Blickkontakt und Baby-Talk: Warum es einen Unterschied macht, wie wir mit unseren Babys sprechen
Prof. Dr. Christine Michel von der SRH Hochschule für Gesundheit veröffentlicht mit Kolleg:innen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und der Universität Wien eine neue Studie.
„Im Miteinander mit Babys verändern wir ganz intuitiv unser Verhalten: Wir sprechen in einer höheren Stimmlage, mit mehr Wiederholungen und betonen oder übertreiben manchmal sogar unsere Mimik und Gestik. Bisherige Forschung hat gezeigt, dass Babys diese besondere Art der kindgerichteten Kommunikation bevorzugen. Allerdings ist bisher nur wenig darüber bekannt, wie die Signale vom Baby-Gehirn verarbeitet werden, welchen Einfluss diese sozialen Signale auf die Kinder haben und ob sie ggfs. das frühkindliche Lernen unterstützen“, erläutert Prof. Dr. Christine Michel, Professorin für frühkindliche Entwicklung an der SRH Hochschule für Gesundheit.
Zur Beantwortung dieser Fragen führte Prof. Dr. Christine Michel gemeinsam mit Daniel Matthes (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig) und Stefanie Höhl (Universität Wien) am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eine Studie durch, die nun in der Zeitschrift Child Development publiziert wurde. Dabei wurden 35 Mütter gebeten, ihren 9 bis 10 Monate alten Babys ihnen unbekannte Gegenstände auf zwei verschiedene Arten zu zeigen: zum einen mit sozialen Signalen wie Blickkontakt, kindgerichteter Sprache und Ansprechen des Babys mit Namen, zum anderen ohne Blickkontakt, in Erwachsenensprache und ohne den Namen des Babys zu nennen. Währenddessen wurde die Gehirnaktivität der Babys mittels Elektroenzephalographie (EEG) gemessen, wobei der Fokus darauf lag, wie stark das Gehirn des Babys in den Frequenzbereichen Alpha und Theta aktiv war, zwei Gehirnrhythmen, die Prozesse der Aufmerksamkeit und sozialen Kommunikation widerspiegeln. Zudem wurde analysiert, wohin die Babys schauten, und anschließend getestet, ob die Babys die Gegenstände wiedererkannten.
Wenn Mütter Babys mit sozialen Signalen ansprachen, richtete sich die Aufmerksamkeit der Babys stärker auf ihre Mütter und den Gegenstand. Überraschend war jedoch, dass die Gehirnaktivität der Babys im Alpha- und Theta-Bereich sich nicht zwischen beiden Interaktionsarten unterschied, aber im Vergleich zu einer Ruhephase ohne soziale Interaktion verändert war. Das frühkindliche Lernen war hingegen nicht beeinflusst von den sozialen Signalen, mit denen den Kindern der Gegenstand vorgestellt wurde, d. h. die Gegenstände wurden nicht besser wiedererkannt. Die Stärke der kindlichen Theta-Aktivität während der Interaktion war jedoch mit ihrer Lernleistung verbunden, was die wichtige Rolle des Theta-Rhythmus im Baby-Gehirn für frühkindliche Lernprozesse verdeutlicht. Doch auch wenn noch unklar ist, welche Faktoren einer sozialen Interaktion die Theta-Aktivität erhöhen, ist es wichtig, wie wir mit unseren Babys sprechen. Das Bereitstellen sozialer Signale wie Blickkontakt oder das Sprechen in einer kindgerichteten Weise kann Babys helfen, sich auf sozial relevante Dinge in ihrer Umgebung zu konzentrieren.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
https://www.srh-gesundheitshochschule.de/unsere-hochschule/hochschulteam/christine-michel/
Originalpublikation:
https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/cdev.14011