch 249,11 Mio. Euro (2023: 270 Mio. Euro) zurück. Dabei bleibt unklar, wie diese Mittel zwischen IGF und INNO-KOM aufgeteilt werden (2023: 176 Mio. Euro für IGF und 73 Mio. Euro für INNO-KOM). Bereits Anfang 2022 hatte die Zuse-Gemeinschaft berechnet, dass eine bedarfsgerechte Finanzierung der innovations- und transferorientierten Forschung pro Jahr mit mindestens 1,15 Milliarden Euro anzusetzen und dies – analog zum Pakt für Forschung und Innovation – unbedingt regelmäßig überprüft und angepasst werden müsste: Für INNO-KOM und IGF ergab sich ein Bedarf von wenigstens 350 Mio. Euro, für ZIM von mindestens 800 Mio. Euro. In diese Berechnung noch nicht mit eingeflossen waren die jüngst exorbitant gestiegenen Energiekosten sowie die hohe Inflation; aufgrund von Nachermittlungen der Zuse-Gemeinschaft bei ihren Mitgliedern geht die Wissenschaftsorganisation jetzt davon aus, dass ein weiteres Plus von wenigstens 22 Prozent erforderlich ist, diese Mehrkosten in Instituten und Forschungseinrichtungen zu kompensieren.
„Es ist richtig, dass der Bundeshaushalt den verfassungsmäßigen Anforderungen entspricht, aber die Schuldenbremse darf nicht zur Innovationsbremse werden. Investitionen in Innovation und Transfer sind Investitionen in die Zukunft – das sind wir auch nachfolgenden Generationen schuldig. Die zurückliegenden Jahre zeigten bereits, dass die innovations- und transferorientierte Industrieforschung chronisch unterfinanziert ist. Die stark gesunkene Innovatorenquote – derzeit auf einem historischen Tiefstand von nur 22 Prozent – im deutschen Mittelstand unterstreicht das eindrucksvoll. Mit den geplanten Kürzungen werden desaströs falsche Signale gesetzt und die Innovationsfreude der KMU regelrecht erdrosselt.“ Bastian warnt: „Wenn sich jedes sechste mitteständische Unternehmen vorstellen kann, Deutschland zu verlassen, dann drohen nicht nur ein Scheitern der anstehenden Transformationsprozesse, sondern im ‚worst case‘ eine Deindustrialisierung Deutschlands.“