Entscheidungsunterstützung für sicheren Schiffsbetrieb bei Starkregenereignissen an staugeregelten Wasserstraßen
In urbanen Regionen kommt es aufgrund der hohen Versiegelung bei Starkregenereignissen zu hohen Abflüssen. Bestehende Rückhaltebecken können überlastet werden, sodass größere Niederschlagsmengen direkt in das Gewässer eingeleitet werden. Solche Einleitungen können die Wasserstände in staugeregelten Wasserstraßen sprunghaft ansteigen lassen. Insbesondere bei sommerlichen Niedrigwasserabflüssen kann die Einleitung ein Vielfaches des Abflusses in der Wasserstraße betragen. Auf diese schnellen Abflussänderungen muss im Betrieb der unterhalb liegenden Stauanlagen vorausschauend reagiert werden, da ansonsten für die Schifffahrt die Gefahr von Brückenanfahrungen oder Grundberührungen besteht.
Durch den Klimawandel werden lokale Wetterextreme absehbar zunehmen. Um auch künftig einen sicheren Schiffsbetrieb zu garantieren, gewinnt die Forschung zum Thema ‚Klima und Verkehr‘ an Bedeutung. Das BMDV-Expertennetzwerk bietet sieben Ressortforschungseinrichtungen und Fachbehörden des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) seit dem Jahr 2016 die Möglichkeit, sich interdisziplinär zu vernetzen und gemeinsam an den Verkehrsfragen der Zukunft zu arbeiten. Die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) ist von Beginn an Teil dieses Netzwerkes und arbeitet beim Thema ‚Klima und Verkehr‘ u. a. eng mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zusammen.
Im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks haben beide Institutionen ein Pilotprojekt entwickelt, das die Innenstadt von Stuttgart und den Neckar im Fokus hat. Bei Starkregen werden größere Mengen an Mischwasser aus Stuttgart in den Neckar einleitet. Etwa sechs Kilometer unterhalb der Einleitungsstelle liegt die Neckar-Staustufe Hofen, bei der auf diese Einleitung reagiert werden muss. Die BAW hat hierfür ein Prognosesystem auf Basis von hochauflösenden Niederschlagsprognosen des DWD implementiert. Mit Hilfe eines computergestützten Modells der Stuttgarter Kanalisation werden regeninduzierte Einleitungen in den Neckar vorhersagt. Diese Vorhersage wird dem Betriebspersonal der Stauhaltung Hofen zur Verfügung gestellt und ermöglicht ihm, frühzeitig auf die ankommende Abflusswelle zu reagieren und die Wasserstandschwankungen auf ein unschädliches Maß zu begrenzen. Das Prognosesystem wird noch bis Ende des Jahres 2026 getestet und anschließend evaluiert.
Einen vertieften Einblick in das Prognosesystem geben BAW und DWD in einem gemeinsamen Vortrag am 26. Oktober 2023 im Rahmen der 2. Verkehrs- und Infrastrukturtagung (VIT) des BMDV-Expertennetzwerks im Allianz Forum in Berlin. Auch weitere Ergebnisse und Kooperationen der BAW im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks werden dort präsentiert. Entsprechend dem Leitspruch der 2. VIT: „Forschung für resiliente, vernetzte und umweltgerechte Verkehrsträger“, ist die BAW aktiv daran beteiligt, die drängenden Verkehrsfragen der Zukunft zu erforschen und durch Innovationen eine resiliente und umweltgerechte Gestaltung der Verkehrsträger zu ermöglichen.