Umfrage: Berliner befürworten mehrheitlich Ausbau von Radwegen und Kiezblocks
Wissenschaftler der Hertie School haben die Berliner:innen zur Mobilitätswende befragt. Neben Konsens finden die Ökonomen Prof. Dr. Christian Traxler und Verwaltungsexperte Prof. Dr. Kai Wegrich auch starke Polarisierung.
Berlin, den 20. Juli 2023. Wie stehen die Berliner:innen zu möglichen Änderungen in der Verkehrspolitik, zu City-Maut und Parkgebühren? Diesen Fragen sind Wissenschaftler der Hertie School nachgegangen. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich 56% der Berliner:innen – entgegen den aktuellen Entscheidungen des Senats – für den Ausbau des Radwegnetzes aussprechen. Außerdem möchten sie weitere Kiezblocks, die eine Verkehrsberuhigung von Wohnquartieren erreichen sollen. Preispolitische Maßnahmen sehen die Berliner:innen dagegen kritisch. Nur etwa ein Drittel der Befragten kann sich eine Erhöhung der Parkgebühren oder die Einführung einer City-Maut vorstellen. Insgesamt erkennen die Autoren, Ökonom Prof. Christian Traxler und Verwaltungswissenschaftler Prof. Kai Wegrich, eine starke Polarisierung unter der Bevölkerung. Die Wissenschaftler fordern deshalb eine bessere Kommunikation politischer Entscheider:innen, damit Sinn und Zweck verkehrspolitischer Maßnahmen bei den Stadtbewohner:innen ankommen. Ihre Ergebnisse haben die Autoren im Policy Brief "Einstellungen zur Mobilitätswende" festgehalten.
Ausgewählte Ergebnisse im Überblick
*** Geschützte Radwege: 56% der Berliner:innen befürworten einen Ausbau; 29% lehnen ihn ab
*** Kiezblocks: 51% der Befragten wünschen sich weitere lokale, verkehrsberuhigte Zonen, 31% lehnen dies ab
*** Tempo-30-Limit: Eine Ausweitung an Hauptstraßen befürworten 43%, wohingegen 42% die Begrenzung ablehnen. Unter Personen ohne eigenes Auto liegt die Zustimmung bei 56%, mit eigenem PKW bei 36%.
*** Parkgebühren: Etwa 33% stimmen einer Erhöhung der Gebühren für Kurzzeitparken und Anwohnerparkausweis zu, 46% lehnen eine Gebührenerhöhung ab.
*** City-Maut innerhalb des Rings: 36% befürworten sie, 48% lehnen sie ab
Christian Traxler, Professor für Ökonomie an der Hertie School, sagt:
„In unserer Erhebung spricht sich eine Mehrheit für weitere geschützte Radwege und Kiezblocks aus. Gleichzeitig sehen wir eine starke Polarisierung der Berliner Bevölkerung, vor allem bei der Bepreisung von Parkraum oder einer City-Maut. Um die Gräben zu schließen, sollte die Politik die Ziele und positive Wirkung von verkehrspolitischen Maßnahmen besser erklären.“
Kai Wegrich, Professor für öffentliche Verwaltung und öffentliches Handeln, ergänzt:
„Ein Beispiel, das die Polarisierung greifbar macht, ist eine mögliche City-Maut innerhalb des Rings. Nur ein Drittel fände es sinnvoll, sie einzuführen. Würde die Politik kommunizieren, dass die Verhaltensreaktionen auf eine City-Maut nicht nur zu weniger Emissionen, sondern auch zu weniger Staus und einem besseren Verkehrsfluss führen, fände die Maut vermutlich mehr Zustimmung.“
Polarisierung entlang Bildungsniveau, Autobesitz, Wohnsitz und Parteipräferenz
Insgesamt stellen Traxler und Wegrich eine hohe Polarisierung hinsichtlich der erhobenen Politikmaßnahmen fest. Wichtigste Dimensionen der Spaltung sind Bildungsniveau, Autobesitz und politische Orientierung. Ein niedrigeres Bildungsniveau und/oder der Besitz eines Autos geht mit einer tendenziell ablehnenden Haltung gegenüber den Politikmaßnahmen einher, ein höherer Bildungsabschluss und/oder das Fehlen eines Autos mit einer progressiveren Haltung. Wähler:innen der Grünen, SPD und der Linken verkörpern eine progressivere Haltung, FDP-, CDU- und AfD-Wähler:innen stehen den Maßnahmen ablehnender gegenüber. Die Umfrage zeigt auch: Der Wohnsitz-Bezirk einer Person prägt die eigene Haltung nicht per se, progressive versus konservative Haltungen sind jedoch innerhalb und außerhalb des S-Bahn-Rings erkennbar.
Methodik
Für die Erhebung befragten die Wissenschaftler 1.500 Berliner:innen ab 16 Jahren aus allen Bezirken. Die Fragen umfassten die fünf Bereiche 1) geschützte Radwege, 2) Ausbau von Kiezblocks, 3) Ausweitung Tempo 30 km/h an Hauptstraßen, 4) City-Maut und 5) höhere Parkgebühren. Die Befragung wurde im Juni 2022 online erhoben und in Kooperation mit dem Meinungsforschungsinstitut Bilendi durchgeführt.
Über die Hertie School
Die Hertie School in Berlin bereitet herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vor. Sie bietet Masterstudiengänge, Executive Education und Doktorandenprogramme an. Als universitäre Hochschule mit interdisziplinärer und praxisorientierter Lehre, hochklassiger Forschung und einem weltweiten Netzwerk setzt sich die Hertie School auch in der öffentlichen Debatte für „Good Governance“ und moderne Staatlichkeit ein. Die private Hochschule verfügt über fünf Kompetenzzentren, darunter das Centre for Digital Governance sowie ergänzend das Data Science Lab. Die Hertie School wurde 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen. Sie ist staatlich anerkannt und vom Wissenschaftsrat akkreditiert.
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