Herbert-Fischer-Preis für Neuroimmunologie geht 2023 an Dr. Leon Hosang
Leon Hosang erhält den Herbert-Fischer-Preis der Deutschen Gesellschaft für Immunologie für seine Erkenntnisse zu einer Lunge-Hirn-Achse, bei der das Mikrobiom der Lunge die Immunantwort der Mikroglia im Gehirn beeinflusst.
Der Herbert-Fischer-Preis für Neuroimmunologie 2023 geht an Dr. Leon Hosang für seine wertvolle Arbeit über die Existenz einer Lungen-Hirn-Achse. Er konnte zeigen, dass das Mikrobiom in der Lunge die Immunreaktivität der Mikroglia im Gehirn beeinflusst.
Die Hauptaufgabe der Lunge ist die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. Zu diesem Zweck verfügt die Lunge über eine große Austauschfläche mit der Umwelt. Ebenso ist bekannt, dass die Lunge bei der Entwicklung von Krankheitsprozessen im Gehirn eine wichtige Rolle spielen kann. So steigern Infektionen der Lunge oder Rauchen das Risiko, an einer Autoimmunentzündung z.B. Multipler Sklerose (MS) zu erkranken. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise das eigene Hirngewebe angreift und dort bleibende Schäden mit zum Teil gravierenden neurologischen Ausfällen verursacht. Warum und wie ausgerechnet die Lunge bei der Steuerung von Autoimmunprozessen des Gehirns beteiligt ist, war bislang unklar.
Leon Hosang konnte während seines Promotionsprojekts eine enge Beziehung zwischen dem Lungenmikrobiom und dem Gehirn aufzeigen. Beim Lungenmikrobiom handelt es sich um die Gesamtheit spezieller Mikroorganismen (z.B. Bakterien), die sich an der Grenze zwischen Lungengewebe und Außenluft angesiedelt haben und bislang wenig erforscht sind. Leon Hosang fand heraus, dass das Lungenmikrobiom die Aktivität der Immunzellen des Gehirns, sogenannte Mikroglia, reguliert. Diese neubeschriebene Lunge-Hirn-Achse ist auch für die Entwicklung von Krankheitsprozessen von Bedeutung. Leon Hosang fand nämlich im Tiermodel der Multiplen Sklerose heraus, dass die Zusammensetzung des Lungenmikrobioms die Anfälligkeit von Tieren, eine Autoimmunentzündung des Gehirns zu entwickeln, beeinflusst. Bei einer Antibiotika-vermittelten Manipulation des Lungenmikrobioms konnten deutlich messbare und sogar mikroskopisch sichtbare Veränderungen der Mikroglia beobachtet werden. Die Verästelungen der Mikroglia waren verkürzt und verdickt und die Mikroglia reagierten weniger stark auf entzündliche Signale. Dadurch wurden weniger Immunzellen in das entzündete Gehirngewebe herbeigeholt, was eine verminderte Anfälligkeit gegenüber einer Autoimmunentzündung erklärte. Die Ursache für die Veränderung der Mikroglia und der Autoimmunresistenz konnte ebenfalls geklärt werden. Durch die Antibiotikagabe sammelten sich im Lungengewebe verstärkt Bakterien mit dem Zellwandbestandteil Lipopolysaccharid an. Eine Senkung des Lipopolysaccharids in der Lunge bewirkte dagegen genau das Gegenteil, die Autoimmunerkrankung verstärkte sich.
Das Mikrobiom sendet somit Signale an die Mikroglia und diese passen ihre immunologische Reaktionsfähigkeit entsprechend an. So können die Mikroglia rechtzeitig auf vorhandene Gefahren reagieren. Man könnte auch von einem Frühwarnsystem für das empfindliche Gehirngewebe sprechen. Einflüsse auf das Lungenmikrobiom, wie z.B. Infektionen der Lunge, therapeutische Manipulationen oder Umweltverschmutzung könnten somit auch die Immunreaktionen innerhalb des Gehirns modulieren und Folgen für die Gesundheit haben. Ein therapeutischer Ansatz ist ebenso denkbar. So könnte eine gezielte Gabe von Probiotika oder Antibiotika dazu genutzt werden, die Immunreaktionen des Gehirns gezielt zu beeinflussen. Damit wäre eine Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems denkbar, bei denen die Immunaktivität der Mikroglia eine Rolle spielt, wie z. B. bei der Multiplen Sklerose.
Zur Person
Leon Hosang studierte Developmental, Neural and Behavioral Biology an der Georg-August-Universität Göttingen und fertigte im Anschluss seine Dissertation auf dem Gebiet der Neuroimmunologie am Institut für Neuroimmunologie und Multiple-Sklerose-Forschung an. Zurzeit wird Dr. Hosang durch ein dreijähriges Stipendium der Klaus Faber Stiftung gefördert. Er nutzt es, um das von ihm etablierte neue Forschungsgebiet in der neuroimmunologischen Grundlagenforschung weiter auszubauen.
Über den Herbert-Fischer-Preis für Neuroimmunologie
Jährlich vergibt die Deutsche Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI) Promotions- und Early-Career-Preise an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die einen herausragenden Beitrag auf dem Gebiet der Immunologie geleistet haben. Die Preisverleihung fand am 29. September 2023 während der gemeinsamen Jahrestagung der Société Française d’Immunologie und der Deutschen Gesellschaft für Immunologie in Straßburg statt.
Der mit 1.500 € dotierte Herbert-Fischer-Preis für Neuroimmunologie wird jährlich an Doktorand/-innen und Junior-Postdoktorand/-innen für im deutschsprachigen Raum durchgeführte Arbeiten auf dem Gebiet der Neuroimmunologie verliehen. Der Preis erinnert an den ehemaligen Direktor (1961-1981) des Max-Planck-Institutes für Immunbiologie. Herbert Fischer war ein Pionier auf dem Gebiet der Systemimmunologie. Er erkannte die Bedeutung des zellulären Milieus für die Immunantwort. Sein Interesse galt besonders dem Zusammenspiel zwischen Lymphozyten mit Makrophagen, welches er durch innovative Methoden wie Chemilumineszenz und Mikrokinematographie beleuchtete.
Stifter des Preises ist die Rosa Laura und Hartmut Wekerle Stiftung.
Über die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI)
Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI), gegründet 1967, vereint führende Naturwissenschaftler und Mediziner, um die Wirkmechanismen der körpereigenen Abwehr zu erforschen. Dadurch werden bedeutende Grundlagen für die Diagnose und Behandlung von Krankheiten geschaffen. Durch nationale Schulungen (Akademie für Immunologie) und im Austausch mit internationalen Fachgesellschaften fördert die DGfI in besonderem Maße den wissenschaftlichen und klinischen Nachwuchs. Auch die Akzeptanz für immunologische Forschung in der breiten Bevölkerung zu erhöhen, ist der DGfI ein wichtiges Anliegen. Mit über 2.300 Mitgliedern ist die DGfI weltweit die viertgrößte nationale Fachgesellschaft für Immunologie. Weitere Informationen finden Sie auf www.dgfi.org.
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