Herzprobleme bei Post-COVID: Welche Rolle spielen die „Kraftwerke“ der Zellen?
Ein COFONI-Forschungsprojekt unter Leitung der MHH untersucht die Rolle der Mitochondrien in Herzmuskelzellen nach einer SARS-CoV-2-Infektion.
Schon zu Beginn der Corona-Pandemie zeichnete sich ab: SARS-CoV-2 kann nicht nur die Lunge, sondern auch das Herz und die Blutgefäße schädigen. Und auch Monate nach einer Infektion leiden Menschen auffallend oft an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen, Herzschwäche, Herzrhythmus-Störungen und Herzmuskelentzündungen. Wie der Schädigungsprozess konkret abläuft, ist aber nicht hinreichend bekannt. Dieser Frage widmet sich nun ein Projekt unter Leitung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Ein Forschungsteam um Dr. Georgios Amanakis, Assistenzarzt an der Klinik für Kardiologie und Angiologie unter der Leitung von Professor Dr Johann Bauersachs, möchte die Mechanismen aufklären, mit denen das Coronavirus das Herz beeinflusst. „Einige Long- und Post-COVID-Symptome wie etwa Luftnot können vermutlich dem Herzen zugeordnet werden“, sagt der Kardiologe. Für Diagnose und Behandlung des Syndroms sei es daher dringend erforderlich, die kardiale Pathophysiologie, also den Verlauf und die körperlichen Vorgänge im Herzen während der Erkrankung genauer zu verstehen.
Fehlfunktion der Kraftwerke in Herzmuskelzellen
Im Fokus stehen die sogenannten kardialen Mitochondrien. Sie sind die „Kraftwerke“ der Zellen und produzieren im Herzmuskel 95 Prozent des Adenosintriphosphats (ATP), der wichtigsten Energiewährung im Körper. Sind die Mitochondrien beeinträchtigt und können nicht richtig arbeiten, fehlt den Herzmuskelzellen Energie, um genügend Blut, Sauerstoff und Nährstoffe in die Körperzellen zu pumpen. Die Fehlfunktion wird in der Regel durch oxidativen Stress verursacht. Dabei sammeln sich zu viele freie Radikale an, die Schäden an Zellen oder deren Funktionen verursachen können. Dieser Stoffwechsel-Zustand wurde bereits im Blutserum und in den weißen Blutkörperchen von Long-COVID-Betroffenen festgestellt. Die Forschenden vermuten, dass die Funktionsstörung der Zellkraftwerke möglicherweise auch die Virusabwehr beeinträchtigt. Sie wollen die Mechanismen nun an Mausherzgewebe untersuchen. Das Projekt wird vom Land Niedersachsen im Rahmen des COVID-19 Forschungsnetzwerks Niedersachsen (COFONI) für zweieinhalb Jahre mit mehr als einer halbe Million Euro gefördert.
Signalprotein MAVS und Interferon-alpha Kaskade steuern Virusabwehr
In früheren Arbeiten mit anderen Viren, die ebenfalls Herzmuskelzellen befallen können, haben die Forschenden bereits untersucht, wie sich die Zellen gegen die viralen Eindringlinge wehren. Dabei spielt das Gewebshormon Interferon-alpha offenbar eine wichtige Rolle. Gesteuert wird es durch das mitochondriale antivirale Signalprotein (mitochondrial antiviral-signaling protein MAVS), das für die angeborene antivirale Immunität unerlässlich ist und auf der Außerhülle der Mitochondrien sitzt. Dringen Viren in die Zelle ein, wird MAVS aktiviert und sorgt dafür, dass im Interferon-alpha produziert wird. Der Botenstoff verhindert, dass sich die Viren vermehren können. „Wir nehmen an, dass bei Long- und Post-COVID-Patienten diese Interferon-alpha Kaskade nicht mehr funktioniert“, erklärt Dr. Amanakis.
In dem Projekt untersuchen die Forschenden nun, wie sich die Mitochondrien nach einer überschießenden Immunabwehr, dem sogenannten Zytokinsturm verhalten. Dafür verwenden sie Herzmuskelzellen aus menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen. Das sind „zurückprogrammierte“ Körperzellen von Erwachsenen, die jeden beliebigen Zelltyp des menschlichen Körpers hervorbringen – so auch Herzmuskelzellen. Diese werden anschließend mit dem Coronavirus infiziert. „Wir wollen herausfinden, welche Proteine das Interferon-alpha Signaling bei der akuten Erkrankung und bei Long- und Post-COVID steuern. Außerdem wollen sie klären, wie es bei einer akuten Corona-Infektion dazu kommt, dass Herzmuskelzellen absterben. „Die Hochregulierung des myokardialen Zelltods während der akuten Infektion könnte möglicherweise auch die Entwicklung von Long- und Post-COVID beeinflussen“, vermutet der Kardiologe.
Neue Behandlungsansätze finden
Die Forschenden nutzen eine speziell entwickelte COFONI-Technologieplattform, mit der ein COVID-Verlauf erzeugt werden kann, der dem des Menschen ähnlich und damit auch vergleichbar ist. Die Ergebnisse sollen dann genauer erklären, welche Mechanismen das Corona-Virus nutzt, um die Virusabwehr der Herzmuskelzellen zu schwächen. „Diese Daten werden dann die Grundlage bilden, um neue Behandlungsmöglichkeiten gegen eine akute SARS-CoV-2-Infektion sowie Long- und Post-COVID zu entwickeln“, hofft Dr. Amanakis.
Das Projekt findet in Kooperation mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Professorin Dr. Asisa Volz, Professorin Dr. Maren von Köckritz-Blickwede, Professor Dr. Wolfgang Baumgärtner) und dem TWINCORE (Professor Dr. Ulrich Kalinke) statt, einer gemeinsamen Einrichtung der MHH und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI).
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Georgios Amanakis, amanakis.georgios@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-5771.