Kredite für eine nachhaltigere Wirtschaft: Chancen und Hürden deutscher Regionalbanken
Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben ein bislang kaum erschlossenes Potenzial, um für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) Anreize und Angebote zu Investitionen in eine nachhaltige Transformation zu schaffen. „Gerade die Regionalbanken könnten durch den unmittelbaren Kontakt zu ihrer dortigen Kundschaft aktive und engagierte Partner für eine grüne Transformation sein“, erklärt Prof. Dr. Hans-Martin Zademach, Professor für Wirtschaftsgeographie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU).
Welche Hürden jedoch derzeit durch die Gesetzgebung von EU und Bund bestehen und welche Herausforderungen es dabei gibt, um eine Klimafolgenabschätzung auch in die Kreditvergabe für KMU zu integrieren, diskutiert Zademach zusammen mit Dr. Franz Flögel (Institut für Arbeit und Technik, Westfälische Hochschule), Prof. Dr.-Ing. Philipp Schepelmann (Wuppertal Institut) und Michael Zörner (bis 2022 Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Wirtschaftsgeographie der KU) in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „ZFW – Advances in Economic Geography“.
Nachhaltigkeitsaspekte bei allen Finanzierungsfragen berücksichtigen – dieses Ziel verfolgen die Europäische Union und die Bundesregierung mit ihrer entsprechenden Gesetzgebung. Diese klammert jedoch bislang die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als Instrument für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit weitgehend aus. Sowohl die Regulierungen als auch die Finanzierungsangebote für erforderliche Investitionen in einen nachhaltigen Wandel sind auf große Unternehmen ausgerichtet. Unberücksichtigt bleiben Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro. „Dieser blinde Fleck ist für die grüne Transformation in Deutschland höchst problematisch, da KMU mit einem Anteil von 42,3 % an der Bruttowertschöpfung im Jahr 2020 eine wichtige Säule der deutschen Wirtschaft darstellen“, so Zademach. Privates Beteiligungskapital, Anleihen oder Aktien hätten bei KMU in Deutschland nur eine geringe Bedeutung als Finanzierungsinstrumente. Stattdessen machten laut den Autoren des Beitrags die Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit über 54 Prozent den Löwenanteil des Kreditvolumens aus, das in 2021 an KMU und Selbstständige geflossen ist. Vor diesem Hintergrund heißt es auch in der vor kurzem erschienenen Studie „Sustainable Finance“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer: „Aufgrund der hohen Bedeutung der Bankfinanzierung, der Grenzen der Förderungsmöglichkeiten bei den benötigten Volumina und der weitgehenden Irrelevanz der Kapitalmarktfinanzierung muss die Kapazität von Banken zur Vergabe von ,grünen‘ Finanzierungen durch KMU-orientiere Regulierungen erhöht werden.“
Jedoch sind regionale Banken, wie Professor Zademach und seine Co-Autoren schildern, im Gegensatz zu großen Finanzunternehmen in Bezug auf Kapazitäten und Ressourcen weniger gut gerüstet, um Klimafolgenabschätzungen in routinemäßige Kreditvergabeprozesse zu integrieren. „Außerdem verfügen kleine und mittelständische Unternehmen im Gegensatz zu großen Industrieunternehmen in der Regel nicht über ein ESG-Rating im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, sind nicht verpflichtet, ihre Klimaauswirkungen offen zu legen, und kennen solche Informationen oft nicht einmal“, so Zademach. Dies erschwere die Bewertung der Klimaauswirkungen bei der Kreditvergabe an KMU durch regionale Banken, Green Banking werde derzeit bei der alltäglichen Kreditvergabe an KMU kaum berücksichtigt.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken hätten einen besonderen Status - etwa durch das Verbot zur Übernahme durch private Wettbewerber – verbunden mit dem Auftrag, auch gesellschaftliche Ziele zu verfolgen. Doch dieser Auftrag sei derzeit noch nicht „grün“, wie die Autoren schreiben. Zademach plädiert: „Die Mitglieder der Genossenschaftsbanken könnten dies ändern, indem sie einen solchen Auftrag definieren. Bei den Sparkassen sind die Kommunen und die Kommunalpolitiker für die Ausweitung ihrer Ziele zuständig.“ Die besondere Verantwortung regionaler Banken ergebe sich zudem aus der Tatsache, dass sie durch enge Kontakte zu ihrer lokalen Kundschaft großes Wissen über deren Geschäfte hätten und oft der einzige verfügbare Kreditgeber seien, insbesondere in ländlichen und peripheren Regionen. Daher seien regionale Banken besonders wichtig für die realen Auswirkungen von Green Banking in Deutschland. Ungünstige Konditionen oder gar Kreditablehnungen aufgrund von unbefriedigenden Ratings könnten die Akzeptanz der Bemühungen um den Klimaschutz gefährden. Vor diesem Hintergrund sei ein kategorischer Ausschluss umweltbelastender Industrien – wie ihn die sogenannte EU-Taxonomie vorsieht – sowie eine „Rosinenpickerei“ bei grünen Investitionen keine Option für die Kreditvergabepolitik von Regionalbanken - nicht nur, um ihrem doppelten Auftrag gerecht zu werden, sondern auch, um zum Ziel des Klimaschutzes beizutragen. „Stattdessen sollten Regionalbanken ihren Einfluss nutzen, um KMU bei ihrer grünen Transformation zu unterstützen, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Krediten für die Entwicklung neuer und nachhaltiger Produkte. Bessere Kreditkonditionen für grüne Unternehmen und Investitionen fördern die grüne Transformation im Sinne des Einflusskanals Finanzierung weiter“, so Zademach.
Klimafolgenabschätzungen als Grundlage für die Vergabe von Krediten müssten leicht anwendbar sein und in die routinemäßige Kreditvergabepraxis integriert werden, um für regionale Banken und KMU gleichermaßen kosten- und zeiteffizient zu sein. Regionale Banken oder kleinere Unternehmen können weder aus eigener Kraft ausreichende Informationen für biophysikalische Bewertungen erstellen noch alle Aspekte der Geschäftstätigkeit untersuchen. Doch auch wenn die regionalen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland rechtlich unabhängig sind, agieren sie nicht isoliert voneinander: Die Sparkassen-Finanzgruppe bzw. die Genossenschaftliche Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken fungieren als Bindeglieder. „Ihr hoher Marktanteil ermöglicht den Zugang zu einer umfangreichen Datenbasis der Kundschaft, die unter anderen Vergleiche für Rohstoffeinsatz und Energieverbrauch zu Klimafolgenabschätzung ermöglicht. Hierfür müssen klimarelevante Daten zunächst von allen angeschlossenen Regionalbanken identifiziert und erhoben werden, was ein gemeinsames Vorgehen erfordert, jedoch auch die Fixkosten einer solchen Analyse aufteilen könnte“, erklärt Professor Zademach.
Der ausführliche englischsprachige Beitrag „Injecting climate finance into SME lending in Germany: Opportunities for and limitations of regional savings and cooperative Bank“ in der Zeitschrift „ZFW – Advances in Economic Geography“ ist online frei verfügbar unter https://doi.org/10.1515/zfw-2022-0011.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Für Fragen zum Thema steht Ihnen Prof. Dr. Hans-Martin Zademach (Professur für Wirtschaftsgeographie an der KU, zademach@ku.de) zur Verfügung.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1515/zfw-2022-0011