Wissenschaftsrat begutachtet die Universitätsmedizin in Schleswig-Holstein
Kiel und Lübeck: Profilbildung durch Kooperation stärken
Der Wissenschaftsrat (WR) hat auf Bitte des Landes Schleswig-Holstein dessen Universitätsmedizin begutachtet und Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung erarbeitet. 20 Jahre nach der Fusion der universitätsmedizinischen Kliniken in Kiel und Lübeck ist es beiden universitätsmedizinischen Standorten in Kiel und in Lübeck gelungen, ihr wissenschaftliches Profil gemeinsam mit ihren jeweiligen Universitäten auszudifferenzieren.
Die Universitätsmedizin ist für das jeweilige universitäre Profil der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) bzw. Universität zu Lübeck (UzL) prägend. Mit standortübergreifenden wissenschaftlichen Einrichtungen, wie Precision Health in Schleswig-Holstein (PHSH) mit dem aktuellen Schwerpunkt auf Entzündungsforschung, dem Universitären Cancer Center Schleswig-Holstein (UCCSH) oder gemeinsamen Berufungen und Lehrkooperationen haben beide in den letzten Jahren wichtige Schritte unternommen, um die Kooperationsbeziehung zu vertiefen und auszubauen sowie die Universitätsmedizin insgesamt zu stärken.
„Die beiden Universitäten müssen die richtige Balance finden zwischen eigener Profilbildung und standortübergreifenden Schwerpunkten, um Ressourcen optimal einzusetzen“, sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick. „Neben der Entzündungsforschung sehen wir in Bereichen wie der Genomik oder der Medizintechnik großes Potenzial für wissenschaftliche Spitzenleistungen und eine standortübergreifende Schwerpunktbildung der Universitätsmedizin Schleswig-Holstein“, so Wick.
Über ihre wissenschaftliche Bedeutung hinaus nimmt die Universitätsmedizin auch für die regionale Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle ein. Dabei sollte eine Dopplung von spezialisierten klinischen Hochleistungsbereichen, unter Beachtung von Qualitätskriterien und Mindestmengen, möglichst begrenzt werden, ohne dabei das Forschungs- und Lehrangebot einzuschränken. Auch sollten sich die wissenschaftlichen Schwerpunkte zukünftig stärker in den jeweiligen klinischen Schwerpunkten abbilden. Die koordinierende Funktion des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein sollte weiter gestärkt und die institutionelle Vernetzung weiter gefördert werden.
Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik sind wichtige Wirtschaftssektoren des Landes, für deren Innovationskraft Translations- und Transferaktivitäten der Universitätsmedizin jetzt schon wesentlich sind und auch noch weiteres Potenzial bieten. Allerdings bedarf es hierfür an beiden Standorten struktureller Unterstützungsmaßnahmen, finanzieller wie personeller Ressourcen sowie auch verbindlichen Freiraums für klinisch Tätige, um Transfer- und Translationsmöglichkeiten auch umsetzen zu können.
Mit der baulichen Sanierung wurden für die Universitätsmedizin wichtige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im klinischen Bereich umgesetzt. Dringend notwendig ist es, an beiden Standorten auch die Forschungs- und Lehrinfrastrukturen zu stärken. Für eine langfristige Sicherstellung der Konkurrenzfähigkeit der Universitätsmedizin muss der finanzielle Spielraum vergrößert werden. Angesichts zu erwartender Kostenentwicklungen ist nach Einschätzung des Wissenschaftsrats ein dynamischer Mittelaufwuchs für die Universitätsmedizin erforderlich, der eine strukturelle Erhöhung der Mittel einschließt.
Mit der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten leisten die beiden Standorte einen essentiellen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs im Land. Am Standort Lübeck ist es außerdem gelungen, universitäre Studiengänge in den Pflege-, Therapie- und Hebammenwissenschaften aufzubauen. Dieses breite Angebot bietet zusätzliche Möglichkeiten, dringend benötigte Fachkräfte auszubilden und zu halten.
Die Universitätsmedizin Schleswig-Holstein leistet insgesamt einen wesentlichen Beitrag für die Fachkräfteentwicklung, Arbeitsplatzsicherung und für den Wissenschafts-, Wirtschafts- und Innovationsstandort Schleswig-Holstein. Dies verdankt sich auch den Anstrengungen des Landes, die Universitätsmedizin zu fördern. Dieser Einsatz sollte noch intensiviert werden. So finden sich an beiden Standorten qualitativ hochwertige Forschungsinfrastrukturen, die auch für die Transfer- und Translationsleistungen der Universitätsmedizin von höchster Relevanz sind, wie beispielsweise das Kieler Competence Centre for Genomic Analysis (CCGA) oder auch die reputationsträchtigen Biobanken beider Standorte. Der Wissenschaftsrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für diese Strukturen möglichst rasch eine langfristig auskömmliche Finanzierung sicherzustellen. Das Land und die Hochschulen sind hier gleichermaßen gefordert.
Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und die Universität zu Lübeck (UzL) sind die beiden einzigen universitätsmedizinischen Standorte in Schleswig-Holstein. In Kiel umfasst das Studienangebot die Human- und Zahnmedizin, in Lübeck die Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften (Pflege-, Therapie- und Hebammenwissenschaften). Beide Standorte sind im Kooperationsmodell mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) verbunden, das aus einer Fusion der jeweiligen Universitätsklinika im Jahr 2003 hervorgegangen ist. Das UKSH ist die einzige Maximalversorgungsstruktur im Flächenland.
Originalpublikation:
Zur Stellungnahme - https://doi.org/10.57674/t6c9-f224