Pflegekinderhilfe in der DDR – Forschungsteam sucht Zeitzeug*innen
Während die Heimerziehung in der DDR in vielen Teilen bereits umfassend politisch, gesellschaftlich und wissenschaftlich aufgearbeitet wurde, liegen bislang so gut wie keine Erkenntnisse zur Pflegekinderhilfe in der DDR vor. Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen des Instituts für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim möchte diesen Fragen im Rahmen eines Forschungsvorhabens nachgehen.
„Uns interessiert zum Beispiel, welche jungen Menschen aus welchen Gründen in Pflegefamilien untergebracht wurden; wie die Vermittlung und Begleitung der Pflegschaften organisiert war, und nach welchen Kriterien mögliche Pflegefamilien ausgewählt wurden“, erläutert Dr. Carolin Ehlke, die das Forschungsvorhaben zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Dr. Severine Thomas und Tabea Noack durchführt. Das Forschungsteam möchte dabei vor allem den Zeitraum nach Inkrafttreten der Jugendhilfeverordnung ab 1965 bis zum Ende des DDR-Regimes 1989 in den Blick nehmen.
Über die Jugendhilfeverordnung und das Familiengesetzbuch können die damals geltenden rechtlichen Grundlagen der „Unterbringung in fremden Familien“ – so wurde die Pflegekinderhilfe in der DDR auch oft bezeichnet – nachvollzogen werden. Es gibt jedoch wenig bis kein Wissen über die strukturellen und organisationalen Verfahren, berichtet Ehlke. Auch über die Frage, wie viele solcher Pflegeverhältnisse es in der DDR überhaupt gab, ist kaum etwas bekannt. „Wir gehen davon aus, dass vor allem in der Zeit vor 1965, aber auch danach, Pflegschaften mitunter gar nicht offiziell registriert wurden, sondern teils ohne Beteiligung von Behörden innerhalb und außerhalb der Familien organisiert wurden“, sagt Ehlke. Darauf deuten auch erste Gespräche hin, die die Wissenschaftler*innen bereits mit Zeitzeug*innen geführt haben. Darin hatte unter anderem eine Person von ihrer Mutter berichtet, die sie als Kind zunächst nur vorübergehend bei einer fremden Familie untergebracht hat, dann jedoch in den Westen geflohen war – die Person blieb als Kind in der DDR zurück und wuchs bei der Familie, die schließlich eine Pflegefamilie wurde, auf. „Solche Geschichten wird es möglicherweise häufiger gegeben haben“, vermutet Ehlke.
Zeitzeug*innen gesucht
Die Wissenschaftler*innen suchen daher noch weitere Personen, die Hinweise zu den Rahmenbedingungen und Strukturen der Pflegekinderhilfe in der DDR geben können. Angesprochen sind ehemalige Pflegekinder, Pflegeeltern und Mitarbeitende der Jugendhilfe, aber auch Wissenschaftler*innen und andere Expert*innen, die Wissen zu diesem Thema haben.
Mit allen Gesprächsinhalten wird vertraulich umgegangen, Daten werden anonymisiert erhoben.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Carolin Ehlke
Mitarbeiterin im Institut für Sozial- und Organisationspädagogik
der Universität Hildesheim
E-Mail: jugendhilfe-ddr@uni-hildesheim.de
Telefon: 05121/883-11732
Originalpublikation:
www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sozial-und-organisationspaedagogik/forschung/forschungscluster-des-instituts/forschungsgruppe-jugendhilfe-in-der-ddr/