Wie viel sollen Mama und Papa arbeiten? Erhebliche Unterschiede bei der Einstellung zur Müttererwerbstätigkeit
Die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich angestiegen. 2022 gingen 73 Prozent aller Mütter mit minderjährigen Kindern in Westdeutschland und 75 Prozent aller Mütter in Ostdeutschland einer bezahlten Tätigkeit nach, die meisten von ihnen in Teilzeit. Bei der Einstellung zur Müttererwerbstätigkeit zeigen sich aber nach wie vor erhebliche Unterschiede, wie eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) belegt. Demnach ist die Einstellung gegenüber einer Erwerbstätigkeit von Müttern stark vom Alter des jüngsten Kindes und der Herkunft der Eltern abhängig.
Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im wissenschaftlichen Beitrag „Should Mama or Papa work?“, der im Juli in der Fachzeitschrift Comparative Population Studies erscheinen ist. Sie zeigen erstmals Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland für unterschiedliche Altersgruppen des jüngsten Kindes: So befürworten in Ostdeutschland geborene Befragte eine Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern sehr viel früher als in Westdeutschland gebürtige. „Diese Unterschiede erklären sich auch noch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung aufgrund der unterschiedlichen Historie der beiden Staaten“, erläutert C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB. Eine weitere Erkenntnis des Forschungsprojekts: Mit Blick auf die Einstellungen zur Müttererwerbstätigkeit sind die Unterschiede zwischen Befragten mit und ohne Migrationshintergrund in Westdeutschland deutlich geringer als die zwischen Befragten aus Ost- und Westdeutschland. „Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis, das bisher so kaum diskutiert wurde“, sagt Mit-Autorin Ludovica Gambaro.
Die Studie basiert auf der Auswertung des repräsentativen familiendemografischen Panels FReDA, das Erwachsene im Alter von 18 bis 50 Jahren befragt. Dabei wurden den Teilnehmern fiktive Familienkonstellationen präsentiert, die sich jeweils beim Alter des jüngsten Kindes unterschieden. Für diese unterschiedlichen Konstellationen wurden die idealen Erwerbsumfänge für Mütter und Väter abgefragt. Die meisten Befragten – sowohl Frauen als auch Männer – sind demnach der Meinung, dass Mütter einer Teilzeitarbeit nachgehen sollten, wenn das jüngste Kind zwei Jahre alt ist. Je älter das jüngste Kind ist, desto eher wird befürwortet, dass Mütter einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen.
Frauen befürworten Teilzeitbeschäftigung von Vätern stärker als Männer
Darüber hinaus wurden auch die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Vätern erfasst. Die Mehrheit der befragten Männer und Frauen spricht sich hier für eine Vollzeiterwerbstätigkeit aus. Ist das jüngste Kind in der fiktiven Konstellation zwei Jahre alt, findet eine Teilzeiterwerbstätigkeit von Vätern zwar durchaus noch Zustimmung – ab einem Alter von vier Jahren aber nicht mehr. Frauen befürworten zudem eher als die Männer selbst eine Teilzeitbeschäftigung von Vätern. Darüber hinaus sehen Westdeutsche in einer Teilzeiterwerbstätigkeit eher den gewünschten Erwerbsumfang als Ostdeutsche. Am wenigsten entspricht der Teilzeiterwerb von Vätern den Einstellungen der Befragten, die aus Osteuropa, Asien oder Afrika nach Deutschland gekommen sind. Auch bei in Deutschland geborenen Personen, deren Eltern immigriert sind, ist der Anteil derer, die eine Teilzeiterwerbstätigkeit der Väter bevorzugen, gering.
Traditionelle Erwerbsverteilung findet keine Mehrheit mehr
In einem weiteren Teil der Studie wurde untersucht, welche Erwerbskonstellationen zwischen Paaren die Befragten befürworten. Die große Mehrheit der Befragten finden eine Vollzeiterwerbstätigkeit von Vätern kombiniert mit einer Teilzeitstelle für Mütter wünschenswert. Das Modell, dass nur der Vater erwerbstätig ist, wird von sehr wenigen Befragten als Idealmodell gesehen. Dieses eher traditionelle Familienmodell streben am ehesten Frauen aus Asien und Afrika an. In Hinblick auf eine partnerschaftliche Arbeitsteilung zeigt sich, dass diese eher von Frauen als von Männern gewünscht wird – und zwar tendenziell unabhängig von ihrem Herkunftsland.
Endergebnisse des BiB-Forschungsprojekts im kommenden Jahr
Insgesamt zeigen die Untersuchungen jedoch deutlich, wie sich die Einstellungen zur Mütter- und Vätererwerbstätigkeit je nach Herkunftsländern und Herkunftsregionen unterscheiden. „Dies muss bei Überlegungen zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedacht werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass rund 2,2 Millionen Mütter – also fast 30 Prozent aller Mütter in Deutschland – eine eigene Migrationserfahrung haben“, erläutert Johannes Hauenstein, Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag, die das Forschungsprojekt mit 160.000 Euro fördert. Der Endbericht der zweijährigen Studie „Mütter mit Migrationshintergrund“ unter der Leitung der Bildungs- und Familienökonomin Professorin Dr. C. Katharina Spieß wird im November 2024 als Publikation veröffentlicht.
An diesem Teilprojekt hat neben Ludovica Gambaro, C. Katharina Spieß und Elena Ziege vom BiB auch Katharina Wrohlich vom DIW Berlin mitgewirkt, siehe „Should Mama or Papa Work? Variations in attitudes towards parental employment by country of origin and child age“, Comparative Population Studies.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
C. Katharina Spieß, Direktorin BiB
Elena Ziege, Wissenschaftliche Mitarbeiterin BiB
Originalpublikation:
https://www.comparativepopulationstudies.de/index.php/CPoS/article/view/578
DOI: https://doi.org/10.12765/CPoS-2023-14
Weitere Informationen:
https://www.stiftung-ravensburger.de/de/unsere-projekte/muetter-mit-migrationshintergrund/index.html Projektbeschreibung auf der Homepage der Stiftung Ravensburger Verlag