Fokus auf Klimawandel in der Ostsee: Gold bei Internationaler Olympiade der Geowissenschaften für Schüler-Team und IOW
Bei der International Earth Science Olympiad IESO 2023* vom 20. – 26. August gewann die deutsche Nationalmannschaft für ihr praktisches Feldforschungsprojekt zum Nachweis regionaler Auswirkungen des Klimawandels in der Ostsee eine Goldmedaille. Damit gehören die vier Schüler zu den sechs besten der insgesamt 36 teilnehmenden Teams aus aller Welt. Zuvor hatten sie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) besucht, um hier, unterstützt von IOW-Fachleuten, die Arbeiten für ihren praktischen Wettbewerbsbeitrag auszuführen. Die Medaillen-wertung berücksichtigt auch Konzept und Aktualität des Projekts sowie den Zugang zu wissenschaftlichen Methoden und die Qualität der Betreuung.
Leon Arlit, Andy Jähnert, Leon Nezaj und Benjamin Poost – so heißen die vier –besuchen in Schleswig-Holstein bzw. Berlin aktuell die 13. Klasse. Im Juni waren sie für eine Woche am IOW zu Gast. Dort befassten sie sich intensiv mit der Frage, ob sich in der Ostsee von 1970 bis in die Gegenwart regionale und saisonale Unterschiede der Wassertemperatur – sowohl an der Oberfläche als auch in bodennahen Wasserschichten – nachweisen lassen. Zum Hintergrund: Bekannt ist, dass sich die Randmeere durch den Klimawandel schneller erwärmen als der globale Ozean. Und von allen Randmeeren tut dies die Ostsee am schnellsten: Im Schnitt stieg ihre Oberflächenwassertemperatur zwischen 1990 und 2018 um 0,59°C pro Jahrzehnt.
Für ihr Projekt analysierten die vier Olympioniken zum einen Langzeitdatensätze einer IOW-Datenbank mit einfachen statistischen Methoden. Zum anderen führten sie mit dem IOW-Arbeitsboot KLAASHAHN eine Mini-Messkampagne zur Erfassung der Oberflächenwassertemperatur der Unterwarnow durch. Dabei sammelten sie Erfahrungen im Umgang mit moderner Messtechnik und erlernten die Anwendung von Software zur Datenauswertung und Darstellung der Ergebnisse. Ein Highlight war das Arbeiten mit einer Messsonde, die das IOW im Rahmen des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Ocean Talents“ für Citzen-Science-Projekte entwickelt. Sie ist für interessierte Menschen ohne Vorkenntnisse konzipiert, kann aber mit für wissenschaftliche Zwecke ausreichender Genauigkeit Temperatur, Salzgehalt und Wassertiefe messen. Für das IESO-Projekt wurde die Sonde erstmals nicht nur an einem Punkt sondern für eine räumliche Fragestellung eingesetzt.
Mit Hilfe der Datenanalyse stellte das IESO-Team fest, dass sich seit 1970 das Oberflächenwasser in den flacheren Regionen der Ostsee deutlich stärker erwärmt als in tiefen Schichten – ein Ergebnis, das sich auch in den Messungen in der Warnow-Mündung wiederspiegelte: Die tieferen, stärker vom Ostseewasser als von der Lufttemperatur beeinflussten Bereiche waren deutlich kühler als die flachen. Die Schülergruppe vermutet, dass diese ungleichmäßige Erwärmung auch das seit einigen Jahren beobachtete Massenvorkommen des Australischen Kalkröhrenwurms in den Uferbereichen der Unterwarnow begünstigt. Das ist eine invasive Art, die sich seit 100 Jahren weltweit ausbreitet und durch starken Bewuchs jeglicher Unterwasserstrukturen, etwa Schiffe oder Schleusen, z. T. erhebliche Probleme verursacht.
Über die Sommerferien erarbeiteten die vier Schüler ihre Präsentation, die sie jetzt kürzlich bei der Geo-Olympiade – in diesem Jahr ein Online-Event – einer internationalen Wissenschafts-Jury präsentierten und die mit 35 % in der Medaillenwertung zu Buche schlug.Aausschlaggebend für den Erfolg war aber offenbar vor allem die Qualität des Projektes an sich, also Fragestellung, Aktualität, wissenschaftliche Methodik und Durchführung, da dies mit von 65 % in die Wertung eingeht.
„Wir freuen uns und sind total stolz auf die Jungs“, sagt Sven Hille. Er ist am IOW für den Wissenstransfer in den Schulunterricht zuständig und war auf Institutsseite wesentlich für Konzept, Koordination und Realisation des IESO-Projektes verantwortlich. „Die vier kannten sich vorher nicht, haben aber schnell mit ihren verschieden Stärken zum Team zusammengefunden und sich dann, gemeinsam mit allen Betreuenden, toll für den Erfolg engagiert“, so Hille. Die jungen Leute seien bei allen Arbeitsschritten selbst aktiv gewesen – bei der praktischen Feldforschung ebenso wie bei der Arbeit mit Datenbanken und statistischen Verfahren und bei der Interpretation und Diskussion ihrer Ergebnisse. „So hat die Gruppe alle Facetten wissenschaftlichen Arbeitens kennengelernt. Ich hoffe und wünsche mir, dass sie von dieser Erfahrung nachhaltig profitieren“, resümiert der IOW-Schulbeauftragte.
Zusammengefunden als deutsche IESO-Nationalmannschaft haben sich die beiden Leons, Andy und Benjamin über Empfehlungen von Lehrkräften an die Fachsektion Geodidaktik und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Geologischen Gesellschaft Geologische Vereinigung (DGGV), die seit 2012 die deutsche Teilnahme an der IESO koordiniert. Betreut wurden sie während des gesamten Wettbewerbs – von den allerersten Vorbereitungen bis zum Vortrag vor der Wettbewerbsjury – sowohl von Lehrkräften ihrer Schulen als auch von Sylke Hlawatsch, der Sprecherin der Fachsektion.
„Die Goldmedaille ist eine tolle Anerkennung für unser diesjähriges Team“, zeigt sich auch Hlawatsch begeistert. „Und mit Team meine ich auch all die, die die Schüler unterstützt haben.“ Insbesondere das IOW könne stolz sein, denn das ‚olympische Gold‘ sei ganz klar auch eine Würdigung der idealen Infrastruktur, der speziellen IOW-Expertise in Langzeitdatengewinnung und Klimawandelforschung und nicht zuletzt der sehr guten Betreuung durch Forschende, Laborfachkräfte und Techniker:innen. „Die Folgen von Klimawandel zu untersuchen, ist außerdem ein hochaktuelles und an Relevanz kaum zu überbietendes Thema. Das war dem Erfolg sicher auch nicht abträglich“, so Hlawatsch abschließend.
*Die International Earth Science Olympiad (IESO) gibt es seit 2007. Sie ist eine von dreizehn internationalen Wissenschaftsolympiaden und richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe, um ihre Fähigkeiten in Disziplinen wie Geologie, Meteorologie, Umweltwissenschaften und terrestrische Astronomie zu testen. Die IESO findet jährlich statt, jedes Mal in einem anderen Land. Die Teams sowie die betreuenden Lehrkräften lösen vor Ort verschiedene Aufgaben; die wichtigste Disziplin ist aber das praktische Feldforschungsprojekt, das im Vorfeld vorbereitet und dann bei der eigentlichen Wettbewerbsveranstaltung einer internationalen Jury präsentiert wird. Die IESO 2023 fand als Online-Event statt; 2024 soll die IESO wieder eine Präsenz-Veranstaltung werden – dann in China.
IOW-Beauftragter für Wissenstransfer in den Schulunterricht:
Dr. Sven Hille | Tel.: 0381 – 5197 3413 | sven.hille@io-warnemuende.de
Koordinierungsstelle der Internationalen Earth Science Olympiad (IESO):
Fachsektion Geodidaktik und Öffentlichkeitsarbeit der GeoUnion (DGGV/HGD)
Deutsche Gesellschaft für Geowissenschaften Geologische Vereinigung (DGGV)
c/o Dr. Sylke Hlawatsch | info@die-deutsche-olympiade-der-geowissenschaften.de
Kontakt IOW-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
Dr. Kristin Beck | Tel.: 0381 – 5197 135 | kristin.beck@io-warnemuende.de
Dr. Matthias Premke-Kraus | Tel.: 0381 – 5197 102 | matthias.premke-kraus@io-warnemuende.de
Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der aktuell 97 eigenständige Forschungs-einrichtungen gehören. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umwelt-wissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geistes-wissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 20.500 Personen, davon sind ca. 11.500 Forschende. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Mrd. Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de