Inflammation als Therapie-Target bei CKD: Verlangsamung der Progression und Senkung der kardiovaskulären Risikos
Bei der chronischen Nierenkrankheit ist die kardiovaskuläre Mortalität dramatisch erhöht. Inzwischen wurde gezeigt, dass bei der Entstehung und Progression sowohl kardiovaskulärer als auch chronischer Nierenerkrankungen anhaltende Entzündungsprozesse eine zentrale Rolle spielen. Dabei kommt es durch Aktivierung des angeborenen Immunsystems über bestimmte molekulare interleukinabhängige Signalwege zu einem chronisch inflammatorischen Mikromilieu im Gewebe. Verschiedene antiinflammatorische Medikamente werden bereits in Studien untersucht [1, 2].Man hofft, dass sie künftig die CKD-Progression und das hohe kardiovaskuläre Risiko bei CKD-Betroffenen verbessern können.
Bei Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung stellen kardiovaskuläre Ereignisse die Haupttodesursache dar. Entsprechend ist eine chronische Nierenerkrankung (CKD) eine der stärksten Risikofaktoren für die Gefäße und das Herz-Kreislaufsystem. Die genauen Zusammenhänge auf biochemischer Ebene werden erst seit einigen Jahren zunehmend besser verstanden. Ein wesentlicher Mechanismus ist dabei eine chronische, nicht erregerbedingte Entzündung, die permanent das Krankheitsgeschehen „anheizt“ und maßgeblich zur Progression der Nierenerkrankung, abnehmender Nierenfunktion und kardiovaskulären Schäden beiträgt. Die Inflammation ist eine „Akute-Phase-Reaktion“, bzw. eine unspezifische Abwehrreaktion des Immunsystems, die bei CKD durch eine Akkumulation unterschiedlicher Aktivatoren des angeborenen Immunsystems entsteht. Dabei setzen Entzündungszellen pro-inflammatorische Botenstoffe wie z.B. Interleukine frei, wodurch die Leber Akute-Phase-Proteine wie CRP produziert.
Epidemiologische Studien belegen die Assoziation zwischen inflammatorischen Blutbiomarkern, wie das hochsensitive CRP oder IL-6, und kardiovaskulären Ereignissen [3]. Die Effektstärke des CRP ist dabei mit dem LDL-Cholesterin bzw. Bluthochdruck vergleichbar [4]. Auch für die Nierenfunktion bzw. die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) besteht eine Assoziation zwischen CRP und IL-6 (je niedriger die eGFR, desto höher die Inflammationsmarker und umgekehrt). Menschen mit höheren Inflammationsmarkern haben außerdem ein höheres Langzeitrisiko für die Entstehung einer CKD und deren Progression.
Die Inflammation stellt somit einen bedeutsamen nicht traditionellen kardiovaskulären Risikofaktor bei Menschen mit CKD dar – und die Wissenschaft vermutet hier auch den möglichen Link, weshalb trotz einer optimalen CKD-Therapie die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität erhöht bleiben; genauso wie Patientinnen und Patienten mit manifesten atherosklerotischen Erkrankungen für die trotz aller bisherigen therapeutischen Möglichkeiten ein erhöhtes Ereignisrisiko bestehen bleibt (z.B. für Herzinfarkt und Schlaganfall). Man spricht hier vom residuellen inflammatorischen Risiko, das bisher nicht spezifisch behandelbar war.
Verschiedene Medikamente, die leitlinienentsprechend bereits standardmäßig in Risikogruppen eingesetzt werden, haben neben ihrer Hauptwirkung auch antiinflammatorische Effekte. Dies sind die SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) als wichtige Therapiesäulen sowohl bei CKD (mit und ohne Diabetes mellitus) als auch bei Herzinsuffizienz. Für SGLT2i wurde interessanterweise eine gewisse Hemmwirkung auf das sogenannte NLRP3-Inflammasom gezeigt. Auch Statine, die zur LDL-Cholesterinsenkung dienen, haben antiinflammatorische Effekte, beispielsweise durch die Reduktion des LDL-C, welches auch das angeborene Immunsystem aktiviert. Sie verringern außerdem oxidativen Stress und verbessern die endotheliale Dysfunktion. Detaillierte pharmakologische Auswirkungen von Statinen auf das angeborene Immunsystem werden derzeit noch untersucht.
Der spezifische Angriff an Inflammationsprozessen stellt dagegen ein besonders interessantes, neues Therapie-Target dar. Dabei ist ein inflammatorischer Signalweg, die sogenannte NLRP3-IL-1β-IL-6-Achse, besonders vielversprechend. Vor einigen Jahren zeigte die Landmark-Studie CANTOS [5] erstmals, dass eine spezifische antiinflammatorische Therapie mit einem monoklonalen IL-1β-Antikörper (Canakinumab) die Rate kardiovaskulärer Ereignisse signifikant reduzierte und bestätigte somit die „Inflammationshypothese“ für die Atheroskleroseentstehung. Eine Posthoc-Analyse zeigte [6], dass Teilnehmende mit eingeschränkter Nierenfunktion besonders von der IL-1β-Inhibition mit Canakinumab profitierten. Auch das etablierte Gicht-Medikament Colchicin hat vielfältige, starke antiinflammatorische Effekte. Wegen Akkumulationsgefahr bei eingeschränkter Nierenfunktion ist es jedoch bei CKD ungeeignet.
IL-6 als weiteres potenzielles Therapieziel wurde in der randomisierten, doppelblinden Phase-2-Studie RESCUE untersucht, die Teilnehmende mit CKD im Stadium 3-4 und einem erhöhten hsCRP (>2 mg/l) einschloss [1]. Der Anti-IL-6-Antikörper Ziltivekimab wurde in verschiedenen Dosierungen für 24 Wochen gegenüber Placebo getestet. Das hsCRP sank unter Ziltivekimab dosisabhängig signifikant ab (unter 15 mg Ziltivekimab um 88%, bei 80% der Studienteilnehmenden sank das hsCRP auf <2 mg/l). Außerdem wurden verschiedene weitere Akute-Phase-Proteine im Blut vermindert, wie Fibrinogen, Amyloid A, Haptoglobin, sekretorische Phospholipase A2 und das Lipoprotein(a). Aktuell läuft nun die randomisierte klinische Phase-3-Studie ZEUS bei Nierenkranken im CKD-Stadium 3-4, die gleichzeitig atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen und ein hsCRP >2 mg/l haben [2]. Sie vergleicht Ziltivekimab gegen Placebo, Endpunkte sind „MACE“ („major adverse cardiac events") und die Nierenfunktion.
„Die ZEUS-Studie soll zeigen, ob die gezielte antiinflammatorische Therapie bei CKD eine effektive Zusatztherapie darstellt“, so Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Thimoteus Speer, Frankfurt. „Wir hoffen, dass wir in Zukunft bei unseren Patientinnen und Patienten die Progression der Nierenerkrankung und gleichzeitig der drohenden kardiovaskulären Schäden verhindern und somit die Zahl der Patientinnen und Patienten, die auf eine Nierenersatztherapie angewiesen sind, verringern und die hohe kardiovaskuläre Mortalität bei CKD senken können.“
[1] Ridker PM, Devalaraja M, Baeres FMM et al. IL-6 inhibition with ziltivekimab in patients at high atherosclerotic risk (RESCUE): a double blind, randomised, placebo-controlled, phase 2 trial. Lancet 2021; 397 (10289): 2060-2069
[2] Novo Nordisk, A.S., ZEUS – A Research Study to Look at How Ziltivekimab Works Compared to Placebo in People With Cardiovascular Disease, Chronic Kidney Disease and Inflammation. NCT05021835
[3] Ridker PM. From C-Reactive Protein to Interleukin-6 to Interleukin-1: Moving Upstream To Identify Novel Targets for Atheroprotection. Circ Res 2016; 118 (1): 145-56
[4] Emerging Risk Factors Collaboration; Kaptoge S, Di Angelantonio E, Lowe G et al. C-reactive protein concentration and risk of coronary heart disease, stroke, and mortality: an individual participant meta-analysis. Lancet 2010; 375 (9709): 132-40
[5] Ridker PM, Everett BM, Thuren T et al. Antiinflammatory Therapy with Canakinumab for Atherosclerotic Disease. N Engl J Med 2017; 377 (12): 1119-1131
[6] Ridker PM, MacFadyen JG, Glynn RJ et al. Inhibition of Interleukin-1beta by Canakinumab and Cardiovascular Outcomes in Patients With Chronic Kidney Disease. J Am Coll Cardiol 2018; 71 (21): 2405-2414
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