Luft lenkt Laser ab - Innovatives Konzept beugt Laserstrahlen berührungslos mit Hilfe von Schallwellen
Mit einem neuartigen Verfahren lassen sich Laserstrahlen berührungsfrei in der Luft ablenken. Das dabei eingesetzte unsichtbare optische Gitter aus Luft ist nicht nur immun gegen Beschädigungen durch den Laserstrahl, sondern erhält auch dessen Strahlqualität, wie das interdisziplinäre Entwicklungsteam im Fachblatt „Nature Photonics“ berichtet. Die Forscherinnen und Forscher haben ihre Methode zum Patent angemeldet.
Die innovative Technik nutzt Schallwellen, um die Luft in dem Bereich zu modulieren, den der Laserstrahl durchkreuzt. „Wir erzeugen ein optisches Gitter mit Hilfe akustischer Dichtewellen“, erläutert Hauptautor Yannick Schrödel, Doktorand beim DESY und am Helmholtz-Institut Jena. Mit Hilfe starker Speziallautsprecher prägen die Forscherinnen und Forscher ein Streifenmuster aus dichteren und weniger dichten Bereichen in die Luft. Ähnlich wie unterschiedlich dichte Luftschichten auch in der Erdatmosphäre Licht ablenken, übernimmt das Dichtemuster in der Luft die Funktion eines optischen Gitters, das den Laserstrahl beugt. „Die Lichtablenkung per Beugungsgitter erlaubt allerdings eine viel präzisere Kontrolle des Laserlichtes im Vergleich zur Ablenkung in der Erdatmosphäre“, betont Schrödel. „Die Eigenschaften des optischen Gitters lassen sich über die Frequenz und die Intensität, also die Lautstärke, der Schallwellen beeinflussen.“
Auf diese Weise ließ sich in ersten Labortests ein starker Infrarot-Laserpuls mit einer Effizienz von 50 Prozent ablenken. Deutlich höhere Effizienzen sollen in Zukunft möglich sein, wie numerische Modellierungen zeigen. Für den ersten Test mussten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Speziallautsprecher weit aufdrehen. „Wir bewegen uns bei einem Schallpegel von etwa 140 Dezibel, das entspricht einem Düsentriebwerk in wenigen Metern Entfernung“, erläutert Christoph Heyl, Wissenschaftler bei DESY und dem Helmholtz-Institut Jena, der das Forschungsprojekt leitet. „Zum Glück befinden wir uns im Ultraschallbereich, den unsere Ohren nicht wahrnehmen.“
Das Team sieht in der Technik großes Potenzial für die Hochleistungsoptik. Bei ihren Versuchen verwendeten die Forscherinnen und Forscher einen Infrarot-Laserpuls mit einer Spitzenleistung von 20 Gigawatt, das entspricht der Leistung von etwa zwei Milliarden LED-Birnen. Laser dieser und noch höherer Leistungsklassen werden beispielsweise zur Materialbearbeitung, in der Fusionsforschung oder für neueste Teilchenbeschleuniger eingesetzt. „In diesem Leistungsbereich schränken die Materialeigenschaften von Spiegeln, Linsen und Prismen den Einsatz deutlich ein, und solche optischen Elemente werden in der Praxis leicht von starken Laserstrahlen beschädigt“, erläutert Heyl. „Zudem verschlechtern sie die Qualität des Laserstrahls. Wir schaffen es dagegen, Laserstrahlen qualitätserhaltend berührungslos abzulenken.“
Das Prinzip der akustischen Kontrolle von Laserlicht in Gasen ist nicht auf die Erzeugung optischer Gitter beschränkt, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Es lasse sich voraussichtlich auch auf andere optische Elemente wie Linsen und Wellenleiter übertragen. „Wir haben seit langem über diese Methode nachgedacht und schnell festgestellt, dass extreme Schallpegel notwendig sind. Diese schienen zunächst technisch nicht realisierbar“, erläutert Heyl. „Wir haben aber nicht so schnell aufgegeben und schließlich mit Unterstützung von Forschern der Technischen Universität Darmstadt sowie des Unternehmens Inoson eine Lösung gefunden. Zunächst haben wir unsere Technik in Raumluft ausprobiert, als nächstes werden wir auch andere Gase einsetzen, um beispielsweise andere Wellenlängen sowie andere optische Eigenschaften und Geometrien zu erschließen.“
Die bereits gezeigte Lichtablenkung direkt in Umgebungsluft eröffnet vielversprechende Anwendungen, insbesondere als schneller Schalter für Hochleistungslaser. „Das Potenzial der berührungslosen Kontrolle von Licht und deren Erweiterung auf andere Anwendungen lässt sich derzeit nur erahnen“, erläutert Heyl. „Die moderne Optik beruht fast ausschließlich auf der Interaktion von Licht mit fester Materie. Unser Ansatz eröffnet eine völlig neue Richtung.“
An der Arbeit waren Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität Darmstadt, der Hochschule Aalen, der Universität Hamburg, der Inoson GmbH in St. Ingbert, des Helmholtz-Instituts Jena und von DESY beteiligt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Yannick Schrödel
DESY
+49 40 8998-6470
yannick.schroedel@desy.de
Dr. Christoph Heyl
DESY und Helmholtz-Institut Jena
+49 40 8998-6085
christoph.heyl@desy.de
Originalpublikation:
Acousto-optic modulation of gigawatt-scale laser pulses in ambient air; Yannick Schrödel, Claas Hartmann, Tino Lang, Jiaan Zheng, Max Steudel, Matthias Rutsch, Sarper H. Salman, Martin Kellert, Mikhail Pergament, Thomas Hahn-Jose, Sven Suppelt, Jan Helge Dörsam, Anne Harth, Wim P. Leemans, Franz X. Kärtner, Ingmar Hartl, Mario Kupnik, Christoph M. Heyl; „Nature Photonics“, 2023; DOI: 10.1038/s41566-023-01304-y
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