Gene als Schlüssel zu neuen Therapien: ERC-Starting Grant für Maik Pietzner
Der Bedarf ist groß: Für eine Vielzahl häufiger Krankheiten fehlt es an wirksamen und sicheren Medikamenten. Einen Schlüssel zu neuen Therapien sieht Maik Pietzner, Gruppenleiter in der AG „Computational Medicine“ des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), in den Genen, denn die meisten Krankheiten haben einen genetischen Hintergrund. Mit einer ausgeklügelten Strategie, die künstliche Intelligenz (KI) zur Aufarbeitung riesiger Datenmengen nutzt, will Maik Pietzner im großen Stil krankheitsrelevante Gene aufspüren und damit Ansatzpunkte für die Behandlung häufiger, aber bislang oft vernachlässigter Krankheiten liefern.
Ein guter Plan, findet der Europäische Forschungsrat und hat Maik Pietzner einen ERC-Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen EUR über fünf Jahre zuerkannt.
Die meisten Erkrankungen haben einen polygenen Hintergrund: Viele verschiedene Gene sind involviert und spielen – in bislang kaum verstandener Weise – zusammen. Schon kleinste Veränderungen in den relevanten Genen können das Krankheitsrisiko erhöhen. Und genau da will Maik Pietzner mit seinem Forschungsprojekt GenDrug ansetzen, für das er jetzt den ERC-Starting Grant erhalten hat.
Methodisch ein Quantensprung
„Es gibt hunderte von häufigen – oft chronischen – Krankheiten, für die bislang keine wirklich guten Medikamente zur Verfügung stehen. Mit GenDrug möchten wir dazu beitragen, die Situation der betroffenen Patienten zu verbessern“, erklärt Maik Pietzner. Während vor allem Krankheiten mit hoher Sterblichkeit wie etwa Krebserkrankungen intensiv erforscht werden, führen Krankheiten mit weniger spektakulären Verläufen nicht selten eine Art Schattendasein. In ihre Erforschung und die Entwicklung wirksamer Medikamente wird weit weniger investiert – und das obwohl auch diese Erkrankungen die Lebensqualität im Alltag erheblich einschränken.
„Auf solchen oft vernachlässigten Erkrankungen liegt unser Fokus“, so Maik Pietzner. „Unser Ziel ist, krankheitsspezifische kleine Veränderungen in den Genen und damit Zielstrukturen für innovative Medikamente zu finden. Dabei werden wir neue Wege beschreiten: Wir werden Erkenntnisse der Genomsequenzierung mit elektronischen Gesundheitsdaten verknüpfen und unter Verwendung künstlicher Intelligenz nach bislang unbekannten Zusammenhängen zwischen Genetik und Krankheitsmanifestation suchen – Zusammenhängen, die richtungsweisend bei der Entwicklung neuer Medikamente sein könnten.“
Die Verfügbarkeit elektronischer Gesundheitsdaten eröffnet erstmals die Möglichkeit, an Millionen von Menschen Erkrankungen systematisch und ökonomisch zu erforschen. „Wir gehen davon aus, dass sich bei Sichtung der riesigen Datenpools genetische Signaturen herauskristallisieren, die für bestimmte Krankheiten typisch sind“, so Maik Pietzner. „Unsere Computerprogramme sind in der Lage, in einer – für uns ohne KI-Support nicht zu bewältigenden – Datenfülle Muster zu erkennen und sichtbar zu machen. Methodisch ist das ein Quantensprung.“
In den Genen sind Informationen für die Herstellung von Eiweißstoffen (Proteine) hinterlegt. An diesen Genprodukten sind Maik Pietzner und seine Mitarbeiter*innen besonders interessiert. Denn Proteine, die man bei bestimmten Erkrankungen gehäuft oder in ihrem Bauplan verändert findet, könnten Ansatzpunkte für eine innovative Therapie sein. Oder aber die neu gewonnenen Erkenntnisse über Risikogene und ihre Genprodukte untermauern bereits vorhandene Therapieansätze und bieten die Chance, diese weiterzuentwickeln – auch das wäre ein Zugewinn.
Erste interessante Kandidaten
Beim Raynaud-Syndrom ist man bereits fündig geworden: Wissenschaftler*innen der BIH-Arbeitsgruppe „Computational Medicine“ entdeckten zwei Gene, die das Risiko für diese relativ häufige, aber wenig erforschte Erkrankung um mehr als 20% erhöhen. Etwa 2 bis 5% der Bevölkerung – Frauen häufiger als Männer – leiden am Raynaud-Syndrom, bei dem sich die kleinen Blutgefäße in Fingern oder Zehen mehrmals am Tag krampfartig verschließen, was mit Taubheitsgefühl und Schmerzen verbunden ist. Die neu entdeckten Gene und ihre Genprodukte sind nachweislich daran beteiligt. Medikamente, die diese beiden Proteine in ihrer Wirkung hemmen, scheinen deshalb geeignet, die belastenden Symptome des Raynaud-Syndroms deutlich zu lindern.
Innovationsschub bei vielen Krankheiten erhofft
Doch das ist erst der Anfang, so Maik Pietzner. „Wir hoffen, mit den im Rahmen von GenDrug bereitgestellten Big Data einen Innovationsschub anstoßen und auf diesem Wege die therapeutischen Möglichkeiten bei einer Vielzahl von Krankheiten entscheidend verbessern zu können.“
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Über die Starting Grants des ERC
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) unterstützt wissenschaftlichen Nachwuchs derzeit im Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Gefördert werden herausragende Talente zwei bis sieben Jahre nach ihrer Promotion, die einen ungewöhnlichen Forschungsansatz zu einem frei gewählten Thema verfolgen. Für den Aufbau einer Arbeitsgruppe stehen jeweils rund 1,5 Millionen Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren zur Verfügung
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Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
Die Mission des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max Delbrück Center waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das Max Delbrück Center ist Privilegierter Partner des BIH.
Weitere Informationen:
https://www.bihealth.org/de/aktuell/gene-als-schluessel-zu-neuen-therapien-erc-starting-grant-fuer-maik-pietzner Link zur Pressemitteilung
https://erc.europa.eu/apply-grant/starting-grant Link zu den ERC Starting Grants