Fachmeldung: Neue ESH-Leitlinie zu Bluthochdruck empfiehlt zwei neue Maßnahmen der nicht medikamentösen Therapie
Nicht medikamentöse Maßnahmen wie Abnehmen, Nichtrauchen, sportliche Betätigung, ein geringer Alkoholkonsum, eine pflanzenbetonte und salzarme Ernährung sind eine wichtige Säule der Behandlung von Bluthochdruck. Neu in die Liste der Lebensstilinterventionen aufgenommen wurden Stressmanagement und eine erhöhte (diätetische) Kaliumzufuhr. Bei Blutdruckwerten von 140/90 mm Hg und darüber handelt es sich dabei aber immer nur um begleitende Maßnahmen zur medikamentösen Therapie, wie in der Leitlinie klar herausgestellt wird. Letztere dürfe keinesfalls hinausgezögert werden, wenn die Blutdruckwerte über dieser Grenze liegen.
Ein Kapitel der „2023 ESH Guidelines for the Management of Arterial Hypertension“ [1], die 24.06.2023 publiziert wurden, widmet sich den Möglichkeiten der Lebensstilinterventionen zur Prävention und Behandlung von Bluthochdruck. „Diese nicht medikamentösen Maßnahmen stellen nach wie vor eine essenzielle Säule der Hypertonietherapie dar“, erklärt Prof. Markus van der Giet, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. Das Spektrum der empfohlenen Lebensstilinterventionen wurde in den neuen Leitlinien nun um zwei Maßnahmen erweitert.
Zu den klassischen Lebensstilinterventionen, die zu einer signifikanten Senkung der Blutdruckwerte führen können, zählen Abnehmen, die Restriktion der Kochsalzzufuhr, regelmäßige körperliche Aktivität, Reduktion des Alkoholkonsums, Nichtrauchen und eine gesunde, pflanzenbetonte Kost. Neu in den ESH-Leitlinien sind die Empfehlungen zu einer höheren (diätetischen) Kaliumaufnahme und Maßnahmen zur Stressreduktion. „Dass Stress, Ärger oder auch traumatische Ereignisse die Blutdruckwerte in die Höhe treiben, ist seit Langem bekannt. Relativ neu sind aber Daten, die zeigen, dass Antistresstraining, insbesondere Atemübungen, Yoga und Meditation, den Blutdruck positiv beeinflussen kann. Auch wenn das Ausmaß der dadurch erzielten Blutdrucksenkung geringer als das der bereits bekannten Lebensstilfaktoren und der Evidenzgrad noch gering ist, haben die Leitlinienautorinnen und -autoren diese Maßnahmen in die Empfehlungen implementiert und damit ein klares Zeichen gesetzt“, erklärt der Experte. „Ärztinnen und Ärzte sollten besonders dann an diese Maßnahme denken, wenn die Betroffenen keine der ,klassischen‘ Hypertonierisikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsarmut, ungesunde Ernährungsgewohnheiten, Rauchen oder einen erhöhten Alkoholkonsum aufweisen.“ Wie der Experte weiter ausführt, ist insbesondere die nächtliche Hypertonie häufig stressbedingt. Maßnahmen zur Stressreduktion können somit bei sehr vielen Patientinnen und Patienten eine sinnvolle Zusatzmaßnahme darstellen.
„Eine medikamentöse Therapie muss aber nach wie vor immer eingeleitet werden, wenn die Blutdruckwerte über 140/90 mmHg liegen. An dieser Schwelle hat sich in der neuen Leitlinie nichts geändert. Ab 140/90 mmHg besteht die klare Indikation für die Gabe von Antihypertensiva, bei kardiovaskulär Vorerkrankten bereits bei Werten über 130/80 mmHg“, betont der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hochdruckliga. „Nur bei hoch-normalen bzw. leicht erhöhten Blutdruckwerten kann zunächst ein Versuch unternommen werden, die Blutdruckwerte durch die Änderung des Lebensstils in den Normbereich zu bringen.“
Neben dem Stressmanagement wurde ein weiterer neuer Baustein in das Maßnahmenpaket der Lebensstilinterventionen aufgenommen. Die Leitlinien empfehlen erstmals eine höhere Kaliumzufuhr. Studien hatten gezeigt, dass Kalium den Blutdruck senken kann, wobei allerdings ein Kaliumexzess vermieden werden muss, denn eine Hyperkaliämie kann zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen und Bradykardien führen. Die Leitlinien sprechen sich daher vornehmlich für die diätetische Kaliumaufnahme aus, da eine Kaliumaufnahme von bis zu 3.000 mg allein durch vier bis fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag erreicht werden kann. Doch es gibt eine wichtige Einschränkung: Die Empfehlung zur erhöhten Kaliumaufnahme gilt nicht für Menschen mit einer fortgeschrittenen chronischen Nierenkrankheit (CKD).
„Die größte Herausforderung bei allen Lebensstilinterventionen ist, ähnlich wie bei der medikamentösen Therapie, die Adhärenz der Patientinnen und Patienten. Anfangs krempeln die Betroffenen begeistert ihr Leben um, treiben Sport, ernähren sich gesund, doch häufig fallen sie dann schon nach kurzer Zeit in ihre alten Gewohnheiten zurück. Wir Ärztinnen und Ärzte haben die Aufgabe, hier immer wieder zu motivieren und die positiven Effekte dieser Maßnahmen zu erklären. Nahezu alle Krankenkassen bieten hilfreiche Programme an, sei es zur Gewichtsreduktion, zur Raucherentwöhnung oder zum Stressmanagement. Wir sollten unsere Patientinnen und Patienten darauf aufmerksam machen und sie zum Mitmachen ermuntern“, so das Fazit des Experten.
Quelle: 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension Endorsed by the European Renal Association (ERA) and the International Society of Hypertension (ISH). J Hypertens. 2023 Jun 21. doi: 10.1097/HJH.0000000000003480. Epub ahead of print. PMID: 37345492.
https://journals.lww.com/jhypertension/Fulltext/9900/2023_ESH_Guidelines_for_the_management_of_arterial.271.aspx
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Originalpublikation:
doi: 10.1097/HJH.0000000000003480