FoMa Q-Score 2023 – HHL-Studie zum Stand der Professionalisierung deutscher Top-Fußballklubs
Die vorliegende Studie des Lehrstuhls für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling der Handelshochschule Leipzig (HHL) bildet zum siebten Mal in Folge den Stand der Professionalisierung im deutschen Profifußball ab. Sie gibt Einblicke in die Faktoren, die langfristigen Erfolg auf dem Spielfeld sowie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen.
Der sog. FoMa Q-Score kann den Fußball-Bundesliga-Klubs zum einen detaillierte Anhaltspunkte zum Grad ihrer Professionalisierung liefern, zum anderen legt er Ansatzpunkte für weitere operative wie strategische Handlungsmöglichkeiten dar.
Kernergebnisse der FoMa Q-Score-Studie 2023:
- FC Bayern München nimmt Spitzenposition vor Borussia Dortmund ein, gestützt durch Fortschritte in der finanziellen Leistungskraft und der hohen Management-Qualität.
- Eintracht Frankfurt macht einen großen Sprung auf den dritten Platz und überholt RB Leipzig, während SC Freiburg und 1. FC Köln ihre Positionen verbessern.
- Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen fallen zurück und stehen vor Herausforderungen, Freiburg und Union Berlin etablieren sich im Verfolgerfeld.
- Hertha BSC rutscht auf den letzten Platz ab, der VfL Bochum stabilisiert sich und zeigt Fortschritte.
- Die Spreizung zwischen Top-Teams und Verfolgerfeld nimmt zu.
- Um nachhaltigen Erfolg auf dem Spielfeld sowie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, ist es weiterhin entscheidend, dass Fußballklubs eine ganzheitliche Strategie entwickeln und das Management professionalisieren.
Zum Download: FoMa Q-Score 2023 unter http://www.hhl.de/foma-study
„Die dauerhafte Wettbewerbsstärke und Anziehungskraft der Liga und ihrer Vereine hängt entscheidend davon ab, inwieweit die Klubs selbst das 'deutsche Geschäftsmodell Profifußball' effektiv weiterentwickeln“, betont Prof. Dr. Henning Zülch, Studienleiter und HHL-Lehrstuhlinhaber für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling.
Herausforderungen nach der Pandemie:
Die Analyse zeigt, dass aktuelle geopolitische Entwicklungen, Inflation und zahlungskräftige Investoren in anderen Ligen die Bundesliga und ihre Klubs nach der Pandemie beeinflussen. Mit Rückkehr der Fans in die Stadien rücken die Maximierung des Fanwohls, die Stärkung der Marke Bundesliga und die langfristige finanzielle Leistungsfähigkeit zunehmend in den Fokus der Management-Teams.
Studienleiter Prof. Dr. Henning Zülch: „Es genügt nicht, nur sportlich erfolgreich zu sein. Eine solide finanzielle Performance, die Optimierung des Wohlergehens der Fans – gerade nach der Covid-Pandemie – und eine herausragende Führungsqualität sind entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit und Beständigkeit eines Klubs zu sichern.“
Blick in die Zukunft:
Die Studie verdeutlicht außerdem die zunehmende Spreizung zwischen den Top-Adressen der Bundesliga und dem Verfolgerfeld. Nach der Überwindung der Covid-19-Pandemie hat sich diese Kluft weiter vergrößert. „Die kommende Saison wird zeigen, ob dies nur eine Momentaufnahme oder ein langfristiger Trend ist“, so Prof. Dr. Zülch.
Football Management (FoMa) Q-Score 2023: Hintergrund und Dimensionen
Die FoMa Q-Score-Studie 2023 identifiziert den Stand der Professionalisierung der deutschen Fußball-Bundesliga mittels eines Management-Qualitätsscores, dem sog. FoMa Q-Score. Dieses Qualitätsmaß basiert auf einer für den Profifußball modifizierten Balanced Scorecard. Der „Sportliche Erfolg“ spielt mit 40% Einfluss auf den Gesamtscore die dominierende Rolle bei der Beurteilung der Managementqualität der Bundesligaklubs, gefolgt von den Dimensionen „Finanzielle Leistungsfähigkeit“ (25%), „Fanwohlmaximierung“ und „Führung und Governance“ (je 17,5%). Es gilt, diese vier wesentlichen Dimensionen zu optimieren, um langfristig sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg zu generieren. Basis dieser Auswahl und Gewichtung bilden das wissenschaftliche Schrifttum in diesem Fachgebiet sowie die Erkenntnisse aus Gesprächen mit zahlreichen Branchen-Experten.
Studienergebnisse im Detail:
Im 2023er-Ranking übernimmt der FC Bayern München die Spitzenposition.
Die aktuelle Situation im Verein stellt für die erfolgsverwöhnten Bayern eine besondere Herausforderung dar, jedoch gibt es Lichtblicke. Unbestreitbar bleibt – trotz lautstarkem Wechsel in den Führungsebenen zum Ende der vergangenen Saison – die hohe Management-Qualität des FC Bayern. Während der Rekordmeister auf dem Spielfeld in der vergangenen Saison nicht immer Maßstäbe setzen konnte, hat er im diesjährigen Ranking den begehrten Spitzenplatz von Borussia Dortmund zurückerobert, vor allem dank beachtlicher Fortschritte in der finanziellen Leistungskraft. Auch im dritten Corona-Jahr verzeichnete der FC Bayern ein positives Jahresergebnis – eine rühmliche Ausnahme im europäischen Spitzenfußball. Fehlende Zuschauereinnahmen konnten mit Zugewinnen im Sponsoring kompensiert werden und mit dem Ende der Corona-Pandemie kann sich auch die internationale Strahlkraft der Marke wieder voll entfalten. Trotz der starken finanziellen Entwicklung bleibt Optimierungspotenzial. Im Bereich Fan Welfare Maximization zeigen sich im Jahresvergleich Rückgänge. Ob der Fan-Streit um das Katar-Sponsoring, die fragwürdige Entlassung von Julian Nagelsmann, oder die Intransparenz hinsichtlich des ökologischen Fußabdrucks. Die unterdurchschnittliche Performance im Bereich Nachhaltigkeit steht sinnbildlich für ein Grundrauschen im Verein, welches es abzustellen gilt, wenn man nicht bereits in der kommenden Saison die Spitzenposition abgeben möchte. Das Endergebnis suggeriert eine trügerische Sicherheit. Der FC Bayern sollte mit besonderer Vorsicht und Ruhe auf die bevorstehenden Herausforderungen – insbesondere neben dem Platz – blicken.
Erneut nur Platz 2 für Borussia Dortmund.
Nachdem die Borussia die Meisterschaft in letzter Minute knapp verpasst hat, bleibt ihr auch in diesem Ranking nur der zweite Platz. In der Kategorie ‚Sportlicher Erfolg‘ muss der Verein im Vergleich zum Vorjahr leichte Einbußen im Ranking hinnehmen. Die in letzter Sekunde aus der Hand gegebene Meisterschale kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Auftritte in der Champions League und im DFB-Pokal hinter den eigenen hohen Erwartungen zurückblieben. Darüber hinaus wogen die Abgänge von Haaland und Akanji unter ihrem Marktwert schwer. Die vielversprechenden Talente Moukoko und Adeyemi waren bisher noch nicht in der Lage, den hohen Erwartungen auf konstant hohem Niveau gerecht zu werden und die entstandene Lücke zu schließen. Jedoch wird die Stärke der Dortmunder nicht allein durch die sportliche Leistung definiert. Besonders in Sachen Governance, Transparenz und Nachhaltigkeit setzt der BVB ligaweit Maßstäbe mit Spitzenwerten, die in der Saison 2022/2023 im Bundesliga-Vergleich unerreicht blieben. Diese robusten Strukturen sind in unsicheren Zeiten ein Fels in der Brandung, der Vertrauen und Transparenz vermittelt. Symbolisch steht dafür Trainer Edin Terzic, der trotz des herben sportlichen Rückschlags zum Ende der vergangenen Saison die Hoffnung auf künftige Erfolge und womöglich eine Ära des Wandels im Kampf um die deutsche Meisterschaft nährt – nicht nur auf der Süd. Mit Blick auf das Gesamtpaket des BVB könnte die kommende Saison erneut eine Überraschung bereithalten.
RB Leipzig und Eintracht Frankfurt: Wer wird die dritte Kraft im deutschen Oberhaus?
RB Leipzig und Eintracht Frankfurt kämpfen um die Rolle des ersten Verfolgers des Spitzenduos. Behielt im Pokalfinale noch RB die Oberhand, so kann die Eintracht im diesjährigen FoMa Q-Score an den Leipzigern vorbeiziehen und sich den dritten Platz sichern. Die Frankfurter konnten sich in der Kategorie ‚Sportlicher Erfolg‘ im Vergleich zum Vorjahr erheblich verbessern. Nicht nur das bessere Abschneiden in der Bundesliga und im Pokal steht hier zu Buche. Auch das erstmalige Erreichen der KO-Phase der Champions League war ein dickes Ausrufezeichen. Garant für diesen sportlichen Erfolg waren exzellente und kostengünstige Transfers: Mit Kolo-Muani und Götze hat man zwei Stars in den eigenen Reihen, die dem Verein auch international Strahlkraft geben. Das Fundament liegt für die Eintracht allerdings in guter Unternehmensführung. Die einstige Diva vom Main hat sich in den letzten Jahren heimlich, still und leise zu einem ligaweiten Vorbild für ‚Führungsstärke und Governance‘ entwickelt. Das Team um die Vorstände Hellmann und Krösche verfolgt eine klare Strategie: ob Digitalisierung, Fanbeteiligung oder Markenbildung. Die Eintracht ist in vielerlei Hinsicht Vorbild für die ganze Liga und erzielt Spitzen-Scores in der Kategorie ‚Führung und Governance‘. Lediglich beim Thema Nachhaltigkeit besteht weiterhin Optimierungspotenzial.
Die Leipziger, die sich seit der ersten Erhebung des FoMa Q-Score kontinuierlich verbessern konnten, verlieren in diesem Jahr erstmals einen Platz und rangieren in dieser Edition hinter Frankfurt auf Platz 4. Der Verlust von Platz 3 ist jedoch in großen Teilen auf die relative Stärke der Eintracht zurückzuführen, und weniger auf eine schlechte Performance bei RB Leipzig. Im Gegenteil: Der erneute Gewinn des DFB-Pokals und Platz 3 in der Liga sind ein klares Statement von RB an die Konkurrenz. Der Klub will mehr. ‚Finanzielle Leistungskraft‘ auf Top-Niveau und eine weiterhin günstige Kostenstruktur sind der Schlüssel für Titel und Erfolge in den kommenden Jahren. Und auch über den ‚Sportlichen Erfolg‘ und die ‚Finanzielle Leistungskraft‘ hinaus ist bei RB eine klare Entwicklung erkennbar. Wurde in vergangenen Ausgaben des FoMa Q-Scores die Kategorie ‚Nachhaltigkeit‘ noch als Optimierungspotenzial kritisiert, so bleibt indes festzuhalten, dass RB auch hier im vergangenen Jahr große Fortschritte gemacht hat. Der Verein hat nun erstmals den Status Quo in einem Nachhaltigkeitsbericht offengelegt und darauf aufbauend eine klare Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt. Wehmutstropfen, die eine höhere Platzierung derzeit verhindern, sind nun noch in den Bereichen ‚Transparenz‘ und ‚Player Development‘ zu sehen – Entwicklungsfelder, die das neue Führungsduo um Eberl und Rose sicher bereits im Auge hat.
Breites Mittelfeld: Freiburg und Köln auf der Überholspur.
Mit Blick auf die Verfolger ist nicht nur finanziell ein kleiner Bruch zu erkennen. Freiburg schiebt sich mit einigem Abstand auf die TOP4 auf Platz 5. Nach einer erneut starken Saison des SC Freiburg in den nationalen Wettbewerben können die Breisgauer ihren FoMa Q-Score weiter steigern. Insbesondere in der Kategorie ‚Fanwohlmaximierung‘ kann der SC zulegen. Das neue Stadion bringt sowohl Mehreinnahmen als auch ein ganz neues Fanerlebnis an die Dreisam. Dahinter kann auch der 1. FC Köln weiter zulegen und sichert sich den sechsten Platz 6 im diesjährigen Ranking. Gute Spieler-entwicklung, eine Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit und tolle Fans geben dem FC das Potenzial, ins obere Drittel der Bundesliga vorzustoßen. Eine entgegengesetzte Entwicklung ist für die Konkurrenten am Niederrhein festzustellen. Sowohl Bayer Leverkusen als auch Borussia Mönchengladbach verlieren drei bzw. vier Plätze und laufen Gefahr, ins Mittelmaß abzurutschen. Die Abgänge der langjährigen Erfolgsgaranten Völler und Eberl wiegen für beide Vereine noch immer schwer, ist in der negativen Entwicklung der Kategorie ‚Führung und Governance‘ nachgewiesen und treibt für beide Vereine die schlechte Performance im diesjährigen FoMa Q-Score. Das ganze Dilemma dieses breiten Verfolgerfelds zeigt die Platzierung des VfB Stuttgart. Die Schwaben klettern im Ranking 2023 um drei Plätze und ordnen sich hinter Freiburg und Köln auf einem auf den ersten Blick hervorragenden siebten Platz ein. Jedoch trügt der Schein. Die Positionierung ist in erster Linie auf das schlechte Abschneiden der Konkurrenz aus Gladbach, Leverkusen und Wolfsburg zurückzuführen. Materiell hat sich beim VfB im Vorjahresvergleich wenig bewegt. Einem leichten Zugewinn in der Qualität des Managements steht ein signifikanter Rückgang im ‚Fanwohl‘ gegenüber. Auf Grund des Stadionumbaus kann der VfB derzeit das große Potenzial nicht vollumfänglich abrufen.
Abstiegskampf: Ein bisschen Licht und viel Schatten.
Viel wurde im letzten Jahr über Hertha BSC geschrieben, meist negativ. Der FoMa Q-Score zeigt: zurecht. Die alte Dame aus Berlin ist gemessen am Gesamtscore der größte Verlierer unter den 18 Vereinen, rangiert auf dem letzten Platz und ist dementsprechend verdient abgestiegen. Neben einer schlechten Saison auf dem Platz (Rang 18 in der Dimension ‚Sportlicher Erfolg‘), dominierten die Schlagzeilen rund um den Investorenwechsel und die Querelen in Vorstand und Aufsichtsrat. Die äußerst negative Entwicklung in der Dimension ‚Fanwohlmaximierung‘ zeigt, dass innerhalb der Fanbasis einiges an Kredit verspielt wurde. Das neue Management hat nun in erster Linie Vertrauen zurückzugewinnen und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen – ob dies kurzfristig gelingt, scheint mehr als fraglich. Wie man es – auch fanzentriert – besser macht, zeigt der VfL Bochum. Gegenüber der Studie 2022 kann sich der VfL in den Kategorien ‚Finanzielle Leistungsfähigkeit‘, ‚Fanwohlmaximierung‘ und ‚Führung und Governance‘ erneut leicht verbessern. Lediglich im ‚sportlichen Erfolg‘ mussten die Bochumer nach der sehr guten Vorsaison kleinere Abstriche in Kauf nehmen. Die Fokussierung auf die Stärkung des Markenkerns ‚Castroper Straßenfußball‘ zeigt, dass ein nachhaltiges Management-Konzept mit klarer Governance gepaart mit treuen Fans im kommerzialisierten Fußball noch immer ein Erfolgsmodell sein kann. Wasser auf die Mühlen derer, die sich authentischen Samstagnachmittag-Bundesligafußball abseits von Investorenmillionen und persönlichen Eitelkeiten wünschen.
Die Handelshochschule Leipzig (HHL),
auch HHL Leipzig Graduate School of Management, ist eine universitäre Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht. Laut Financial Times zählt sie zu den führenden internationalen Business Schools (Platz 19 weltweit/THE Ranking „Master in Management“). Ziel der ältesten betriebswirtschaftlichen Hochschule Deutschlands ist die Ausbildung unternehmerisch denkender, verantwortungsbewusster und leistungsfähiger Führungspersönlichkeiten. Die HHL zeichnet sich aus durch exzellente Lehre, klare Forschungsorientierung und praxisnahen Transfer sowie hervorragenden Service für ihre Studierenden. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die HHL 2021 zum fünften Mal in Folge als führende Gründerhochschule Deutschlands ausgezeichnet. Aus der HHL sind in den letzten 30 Jahren über 430 Unternehmensgründungen hervorgegangen mit mehr als 50.000 Mitarbeitenden. Als erste deutsche private Business Schule wurde die HHL durch die international renommierte AACSB akkreditiert und erlangte diesen Qualitätsstatus seither vier Mal in Folge. Mehr Daten zur HHL unter https://www.hhl.de/de/die-hhl/we-are-hhl/zahlen-fakten/
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Henning Zülch
T +49 341 9851 701
M +49 151 61336 410
henning.zuelch@hhl.de
und
Benedikt Kirsch, LL.M.
T +49 341 9851 701
b.kirsch@hhl.de
Weitere Informationen:
http://www.hhl.de/foma-study