Voreilige Schlussfolgerung: das haben psychotische Störungen und Verschwörungstheorien gemeinsam
Publikationspreis 2022/2023 der Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung: Artikel zu Verschwörungstheorien und paranoidem Wahn ausgezeichnet
Nicht nur in der Zeit der Corona-Pandemie, aber hier in besonderem Umfang: Verschwörungstheorien sind leider aktueller denn je. Doch was haben sie mit psychotischen Störungen gemeinsam? Voreilige Schlussfolgerungen zu treffen, zeigen Forschungsansätze. Die Stiftung für Forschung und Bildung der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) hat am 27. Juli 2023 den Publikationspreis 2022/2023 verliehen. Die Auszeichnung ging an Prof. Dr. Stephanie Mehl, Professorin für Lerntheoretische und verhaltensorientierte Zugänge zu sozialer Arbeit. Sie wurde für den Aufsatz „Verschwörungstheorien und paranoider Wahn“ gewürdigt. Der Aufsatz ist als Fachbeitrag in der „Zeitschrift für Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie“ erschienen. Er befasst sich mit einem Vergleich der Denk- und Verhaltensmuster von Personen mit einer psychotischen Erkrankung und Anhängern von Verschwörungstheorien. Der Artikel richtet sich primär an in Prävention und Behandlung Tätige. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert.
„Mit Stephanie Mehl zeichnet die Stiftung einmal mehr eine Forscherin aus, die sich mit Themen befasst, die uns alle angehen, bewegen und eine großer Relevanz haben“, so Astrid Schulte, Vorsitzende der Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung. „Dieser für die Zukunft wichtige Forschungsansatz zeigt, dass gerade auch das Gebiet der Sozialen Arbeit Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit liefern kann und an unserer Hochschule Themen erforscht werden, die die Gesellschaft beeinflussen und prägen“, betont Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke, Präsident der Frankfurt UAS. Es sei Mehl gelungen, die Studie einer breiten Fachleserschaft verständlich und übersichtlich näherzubringen. Auch die Aktualität des Themas sowie der Mehrwert für die Forschung überzeugte die Jury aus Medien, Wissenschaft und Wirtschaft.
Die Psychologin und Soziologin Prof. Dr. i. R. Irmgard Vogt, hielt bei der Preisverleihung als Gastrednerin einen Impulsvortrag zum Thema „Die Pest und andere Epidemien: Typische Abläufe, typische Ängste und manche Folgen“.
Inhalte des Artikels
Verschwörungstheorien haben einen erheblichen Anteil daran, dass die Bekämpfung der Corona-Pandemie schwierig verlief, beispielsweise haben sie Personen von notwendigen Schutzimpfungen abgehalten. Der Aufsatz thematisiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Personen, die Verschwörungstheorien anhängen und Personen, die psychotische Störungen und paranoide Wahnüberzeugungen entwickelt haben.
Basierend auf den Gemeinsamkeiten wird eine Theorie entwickelt, die einen Versuch darstellt, die Entstehung von Verschwörungstheorien zu erklären. Der Aufsatz postuliert neben sozialen und politischen Ursachen als eine weitere Ursache die Tendenz von Personen mit Verschwörungstheorien, unter psychischen Belastungen voreilige Entscheidungen zu treffen und zu wenig Informationen zu
sammeln, das sogenannte „voreilige Schlussfolgern“. Im Aufsatz wird ein vorläufiges kognitives Modell der Entstehung von Verschwörungstheorien entwickelt. Ein solches Modell kann als erste Basis von Beratungsinterventionen für Angehörige oder auch für die Entwicklung von Interventionen zur Prävention von Verschwörungstheorien dienen.
Der Artikel ist 2022 in der Ausgabe 16 der Fachzeitschrift „Zeitschrift für Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie“ unter dem vollen Titel „Verschwörungstheorien und paranoider Wahn: Lassen sich Aspekte kognitionspsychologischer Modelle zu Entstehung und Aufrechterhaltung von paranoiden Wahnüberzeugungen auf Verschwörungstheorien übertragen?“ erschienen. Er ist hier abrufbar: https://doi.org/10.1007/s11757-022-00710-2.
Zur Person Prof. Dr. rer. nat. Stephanie Mehl
Mehl ist Professorin für lerntheoretische und verhaltensorientierte Zugänge zu sozialer Arbeit mit besonderem Schwerpunkt bei substanzgebundenen und substanzungebundenen Störungen an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) sowie Leitende Psychologin und Supervisorin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Philipps-Universität Marburg. Insbesondere die Psychotherapiewirksamkeit und Psychotherapieprozesse, die Identifikation von Entstehungs- und aufrechterhaltenden Bedingungen von psychotischen Symptomen (Wahn und Halluzinationen), soziale Kognitionen bei Schizophrenie, der Umgang mit negativen Emotionen und Emotionsregulation bei Personen mit Schizophrenie sowie das Ecological Mobile Assessment (EMA) sind Forschungsschwerpunkte der Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin. Mehr zu Mehl unter: https://www.frankfurt-university.de/de/hochschule/fachbereich-4-soziale-arbeit-gesundheit/kontakt/professor-innen/stephanie-mehl/.
Der Publikationspreis
Bisherige Publikationspreisträger*innen waren: der Jurist Prof. Dr. Peter Wedde, dessen Artikel sich vor dem Hintergrund wiederholter Terroranschläge mit dem gesetzlich vorgeschriebenen „Anti-Terror-Screening“ beschäftigte; der Ingenieur Prof. Holger Marschner für seine Arbeit zur Schallerzeugung (dabei verglich er das sogenannte „Bremsenknarzen“ eines Fahrzeugs mit den Schwingungsphänomenen einer Geige); Kinderschutzexpertin Prof. Dr. phil. Maud Zitelmann für ein hr-info-Interview, in welchem sie sich für eine bessere Ausbildung von Menschen einsetzte, die im Kinderschutz arbeiten; Suchtexperte Prof. Dr. Heino Stöver mit seinem Beitrag über die Regulierung von E-Zigaretten im „6. Alternativen Drogen- und Suchtbericht“; Prof. Dr.-Ing. Holger Techen, Professor für Tragwerkslehre und Baukonstruktion, und dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr.-Ing. Jochen Krimm für ihre Publikation „Neue Fassadenkonzepte für die leise Stadt“ sowie Prof. Dr. Tobias Hagen, Professor für Volkswirtschaftslehre und Quantitative Methoden für den Aufsatz „Effekte der Covid-19-Pandemie auf Mobilität und Verkehrsmittelwahl“, an dem auch Prof. Dr. Marco Sunder sowie M.Eng. Elisabeth Lerch und M.Sc. Siavash Saki beteiligt waren. Mehr zum Publikationspreis unter www.frankfurt-university.de/publikationspreis.
Die 2014 gegründete Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung fördert Lehre, Forschung und Lebenslanges Lernen an der Frankfurt UAS. Die Stiftung möchte mit dem Publikationspreis Lehrende und Forschende der Hochschule bestärken, fachspezifische und aktuelle Themen aus der Hochschule praxisnah und für einen breiten Leserkreis allgemeinverständlich zu vermitteln. Weitere Informationen unter: www.frankfurt-university.de/stiftung-forschung-bildung.
Weitere Informationen zum Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS unter: www.frankfurt-university.de/fb4.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung, Vorsitzende, Astrid Schulte und Geschäftsführung, Malika Janka Dohle-Siegmund, Telefon: 069/1533-2132, E-Mail: stiftung-forschung-bildung@fra-uas.de; Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit, Prof. Dr. Stephanie Mehl, Telefon: +49 69 1533-2873, E-Mail: mehl.stephanie@fb4.fra-uas.de