Licht in die Ursachen der Depression: Na Cai erhält den Friedmund Neumann Preis 2023
Die Schering Stiftung zeichnet Dr. Na Cai für ihre herausragenden Arbeiten im Bereich der psychiatrischen Genetik und ihre daraus hervorgegangenen Beiträge zum grundlegenden Verständnis neuropsychiatrischer Erkrankungen, insbesondere der Depression, mit dem Friedmund Neumann Preis 2023 aus. Der Forschungspreis ist mit 10.000 Euro dotiert.
Die Depression ist eine schwere psychische Erkrankung, unter der in Deutschland jährlich 8% der Bevölkerung leiden. Sie wird üblicherweise mit Medikamenten behandelt, oft in Verbindung mit Psychotherapie. Diese sogenannten Antidepressiva sind nicht immer wirksam und führen teilweise zu vielfältigen Nebenwirkungen. Da die biologischen Ursachen der Depression bisher nicht hinreichend erforscht sind, ist die Entwicklung wirksamerer Antidepressiva bisher nicht gelungen.
Na Cai erzielte bemerkenswerte Fortschritte bei der Erforschung der biologischen Ursachen der Depression und trug mit ihrer Forschung zu drei wichtigen Erkenntnissen bei: Erstens identifizierte sie genetische Loci, die Auskunft über ein erhöhtes Risiko an Depressionen zu erkranken geben. Sie etablierte damit die genetische Ansätze als ein Instrument zur Erforschung der Depression zugrundeliegenden biologischen Ursachen. Des Weiteren entdeckte sie einen Zusammenhang zwischen der Funktion der Mitochondrien, dem Kraftwerk der Zelle, und Depressionen. Zudem zeigte sie, dass das sehr heterogene Krankheitsbild der Depression mithilfe genetischer Ansätze quantifiziert und analysiert werden kann, um die Erkrankung in mehrere unterschiedliche Erscheinungsformen einzuteilen. Unser Verständnis der Depression ist heute auf einem ähnlichen Stand wie unser Verständnis von Krebs vor hundert Jahren, als man nicht wusste, wie viele verschiedene Formen es gibt. Der Beitrag von Na Cai wird hoffentlich zu einer besseren Abgrenzung zwischen verschiedenen Formen der Depression führen und damit Fortschritte in Diagnose und Behandlung ermöglichen.
Die Genetikerin Dr. Na Cai erhält am 5. September den Friedmund Neumann Preis 2023 für ihre herausragenden Arbeiten im Bereich der psychiatrischen Genetik und ihre daraus hervorgegangenen Beiträge zum grundlegenden Verständnis neuropsychiatrischer Erkrankungen, insbesondere der Depression. „Mit ihren Arbeiten hat Frau Dr. Na Cai die Grundlagen gelegt, um von der bloßen phänomenologischen Kategorisierung der klinischen Depression zu einem molekularen Verständnis der Krankheitsursachen zu kommen. Damit trägt sie entscheidend zur Weiterentwicklung eines wichtigen Forschungsbereichs bei, dessen Bedeutung von Tag zu Tag zunimmt“, begründet Prof. Dr. Max Löhning, Vorsitzender des Stiftungsrates, die Wahl der Jury.
Die Schering Stiftung vergibt den mit 10.000 Euro dotierten Preis seit 2011 an Nachwuchswissenschaftler*innen, die herausragende Leistungen in der humanbiologischen, organisch-chemischen oder humanmedizinischen Grundlagenforschung erbracht haben. Der Preis will exzellente wissenschaftliche Leistung sichtbar machen, die frühe Entwicklung eines eigenständigen Forschungsprofils honorieren und die wissenschaftliche Etablierung der Preisträger*innen unterstützen.
Na Cai wurde von Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Matthias H. Tschöp, CEO und wissenschaftlicher Geschäftsführer bei Helmholtz Munich, für den Friedmund Neumann Preis nominiert. Ihr Doktorvater und langjähriger Mentor, Professor Jonathan Flint (Fellow of the Royal Society; Professor in Residence, Department of Psychiatry and Biobehavioral Sciences; Billy and Audrey Wilder Endowed Chair in Psychiatry and Neuroscience, UCLA Center for Neurobehavioral Genetics), wird im Rahmen der Preisverleihung eine Laudatio halten. Er sagt über Na Cai: „Sie ist nicht nur wegen ihres großen Talents und ihrer Intelligenz als Wissenschaftlerin erfolgreich, sondern auch wegen ihrer Beharrlichkeit. So lange ich sie kenne, hat sie sich ganz und gar ihrer Forschung verschrieben. Sie ist eine der engagiertesten Wissenschaftlerinnen, die ich kenne, und ich bin stolz darauf, dass ich ihr auf dem Weg zu ihrem Erfolg helfen konnte.“
Hintergrundinformationen
Na Cai untersucht mithilfe der Genetik schwere depressive Störungen (Major Depressive Disorder, MDD), eine der häufigsten und kräftezehrendsten Krankheiten der Welt. Sie begann ihre Karriere als leitende Analystin einer genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) zu MDD, in der die ersten beiden genetischen Assoziationen zu MDD identifiziert werden konnten. Darüber hinaus gelang es ihr auch, einen reproduzierbaren Anstieg von Kopienzahl und Mutationen in der mitochondrialen DNA (mtDNA) bei MDD-Patienten im Vergleich zu Kontrollen nachzuweisen und in Mausmodellen zu zeigen, dass beides durch chronischen Stress induziert wird. Seitdem ist ihre Arbeit zweigleisig: zum einen will sie die MDD-Diagnostik verbessern und der MDD-Heterogenität auf den Grund gehen, zum anderen die molekularen Folgen von chronischem Stress aufklären. Zu ersterem Punkt hat sie untersucht, wie sich gängige MDD-Definitionen auf genetische Befunde auswirken können, und hat Ansätze entwickelt, um diese, insbesondere in großen Datensätzen vorhandenen Unterschiede maximal zu nutzen und gleichzeitig die Spezifität der Ergebnisse zu bewahren. Ihre Forschungsgruppe untersucht derzeit den Zusammenhang zwischen MDD-Genetik und -Symptomatik und geht dabei der Frage nach, welche Symptome für MDD ätiologisch relevant sind, welche biologischen Signalwege sie erfassen und wie diese Signalwege beim Entstehen von MDD zusammenwirken. Zukünftig will Na Cai die genetische und biologische Validität von Symptom-Netzwerk-Modellen für MDD etablieren und testen, um diese zur Verfeinerung diagnostischer Kriterien für MDD und ihre Subtypen zu nutzen. Ihre Forschungsgruppe arbeitet derzeit daran, die molekularen Folgen von chronischem Stress im Gehirn anhand von Mausmodellen räumlich und zeitlich aufzulösen. Des Weiteren sollen die Ergebnisse in Zukunft mit Bildgebungs- und Multi-Omics-Daten menschlicher Probanden (postmortem) integriert werden. Ziel ist es, ein neurologisches Verständnis dafür zu entwickeln, was bei chronischem Stress passiert und warum dieser biologisch gesehen einen so großer Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen wie MDD darstellt.
Na Cai studierte Biologie mit Schwerpunkt Physiologie und Neurowissenschaften an der Universität Cambridge. Ihre Promotion legte sie 2016 im Bereich der klinischen Medizin am Nuffield Department of Clinical Medicine und am Wellcome Centre for Human Genetics der Universität Oxford im Labor von Professor Jonathan Flint ab. Nach Postdoc-Aufenthalten am Wellcome Sanger Institute und am European Bioinformatics Institute (EMBL-EBI) in den Laboren von Prof. Nicole Soranzo und Prof. Oliver Stegle ist sie seit Herbst 2019 Principal Investigator am Helmholtz Pioneer Campus und Computational Health Center, Helmholtz Munich. Sie ist aktives Mitglied mehrerer internationaler Konsortien, darunter der MDD- und Cross-Disorder-Arbeitsgruppen des Psychiatric Genomics Consortium (PGC) sowie des neu gegründeten ExDEP-Konsortiums, das Daten aus elektronischen Gesundheitsakten auf der ganzen Welt nutzt, um die Genetik von MDD zu untersuchen.
Preisverleihung Ernst Schering Preis und Friedmund Neumann Preis, Programm:
Dienstag, 5. September 2023
17:00 Uhr: Ernst Schering Prize Lecture, Prof. Dr. Matthias Tschöp
Hochwirksame Medikamente gegen Übergewicht: Von der Entdeckung zur Zulassung
18:00 Uhr: Preisverleihung
Mit einem Vortrag von Dr. Na Cai: Genetics of Major Depressive Disorder – lessons and future challenges (auf Englisch)
Ort:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Leibniz-Saal
Markgrafenstr. 38, 10117 Berlin
Teilnahme nur mit Anmeldung möglich. Bitte melden Sie sich bis zum 27. August 2023 an unter https://www.scheringstiftung.de/Preisverleihung2023
Weitere Vorträge von Na Cai am Mittwoch, den 6. September 2023:
10:00 Uhr: Vortrag für Schüler*innen der Oberstufe, Oberstufenzentrum Lise Meitner – School of Science (nicht öffentlich): Lessons from studying the genetics of depression
15:00 Uhr: Öffentlicher wissenschaftlicher Vortrag: Genetics of Major Depressive Disorder – epistemic iteration between genetic findings and phenotyping
Ort:
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charité Campus Mitte
Carl-Westphal-Hörsaal
Bonhoefferweg 3, 10117 Berlin
In englischer Sprache. Keine Anmeldung erforderlich.
Weitere Informationen
Presseinformation und Bildmaterial finden Sie unter https://scheringstiftung.de/presse/.
Pressekontakt:
Nicole Tanzini di Bella
Schering Stiftung
Unter den Linden 32-34
10117 Berlin
Tel. 030-20 62 29-67
tanzinidibella@scheringstiftung.de