Schichten nach Maß: Jenaer Forschende entwickeln neues Verfahren zur Herstellung maßgeschneiderter Halbleiterdünnfilme
Organische Halbleitermaterialien sind vielversprechende Schlüsseltechnologien für die Entwicklung hochmoderner optoelektronischer Komponenten und kommen in der Photovoltaik ebenso zum Einsatz wie in der Sensorik und Mikroelektronik. Um dünne organische Halbleiterfilme automatisiert und mit wohl-definierten Eigenschaften zu erzeugen, haben Forschende unter Führung des Leibniz-IPHT aus Jena einen neuen technologischen Ansatz zur Abscheidung von Dünnschichten mit hoher molekularer Präzision entwickelt. Die von ihnen beschriebene Methode, mit der Dünnfilme mit maßgeschneiderten elektronischen Eigenschaften hergestellt werden können, stellen sie in der Fachzeitschrift Advanced Materials vor.
Organische Halbleiter, die in der Regel aus kohlenstoffbasierten molekularen Materialien oder Polymeren bestehen, sind Bestandteil einer Vielzahl heutiger Anwendungen: So werden die ultradünnen, mechanisch flexiblen und leichten Halbleiterdünnschichten beispielsweise in modernen Transistoren, empfindlichen Sensoren oder organischen Solarzellen verwendet. Ihr Energieumwandlungspotential und damit ihre Funktionalität wird von den elektronischen Energieniveaus der organischen Dünnfilme bestimmt, die von den Molekülen sowie ihrer Anordnung und den Wechselwirkungen zwischen jeweils benachbarten Molekülen innerhalb der Dünnschichten abhängen.
Einem deutsch-amerikanischen Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es – unter Führung des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) – gelungen, ein neuartiges Herstellungsverfahren zu entwickeln, mit dem sich automatisiert dünne Halbleiterfilme mit maßgeschneiderten strukturellen und elektronischen Eigenschaften präzise fabrizieren lassen. Die in der Fachzeitschrift Advanced Materials vorgestellte Methode soll es ermöglichen, gezielt Dünnschichten mit kontrollierbaren Wechselwirkungen zwischen Molekülnachbarn und spezifischen Energieniveaus zu erzeugen.
Rollende Abscheidung von Halbleiterdünnschichten
Die vorgestellte „Rolling Transfered Langmuir Layer“-Technik, eine Weiterentwicklung der etablierten Langmuir-Blodgett-Technik zur Abscheidung dünner Filme, eignet sich zur Herstellung von Monoschichten organischer Halbleitermoleküle an Luft-Wasser-Grenzflächen. Hierzu wird eine Molekülschicht, die sich auf einer Wasseroberfläche bildet, auf ein festes Trägermaterial übertragen. Die Abscheidung der molekularen Monoschicht auf das Substrat erfolgt über ein spezifisches und von den Forschenden entwickeltes rollendes Transfersystem, das das zu beschichtende Substrat enthält und welches über den Molekülfilm an der Wasseroberfläche bewegt wird. Die an der Luft-Wasser-Grenzfläche ausgebildete Molekülschicht bleibt durch die rollende Bewegung schließlich am Substrat haften.
„Das von uns entwickelte Verfahren erlaubt es, auch kristalline Filme abzuscheiden, deren Herstellung mit etablierten Methoden bisher nur mit erheblichem Aufwand verbunden war und häufig zu Oberflächendefekten, wie beispielsweise Brüchen in den organischen Dünnschichten, führte. Mit dem vorgestellten Prozess können wir diese Oberflächendefekte auf ein Minimum reduzieren und sowohl Monoschichten als auch mehrere Dünnfilmschichten mit individuellen Eigenschaften direkt, gleichmäßig und mit hoher Qualität skalierbar herstellen“, erklärt PD Dr. habil. Martin Presselt, Leiter der Arbeitsgruppe Organische Dünnschichten und Grenzflächen am Leibniz-IPHT, der gemeinsam mit seinem Team die neue Methode entwickelte.
Passgenaue dünne Filme
Für die Herstellung halbleitender dünner Filme mit maßgeschneiderten strukturellen und energetischen Eigenschaften spielen zwei Parameter eine entscheidende Rolle: „Zum einen kann mittels der ,Rolling Transfered Langmuir Layer´-Technik die Packungsdichte der Moleküle innerhalb einer Schicht, die von sehr dicht gepackt bis weniger dicht gepackt reichen kann, über den Oberflächendruck während der Abscheidung systematisch variiert werden. Zum anderen lässt sich die Anzahl der übereinanderliegenden Moleküllagen und damit die Schichtdicke der Dünnfilme präzise einstellen. Auf diese Weise können Halbleiterdünnschichten mit gezielten Wechselwirkungen zwischen benachbarten Molekülen und spezifischen Energielagen reproduzierbar erzeugt werden“, so Dr. Sarah Jasmin Finkelmeyer, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Organische Dünnschichten und Grenzflächen, die die neue Methode maßgeblich mitentwickelte.
Der von den Forschenden entwickelte technologische Ansatz legt die Basis für die Fabrikation von auf Dünnfilmen basierenden neuartigen (opto-) elektronischen Bauelementen mit optimierten Eigenschaften. So können beispielsweise organische photovoltaische Module weiterentwickelt werden, die aus Sonnenlicht effizient elektrische Energie gewinnen, aber auch Dünnschichten, die Sonnenlicht in chemische Energie umwandeln.
Über das Leibniz-Institut für Photonische Technologien
Im Mittelpunkt der Forschung am Leibniz-IPHT steht das Licht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen innovative photonische Verfahren und Werkzeuge für die Anwendung in der klinischen Diagnostik, etwa der Infektions- und Krebsdiagnostik, der Pharmazie und Prozesskontrolle sowie in der Lebensmittel- und Umweltsicherheit. Ein wesentliches Ziel ist es, die Translation zu beschleunigen: die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis – from Ideas to Instruments. https://www.leibniz-ipht.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
PD Dr. habil. Martin Presselt
Leiter der Arbeitsgruppe Organische Dünnschichten und Grenzflächen
am Leibniz-IPHT
Telefon: +49 (0) 3641 · 206-418
E-Mail: martin.presselt@leibniz-ipht.de
Originalpublikation:
S. J. Finkelmeyer, E. J. Askins, J. Eichhorn, S. Ghosh, C. Siegmund, E. Täuscher, A. Dellith, M. L. Hupfer, J. Dellith, U. Ritter, J. Strzalka, K. Glusac, F. H. Schacher, M. Presselt, Tailoring the weight of surface and intralayer edge states to control LUMO energies, Advanced Materials (2023), https://doi.org/10.1002/adma.202305006