Oberwolfach Preis für Algebra und Zahlentheorie geht an Vesselin Dimitrov
Vesselin Dimitrov erhält den Oberwolfach Preis 2022. Die Oberwolfach Stiftung und das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach würdigen damit seine überraschenden Durchbrüche in zentralen Gebieten der Zahlentheorie. Mit der Schinzel-Zassenhaus Vermutung und der "Unbounded Denominators Conjecture" von Atkin und Swinnerton-Dyer bewies Dimitrov zwei seit vielen Jahren bekannte aber ungelöste Vermutungen. Die Preisverleihung findet am 14. Oktober 2023 im Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach statt.
Vesselin Dimitrov erhält den Oberwolfach Preis 2022 für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Algebra und Zahlentheorie. Die Preisverleihung findet am 14. Oktober 2023 im Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach statt.
Die Oberwolfach Stiftung und das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach verleihen den Oberwolfach Preis circa alle drei Jahre an exzellente Nachwuchskräfte aus unterschiedlichen mathematischen Forschungsbereichen. Über die Vergabe entscheidet die wissenschaftliche Kommission der Gesellschaft für Mathematische Forschung e.V. Der Preis ist mit einem Preisgeld in Höhe von 10.000 € dotiert.
Vesselin Dimitrov wurde 1986 in Sofia, Bulgarien, geboren. Er studierte Mathematik in Harvard und promovierte 2017 an der Universität Yale. Derzeit forscht er am Institute for Advanced Studies in Princeton und ist seit 2022 Dozent am Georgia Institute of Technology. In den vergangenen Jahren hat er in zentralen Gebieten der Zahlentheorie überraschende Durchbrüche erzielt und zum Erstaunen vieler Mathematiker zwei seit vielen Jahren bekannte aber ungelöste Vermutungen bewiesen.
2019 erfolgte der erste Paukenschlag: Dimitrov bewies die Schinzel-Zassenhaus Vermutung, die sich mit dem Verteilungsmuster der Lösungen polynomialer Gleichungen befasst. Die Vermutung wurde 1965 von Andrzej Schinzel und Hans Zassenhaus aufgestellt und sagt voraus, dass für eine ganz bestimmte Klasse von Polynomen jeweils mindestens eine Lösung einen ganz bestimmten Mindestabstand zu allen anderen Lösungen hat. Was sich für Nicht-Mathematiker zunächst wenig spektakulär anhört, ist in vielen Gebieten der Mathematik von großer Bedeutung und stellte sich als ziemlich harte Nuss heraus. Über Jahrzehnte konnten sich Mathematiker dem Problem lediglich annähern, bis Dimitrov schließlich entdeckte, dass die Schlüssel zur Lösung bereits seit längerer Zeit existierten. Er kombinierte geschickt Ideen aus der Zahlentheorie und der komplexen Analysis und wandte eine bekannte Technik auf unerwartet neue Weise an. Mehrere Experten auf seinem Gebiet waren beeindruckt von der Eleganz und Klarheit seiner Beweisführung.
In den vergangenen drei Jahren lieferte Dimitrov weitere bedeutende Ergebnisse. Seinen damals neuesten Durchbruch stellte er im Frühjahr 2022 bei der Tagung „Diophantische Approximationen“ in Oberwolfach vor. Gemeinsam mit Frank Calegari und Yunqing Tang hatte er bereits im September 2021 einen 50-seitigen Beweis der „Unbounded Denominators Conjecture“ („Vermutung der unbegrenzten Nenner“) von Atkin und Swinnerton-Dyer veröffentlicht.
Sogenannte Modulformen, komplexe Funktionen mit üppigen Symmetrien, die Mathematiker seit Jahrhunderten faszinieren, spielen eine Rolle bei einer Vielzahl von mathematischen Problemen. Sie exakt zu kategorisieren blieb jedoch lange eine Herausforderung. 1968 stellten die Mathematiker Oliver Atkin und Peter Swinnerton-Dyer fest, dass sich viele nicht-kongruente Modulformen von kongruenten Modulformen durch eine vergleichsweise einfach zu berechnende Eigenschaft unterschieden: die Nenner der Koeffizienten in der Formel zur Beschreibung der Modulformen wachsen ins Unendliche. Sie formulierten ihre Beobachtung in der „Vermutung der unbegrenzten Nenner“.
In der Mathematik gilt ein Problem jedoch erst dann als gelöst, wenn die Lösung durch logische Schlussfolgerungen allgemeingültig bewiesen ist – auch eine Vielzahl von Beobachtungen reicht dafür nicht aus. Über 50 Jahre lang konnte niemand die Vermutung von Atkin und Swinnerton-Dyer beweisen, bis es schließlich im Jahr 2021 Dimitrov, Calegari und Tang überraschend gelang. Die zündende Idee dafür lieferte erneut Vesselin Dimitrov. Damit steht der Mathematik nun ein großartiges Werkzeug zur Verfügung, um Modulformen genau zu klassifizieren. Auch in der theoretischen Physik hat man lange nach einem solchen Werkzeug gesucht. Hier werden Modulformen verwendet, um die Wechselwirkungen winziger Partikel zu untersuchen.
Hintergrund:
Das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO) organisiert und fördert mathematische Forschung, internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie Fortbildungen in der Mathematik und ihren Grenzgebieten. An den Forschungsprogrammen nehmen jährlich mehr als 2500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teil, die weltweit zu den führenden Köpfen in ihren jeweiligen Spezialgebieten zählen. Das Institut wurde 1944 gegründet und ist seit 2005 Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es hat die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Alleiniger Gesellschafter ist die Gesellschaft für mathematische Forschung e.V. (GMF). Die wissenschaftliche Kommission der GMF besteht aus ca. 20-25 international angesehenen Mathematikerinnen und Mathematikern und ist in Abstimmung mit der Geschäftsführung des MFO zuständig für die Forschungs- und Entwicklungsplanung sowie die aktuelle wissenschaftliche Arbeitsplanung des Instituts. Die Oberwolfach Stiftung wurde im Förderverein des MFO (Friends of Oberwolfach) als nicht rechtsfähige Stiftung gegründet.
Weitere Informationen:
https://www.mfo.de/outreach-media/prizes/oberwolfach-prize Informationen zum Preis und zu bisherigen Preisträgern
https://www.friends-of-oberwolfach.org/association/oberwolfach-foundation Informationen zur Oberwolfach Stiftung, die den Preis finanziert
https://www.mfo.de/about-the-institute/structure/scientific-committee Aktuelle Zusammensetzung der wissenschaftlichen Kommission der GMF